~ Cathy ~
Gute Frage!
Ich hatte mir irgendwie nie Gedanken darüber gemacht, wo wir überhaupt hinfuhren.Ich glaube, ich habe es einfach verdrängt, weil ich so sehr gehofft hatte, dass irgendwas passieren würde, sodass wir in Liverpool bleiben konnten.
Ich wusste selbst nicht, was genau ich mir erhofft hatte.
Manchmal war ich einfach eine unrealistische Träumerin, die immer hoffte und betete, aber der Wahrheit nicht ins Auge sehen konnte.Aber ich glaube, Carlos war in dieser Hinsicht genau gleich wie ich.
Ich wusste, dass er davon ausgegangen war, dass wir in Liverpool bleiben und genauso weiterleben konnten, wie vor dieser Sache.Aber so war es nun mal nicht.
Innerlich spürte ich irgendwie, dass sich ab jetzt einiges ändern würde, und zwar nicht zum Guten.
Ihr fragt euch jetzt sicher, ob ich irgendeine verrückte Hellseherin bin, die aus der Klapse abgehauen ist.
Keine Sorge, das bin ich nicht!
Ich habe einfach so einen sechsten Sinn und spüre, wenn etwas in der Luft liegt.Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht mitgekriegt hatte, was der Polizist auf Carlos Frage geantwortet hatte.
Scheisse, konnte ich mich nicht mal auf das Wesentliche konzentrieren, statt immer meinen Gedanken und Wahnvorstellungen nachzuhängen?Schnell warf ich Carlos einen hilflosen Blick zu, den er sofort richtig deutete.
Wenigstens funktionierte unsere Zwillingstelepathie noch.Lautlos formte er mit den Lippen das Wort London.
Was?
Wir fuhren nach London?Scheisse, London!
Das war eine riesige Millionenstadt.
Wie sollte ich mich da jemals zurechtfinden?
Ich hatte manchmal schon Mühe gehabt, mich in Liverpool zurechtzufinden, obwohl ich dort aufgewachsen war.Mein Orientierungssinn war also nicht gerade der beste.
Wie sollte das denn in London funktionieren?
Ich war noch nie in meinem Leben dort.Das einzige, was ich von der Stadt wusste, war, dass irgendwo der bekannte Glockenturm Big Ben stehen musste.
Aber das war auch schon alles, was ich über London wusste.
Ich hatte mich auch nie mit der Stadt befasst, weil ich ja nie im Leben damit gerechnet hatte, dass ich jemals dort hin fuhr.Und jetzt sollte ich also in dieser Stadt, von der ich keinen Plan hatte, leben?
Na ganz toll!Wir fuhren über vier Stunden, bis wir endlich London erreichten.
Carlos war irgendwann eingeschlafen.
Er hatte den Kopf gegen das Autofenster gelehnt und ich hatte ihm eine Zeit lang beim Schlafen zugeschaut.
Er sah schon irgendwie zum anbeissen süss aus, wenn er schlief.Obwohl ich ihn ja jeden Tag sah, hatte ich gar nicht bemerkt, wie hübsch er geworden war.
Seine langen Wimpern, seine geil geschwungenen Augenbrauen und seine immer perfekt gestylten Haare gaben ihm irgendwie das perfekte Aussehen.Warum sah ich nicht so aus?
Wir waren ja schliesslich Zwillinge!
Warum hatte er alle schönen Merkmale von unseren Eltern geerbt und ich alle hässlichen?
Meine Haare sahen immer aus wie ein Vogelnest und ich hatte weder lange Wimpern, noch geil geschwungene Augenbrauen.
Das war doch nicht gerecht!Ich glaube, wenn er nicht mein Bruder wäre, hätte ich mich total in ihn verknallt.
Obwohl er seine Augen immer noch geschlossen hatte und es nicht bemerkte, warf ich ihm ein stolzes Lächeln zu.
Ich konnte wirklich stolz auf ihn sein!
So einen Bruder hatte nicht jeder.Wir waren inzwischen von der Autobahn abgebogen und fuhren jetzt direkt in die Stadt rein.
Links und rechts türmten sich riesige Wolkenkratzer auf.
Wtf!
Hoffentlich lag unsere Wohnung nicht in so einem Ding!
Ich hatte nämlich ziemliche Höhenangst.

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Escape...
Novela JuvenilDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...