~ Carlos ~
Wieder brach ein weiterer Morgen an, an dem ich mit Kopfschmerzen des Todes aufwachte. Ich spürte es schon bevor ich die Augen aufschlug. Total verpennt rieb ich mir über die Stirn, um den Schmerz wenigstens ein bisschen zu lindern, aber es brachte absolut nichts. Ich wusste zwar, dass ich mehr als selber schuld war, wenn ich so viel Alkohol trank, aber trotzdem war es kein besonders angenehmes Gefühl.
Nur noch bruchstückhaft erinnerte ich mich daran, was in der letzten Nacht passiert war. Dabei tauchten Bilder vom Park, von einer Whiskeyflasche, von Dad's Auto und von Luca, Jasmin und sogar von Lilly in meinem Kopf auf. Mit einem brennenden Stechen im Kopf zwang ich mich schliesslich selbst dazu, endlich die Augen aufzuschlagen und wusste im ersten Moment überhaupt nicht, wo ich mich befand. Ich lag auf jemandem drauf, so viel stand fest, denn ich konnte einen Herzschlag und einen Atem unter mir spüren. Richtig verpeilt hob ich den Kopf, um festzustellen, auf wem ich da drauf lag. Dabei schoss mir explosionsartig ein weiterer stechender Schmerz durch den Kopf, der mich aufstöhnen liess. Aber ich schaffte es schliesslich doch, aufzublicken und starrte direkt in Lillys hübsches Gesicht.
Erschrocken zuckte ich zusammen und setzte mich ruckartig auf. Warum zur Hölle hatte ich auf ihr drauf geschlafen? << Guten Morgen! Na, gut geschlafen? >>, meinte sie mit einem schiefen Grinsen auf dem Gesicht. Ich musste mir erst mal gründlich den Schlaf aus den Augen reiben, bevor ich im Stande war, ihr eine Antwort zu geben. << Mhm, ich glaube schon >>, antwortete ich abwesend. Zumindest die letzten paar Stunden hatte ich gut geschlafen, aber ich konnte mich noch halbwegs daran erinnern, dass ich irgendwas Beschissenes geträumt hatte, kurz nachdem ich eingeschlafen war, aber ich wusste nicht mehr was, aber das war ja auch egal.
Verwirrt sah ich mich um und starrte zuerst Miguel und dann Luca an, die auf dem gegenüberliegenden Sofa hockten, genüsslich Kaffee tranken und auf den Fernseher starrten. << Willst du auch einen? >>, fragte Luca als er meinen Blick bemerkte. Ich nickte nur und nahm gierig die Tasse entgegen, die er mir hinhielte. << Du kannst stolz auf dich sein, du hast es in die Zehn-Uhr-Nachrichten geschafft >>, unterbrach Lilly das entstandene Schweigen. << Was? >>, stiess ich entsetzt hervor.
<< Die suchen dich überall, Amigo, wir müssen echt vorsichtig sein >>, mischte Miguel sich ein. Verdammt! Ich hatte echt nicht damit gerechnet, dass mein Verschwinden solche hohen Wellen schlagen würde, dass ich sogar ins Fernsehen kam. Gebannt starrte ich auf den Fernseher und wartete auf die Elf-Uhr-Nachrichten, während ich den Kaffee in mich hineinkippte. Ich konnte kaum ruhig sitzen, als die Digitaluhr am Fernseher von 10:58 auf 10:59 sprang. Ich war echt dankbar, als Lilly mir eine Hand auf die Schulter legte und beruhigte mich innerlich ein kleines bisschen. << Das geht wieder vorbei. In ein paar Wochen wird sich kein Schwein mehr an dich erinnern, das war bei mir genauso >>, sagte sie leise und rückte dabei etwas näher an mich heran.
Als dann aber die Uhr auf elf sprang und die Melodie der Nachrichten ertönte, war meine Ruhe sofort wieder dahin. Nachdem der Nachrichtensprecher erstmal über einen Unfall auf der Autobahn und anschliessend über irgendeinen Terroranschlag in der Türkei gelabert hatte, kam endlich die Meldung über mich. Mein Profilbild von meinem Facebook-Account wurde eingeblendet, während er irgendwas davon laberte, dass ich seit gestern vermisst und dringend von der Polizei gesucht wurde. Zum Glück erwähnte er nicht weshalb, es musste schliesslich nicht die ganze Welt wissen, was ich angerichtet hatte. Es reichte ja wohl, wenn jeder Idiot wusste, dass ich von zu Hause abgehauen war.
Nachdem das Bild von mir verschwand, wurde ein Zweites eingeblendet, auf dem Miguel und ich gemeinsam zu sehen waren. Wir hatten es mal vor dem Sportunterricht aufgenommen und ich glaube, Miguel hatte es auf Instagram gestellt. Hatten die eigentlich nichts Besseres zu tun, als uns auf den sozialen Medien zu stalken? Wütend starrte ich den Nachrichtensprecher an, der gerade erzählte, dass Miguel und ich wahrscheinlich zusammen unterwegs waren und dass man dringend die Polizei rufen sollte, wenn man uns irgendwo sah.
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Escape...
Teen FictionDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...