~ Lilly ~
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mein Vater mich anstarrte und zuckte regelrecht zusammen, als ich seinen Blick endlich bemerkte. << Warum hast du mir das angetan, Lilly? >> Seine Augen waren dabei so ausdruckslos, dass ich nicht erkennen konnte, ob er stinksauer oder einfach nur traurig und enttäuscht war.
Schon wieder musste ich einen Kloss hinunterwürgen, während sich eine einsame Träne ihren Weg über meine Wange bahnte. Energisch wischte ich sie weg und sah meinem Vater in die Augen. << Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten bei euch. Ständig überall diese verdammte Jessica, du hast dich überhaupt nicht mehr für Mel und mich interessiert und Mama war dir auf einmal auch komplett egal. Ausserdem lief in der Schule alles beschissen, was hätte ich denn deiner Meinung nach machen sollen? >>
Die Worte sprudelten nur so aus mir raus, während die Tränen ununterbrochen über meine Wangen liefen. Als ich dann plötzlich die Hand meines Vaters auf meiner spürte, zuckte ich richtiggehend zusammen. << Du hättest mit mir reden sollen, Lilly. Du weisst doch, dass ich immer für dich da bin und dass du und Mel immer an erster Stelle stehen. Auch wenn jetzt Jessica da ist, wird das nichts daran ändern. Sie war halt einfach immer für mich da und hat mir geholfen, mit dem Tod deiner Mutter umzugehen. Ich liebe sie zwar, aber das wird nichts zwischen uns verändern und auch nicht an die Liebe heranreichen, die ich für deine Mutter empfunden habe, okay? >>
Ich konnte schon gar nicht mehr richtig sehen, zu sehr trübten die Tränen meine Sicht. Deshalb bemerkte ich auch seinen reuevollen Blick nicht. << Es hat sich aber nicht so angefühlt, als wärst du für mich da >>, fuhr ich schluchzend fort und gab es auf, nonstop die Tränen wegzuwischen. Erneut zuckte ich zusammen, als ich die Hände meines Vaters spürte.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er aufgestanden und um den Tisch herum gelaufen war. Plötzlich spürte ich einfach seine Arme, die sich tröstend um meine Schultern legten. Diesmal wehrte ich mich nicht dagegen. Stattdessen lehnte ich meinen Kopf an ihn und liess den Tränen freien Lauf. Ich wusste nicht mal, warum ich überhaupt weinte, aber die Tränen liessen sich einfach nicht stoppen. Vielleicht war es wegen meiner Mutter, vielleicht wegen meinem Vater, vielleicht wegen Carlos oder möglicherweise einfach weil ich irgendwie verdammt froh war, meinen Vater hier zu haben.
Nick war zwar immer ein guter Ersatzvater und grosser Bruder zugleich gewesen, aber es war einfach nicht dasselbe. Erst jetzt, als ich mich heulend an ihn drückte, wurde mir klar, wie sehr mir mein Vater eigentlich gefehlt hatte und wie sehr ich ihn in den letzten Monaten gebraucht hätte. Erst nachdem ich mich komplett leergeweint hatte und keine Träne mehr ihren Weg über meine Wange fand, liess er mich los, reichte mir ein Taschentuch und setzte sich neben mich.
Geräuschvoll schnäuzte ich die Nase und scherte mich nicht um die ganzen Leute, die mich dabei missbilligend anglotzten. Durfte man sich nicht mal mehr die Nase putzen oder was? Erschöpft und völlig fertig mit dieser Welt legte ich den Kopf auf seine Schulter und schwieg. Aber diesmal war es kein unangenehmes Schweigen, welches zwischen uns herrschte, sondern eine vertraute Ruhe.
Es hielte jedoch nur so lange an, bis mein Vater sich nach dem erkundigte, was ich in den letzten paar Monaten gemacht hatte. Mir war zwar klar gewesen, dass diese Frage früher oder später kommen würde, aber trotzdem war ich mir unsicher, was ich ihm erzählen sollte und was nicht. Zögernd erzählte ich ihm schliesslich von Nick, der Wohnung und meiner Arbeitsstelle im Café, aber Carlos verschwieg ich ihm erstmal. Er brauchte ja schliesslich nicht ganz alles zu wissen.
Glücklicherweise erkundigte er sich gar nicht erst nach meinem Liebesleben, sondern schien wohl eher geschockt darüber zu sein, dass ich mit drei Typen zusammenwohnte, arbeitete und nicht mal mehr zur Schule ging. << Lilly, das geht doch so nicht weiter! Du bist sechzehn Jahre alt, wie kannst du da die Schule einfach hinschmeissen und in irgendeinem Drecksschuppen arbeiten gehen? >>
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Escape...
Fiksi RemajaDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...