17. ~ Belauscht

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~ Carlos ~

Ich hatte also recht gehabt! Sie war von zu Hause abgehauen und hatte keinen Plan, was sie jetzt tun sollte.

Sie musste nicht mal was sagen, denn ihr ängstlicher Blick sagte alles. Zum Glück hatte ich diese Gratiszeitung auf der Strasse gefunden, sonst hätte ich das wohl nie rausgefunden, denn von selbst hätte sie mir das bestimmt nicht erzählt.

Sie sagte noch immer nichts, aber ich sah, dass sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel löste. Wortlos nahm ich sie in den Arm und strich ihr beruhigend über den Rücken, während sie herzzerreissend schluchzte. << Ich... ich hab keine Ah... Ahnung, was i...ich jetzt machen soll o...oder wo ich hi...hinsoll >>, schluchzte sie in meine Schulter hinein.

<< Hey, ist schon gut! Du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst. Und keine Sorge, ich werde dich nicht an die Bullen ausliefern. >>, versuchte ich sie zu beruhigen.

Es half sogar. Sie hörte auf zu weinen sondern nuschelte mit tränenerstickter Stimme ein „Danke" in meine Schulter hinein. << Ey, ist doch selbstverständlich. >>

<< Warum tust du das für mich? >> Sie hatte sich inzwischen etwas von mir gelöst und sah mich mit ihren geröteten Augen direkt an. Maaan, diese Augen! Warum waren sie nur so wunderschön? << Ich meine, du könntest mich auf den nächstbesten Polizeiposten bringen und würdest wahrscheinlich eine Menge Finderlohn kassieren. >>

Sie sah mich immer noch an und wartete offensichtlich auf eine Antwort. Reiss dich von diesen Augen los und antworte ihr, verdammt nochmal! Am liebsten hätte ich gesagt, weil ich dich mag, denn das war auch die Wahrheit, aber das wäre wohl zu direkt gewesen. Also lieber lügen.

Fieberhaft überlegte ich mir etwas einigermassen glaubwürdiges, aber wenn einem diese Augen anstarrten konnte man einfach nicht nachdenken. << Naja, weisst du, ich hatte selber mal Stress mit den Bullen, ich weiss wie das ist, auch wenn es bei dir wahrscheinlich um etwas ganz anderes geht... Ich werde dich nicht verraten, das verspreche ich dir! >>

Gerührt sah sie mich mit ihren rehbraunen Augen an. Wow! Ich hätte sie auf der Stelle küssen können... << Danke >>, flüsterte sie und ich konnte nicht anders, als sie nochmals in den Arm zu nehmen.

Dummerweise kam genau in dem Augenblick Nick in die Küche und sah mich mit einem „Hast- du-sie -gerade-flachlegen-wollen-Blick" an. Ich warf ihm einer meiner Killerblicke zu, denn er hatte gerade diesen wundervollen Moment mit Lilly zerstört.

<< Na, alles klar? >>, fragte er ironisch und grinste mich wissend an. << Klar, und bei dir? >>, gab ich genervt zurück. << Jop, alles easy! >> Darauf folgte eine unangenehme Stille, die nur durch die Geräusche der Kaffeemaschine gestört wurde. Jedoch kam mir in dieser Stille ein genialer Geistesblitz.

Sie hatte ja gesagt, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie jetzt hinsollte... << Nick, ihr habt hier doch vier Schlafzimmer und ihr seid ja nur zu dritt >>, versuchte ich mein Glück. Augenblicklich fing er an zu husten, weil er sich an seinem Kaffee verschluckt hatte.

Nachdem er sich beruhigt hatte, starrte er mich ungläubig an. Okay, offensichtlich hatte er es falsch verstanden und dachte jetzt, dass Lilly und ich ein Zimmer zum ficken brauchten. Shit!

<< Weisst du, sie ist im Moment sozusagen obdachlos und es wäre echt total nett von euch, wenn sie hier für ein paar Tage bleiben könnte, denn ich kann sie nicht bei mir zu Hause aufnehmen. Unsere Wohnung ist zu klein und... >>

<< Ach so! >>, unterbrach er mich, << Von mir aus kann sie gerne bleiben, solange wie sie will, wir haben hier ja genug Platz. Ihr müsst einfach noch die anderen fragen, ich kann das nicht alleine entscheiden. >>

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