58. ~ Rettung in Sicht

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~ Carlos ~

Die sich nähernden Schritte machten mich wahnsinnig. Ich musste mich echt zusammenreissen, um nicht aufzuspringen und schreiend wegzurennen. Noch hatten sie mich nicht entdeckt, es wäre also nicht so sinnvoll gewesen, mich freiwillig bemerkbar zu machen. Ausserdem hätte ich es auch nie im Leben geschafft, vor denen wegzurennen. Ich konnte mich ja kaum auf den Beinen halten.

Als das Rascheln der Blätter direkt vor mir auf der anderen Seite des Baumstamms zu hören war, konnte ich meinen Atem nicht mehr zurückhalten. Viel zu lange hatte ich vor Panik die Luft angehalten, sodass meine Lunge ausgerechnet jetzt nicht mehr konnte. Obwohl ich mir die grösste Mühe gab, so leise wie möglich auszuatmen, hörte es sich in meinen Ohren wie der Atem eines Elefanten an.

Als ich schon dachte, dass das Rascheln der Blätter meinen Atem übertönt hatte, hörte es plötzlich auf zu rascheln. Nur noch das laute Atmen des Hundes war zu vernehmen. Augenblicklich hielte ich wieder die Luft an und versuchte vergebens, mein Zittern zu unterdrücken. Automatisch wanderte mein Zeigefinger zum Abzug der Pistole. Obwohl ich eh nie im Leben fähig sein würde, das Ding zu verwenden, fühlte ich mich so zumindest etwas sicherer. Vielleicht würde Eric ja sogar einen Moment damit zögern, mich komplett fertig zu machen, wenn er sah, dass ich eine Waffe in den Fingern hatte.

Okay nein, ich sollte aufhören, mir solchen Müll einzureden. Eric war zu allem fähig und würde mir die Pistole mit links entreissen können, bevor ich überhaupt die Chance gehabt hätte, auch nur zu blinzeln. Ich war echt total am Arsch, denn jetzt fing auch noch dieser verfluchte Köter an zu bellen. Was sollte ich nur tun, wenn die das Vieh auf mich hetzten? So wie es sich anhörte, war es kein Pudel, sondern eher ein aggressiver Kampfhund. Ängstlich drückte ich mich noch enger an den Baumstamm heran.

Das war jedoch so ziemlich der grösste Fehler, den ich hatte machen können, denn dabei knackte irgendein Ast unter mir, der schon die ganze Zeit schmerzhaft in meine Seite hineingestochen hatte, so laut, dass jedem Vollidioten augenblicklich klar sein musste, wo ich mich verkrochen hatte. Am liebsten hätte ich mich jetzt einfach in Luft aufgelöst. Für eine Sekunde war alles totenstill, nicht mal mehr das Atmen des Hundes war zu hören. Dann ging jedoch alles ganz schnell.

Obwohl ich meine Augen fest zusammengekniffen hatte, merkte ich, dass mir jemand mit einer Taschenlampe direkt ins Gesicht leuchtete. Komplett erstarrt lag ich da und traute mich nicht, meine Augen aufzureissen. Sogar das Zittern hatte augenblicklich aufgehört, als mich der Lichtkegel erfasst hatte. Vielleicht hielten sie mich ja für tot, wenn ich mich nicht mehr bewegte.

Die Sekunden verstrichen, jedoch kam mir jede Einzelne wie eine Ewigkeit vor. Die Stimmen waren jetzt direkt über mir und ich konnte hören, wie jemand direkt neben mir über den Baumstamm kletterte, jedoch konnte ich kein einziges Wort verstehen. Zu sehr war ich in meiner Schockstarre gefangen.

Jetzt war es wohl endgültig vorbei mit mir. Ich hatte keine Angst davor, zu sterben, aber ich hatte Angst davor, meine Freunde und meine Geschwister einfach so zurückzulassen. Besonders jetzt, wo ich nicht mal wusste, wie es Cathy, Luiza und Ruben ging, konnte ich sowas nicht bringen. Aber ich hatte keine Wahl. Eric und seine Leute würden mich zweifellos umbringen, da war ich mir auf einmal ganz sicher. Ich war schliesslich ein zu grosses Risiko für sie, denn wenn sie mich laufen lassen würden, bestände ja für sie ständig die Gefahr, dass ich zu den Bullen ging.

Ein eiskalter Schauer zog sich über meinen ganzen Körper, als ich spürte, dass sich jemand neben mir niederkniete. Aber ich liess mir nichts anmerken. Ich wollte es einfach nur so schnell und schmerzlos wie möglich hinter mich bringen. Am besten war es wohl, wenn ich mich nicht wehrte und es einfach geschehen liess. Aber natürlich bekam ich es nicht hin, vollkommen ruhig zu bleiben.

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