10. ~ Neuanfang

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~ Cathy ~

Hand in Hand liefen wir über den verdreckten Schulhof auf die grosse, gläserne Eingangstür zu.

Zum Glück war gerade Unterricht, sodass keine Schüler draussen hockten und uns blöd begafften. Mir war das nur Recht, denn ich war mir ziemlich sicher, dass Carlos heute so gereizt war, dass er jedem der auch nur eine Viertelsekunde seine Augen über uns schweifen liess, an die Gurgel springen würde.

Ich verstand zwar, dass ihn die ganze Sache mit Dad und der überstürzten Flucht hierhin ziemlich stresste, und dass er keine Lust auf diese Schule hatte, aber er musste lernen, sich damit abzufinden. Ich schaffte es ja auch irgendwie und eine andere Möglichkeit als das hier hatten wir ja sowieso nicht.

Wir mussten jetzt einfach die Zähne zusammenbeissen und das hier durchziehen. Wir waren ja schliesslich nur hier, um ein sicheres, normales Leben zu leben. Die Polizei und irgendeine Familienhilfsorganisation hatten uns das finanziert und ermöglicht und ich fand, dass wir diese Chance auch packen mussten, denn das Ganze hätte auch anders ausgehen können.

Wenn die Polizei nicht bei uns zu Hause aufgekreuzt wäre, wären wir vielleicht von irgendwelchen Drogendealern entführt und umgebracht worden. Im Grossen und Ganzen hatten wir echt Glück, dass wir hier gelandet waren.
Auch wenn es schwer war, aber Carlos sollte das auch langsam mal einsehen.

Ermutigend drückte ich noch mal kurz seine Hand, bevor wir das Betongebäude betraten. Genauso hatte ich mir diese Schule vorgestellt. Graffiti- und Dreckverschmierte Wände, hässliches Neonlicht und der ganze Boden mit Abfall übersäht.

War ja klar, dass die Polizei und diese Familienhilfsorganisation nicht gerade die komfortabelste Schule für uns ausgesucht hatte! Was anderes war ja auch nicht zu erwarten gewesen.

Etwas abwertend liess ich meine Augen die Eingangshalle nach einer Tür, die wie eine Sekretariatstür aussah, absuchen. Auf der linken Seite, fast ganz im Ecken der riesigen Halle konnte ich eine Tür ausmachen, die aussah wie der Eingang zum Sekretariat.

<< Komm wir versuchen es mal da hinten. >>, meinte ich an Carlos gewandt und steuerte auf die besagte Ecke zu.
Zögerlich blieb ich vor der Tür stehen. Was, wenn der Rektor so ein alter Pedo-Sack war, der sich an seinen Schülerinnen vergriff?

Naja, ich hatte ja Carlos dabei. Der würde mich schon beschützen, wenn dieser Typ mich vergewaltigen wollte. Bevor ich die Hand zum Klopfen hob, warf ich nochmals einen prüfenden Blick über die Schulter. Ja, er stand direkt hinter mir.
Mit weichen Knien liess ich meine Fingerknöchel dreimal gegen das Holz pochen.

<< Sag mal, hast du diese Anmeldungsformulare, die uns die Bullen gestern gegeben haben eigentlich dabei? >>, fragte Carlos plötzlich, während wir darauf warteten, dass uns jemand aufmachte.

Scheisse!
Hatte ich die Dinger dabei? Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich die heute Morgen in der Hektik in meine Tasche geschmissen hatte.
Mist, Mist, Mist!

Hektisch fing ich an, meine Tasche zu durchwühlen.
OMG! Wie peinlich ist das denn bitte?
Wir standen hier vor dem Sekretariat und hatten keine Anmeldungsformulare dabei! Was sollten wir dem Rektor nur sagen? Das wir uns verirrt hatten und dachten, dass sei unser Klassenzimmer?
Peinlicher ging's wohl nicht!

Zum Glück liess er sich Zeit mit dem Öffnen der Tür und ich gewann somit auch etwas mehr Zeit, um meine Tasche gründlich unter die Lupe zu nehmen.
Ich fand ein paar zerknitterte Papiere, die ich nicht zuordnen konnte. Waren das die Formulare? Und wenn ja, wie kamen die da rein?

Mit zitternden Fingern faltete ich sie auseinander und versuchte sie gleichzeitig glatt zu streichen. Hatte Mom mir die eingepackt? Ich konnte mich jedenfalls nicht erinnern, die da hineingesteckt zu haben.
Gott sei Dank! Es waren die Anmeldungsformalitäten.

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