~ Carlos ~
Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich konnte das selbstgefällige Grinsen sogar durchs Telefon hindurchspüren. Wo zur Hölle hatte Eric meine Nummer aufgetrieben?
Panisch krallte ich meine Finger in die Decke und überlegte fieberhaft, was ich sagen sollte. << Was willst du? >>, stiess ich schliesslich hervor, ohne zu wissen, ob das gerade klug war oder nicht. Schliesslich hing das Leben meiner Geschwister davon ab. Eric fing dröhnend an zu lachen, sodass ich vor Schreck zusammenzuckte und das Handy etwas von meinem Ohr weghielte.
<< Du bist ja genauso charmant wie dein Vater >>, sagte er sarkastisch, nachdem das grauenhafte Lachen abrupt aufgehört hatte. Schweigend wartete ich, bis sein schrecklicher Humor endlich zu Ende war und er zur Sache kam. Es dauerte auch nicht lange, da stiess er in aggressivem Ton hervor: << Was ich will? Das sollte dir doch verdammt klar sein. Dein Vater, was denn sonst! Und eine kleine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten, die er mir verursacht hat. >> Schon wieder fing er an, selbstgefällig zu lachen.
Panisch biss ich mir auf die Unterlippe und wartete, bis sein grässliches Lachen abgeebbt war. << Was genau meinst du mit Entschädigung? >>, nahm ich schliesslich meinen ganzen Mut zusammen. << Eine Million in bar! Wie du das auftreibst, ist mir scheissegal! >>, kam wie aus der Pistole geschossen. Augenblicklich blieb mir die Luft weg. << Heute Nacht um drei Uhr. Bring deinen Vater mit und sag ihm, dass er seine verfickten Waffen und seine Kumpels zu Hause lassen soll. Wenn du die Bullen oder sonst irgendjemanden da mit reinziehst, siehst du deine Geschwister nie wieder, verstanden? >>
Ich war nicht im Stande, etwas anderes als ein undeutliches, << Mhm >>, hervor zu würgen. Als er mir in siegessicherem Ton eine Adresse irgendwo ausserhalb von London nannte, sprang ich reflexartig auf und sprintete zum Schreibtisch. Meine Finger zitterten, als ich sie auf irgendein Schulheft von Cathy draufkritzelte und das Handy wäre mir beinahe runtergefallen, da ich es nur mit der Schulter an mein Ohr presste.
<< Was ist mit meinen Geschwistern? >>, stiess ich hervor, nachdem ich mein Handy wieder festhielte. << Denen geht's blendend! Nur die Talente deiner Zwillingsschwester im Bett lassen zu wünschen übrig >>, antwortete er selbstgefällig. Zum zweiten Mal blieb mir die Luft weg. Hiess das etwa, er hatte Cathy vergewaltigt? << Du verdammter Hurensohn! >>, schrie ich ins Handy, nachdem ich mich wieder einigermassen gefasst hatte.
<< An deiner Stelle würde ich anständig bleiben oder soll ich mich auch noch an deiner kleinen Schwester vergreifen? >> Ich konnte daraufhin nichts mehr sagen. Mein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an und ich hätte auf der Stelle kotzen können. Wie konnte man nur so ein ekelhafter Mensch sein?
<< Also, wir sehen uns und denk an meine Worte >>, unterbrach er schliesslich das Schweigen. Dann klickte es in der Leitung und ich liess automatisch das Handy sinken. Wenn ich den in die Finger bekam, dann würde ich ihn bei lebendigem Leibe gleichzeitig abstechen und steinigen. Niemand vergriff sich an meinen Schwestern!
Mit zitternden Fingern hob ich das Handy, das mir runtergefallen war, wieder hoch und suchte nach der Nummer meines Vaters. Die Polizei konnte ich gleich vergessen, die hätten mir sowieso nicht helfen können und meine Geschwister noch einer unnötigen Gefahr mehr auszusetzen, wollte und konnte ich nicht riskieren.
Um nicht gleich vor Panik umzukippen, liess ich mich auf Cathys Bett fallen, während ich auf das grüne Telefon tippte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis mein Vater dranging. Ich wollte es schon aufgeben, aber ich konnte nicht. Er war der Einzige, der Cathy, Luiza und Ruben jetzt noch helfen konnte.
Nach dem zwölften Klingeln, ertönte endlich ein gehetztes << Ja? >> aus meinem Handy. Erleichtert stiess ich die Luft aus. << Wo bist du? >>, platzte es aus mir heraus, ohne den kleinsten Hauch einer Begrüssung. << Immer noch in Liverpool, warum? >> Sein genervter Ton liess darauf schliessen, dass er gerade Besseres zu tun hatte, als mit mir zu reden, aber er würde seine Meinung wohl sehr bald ändern. << Eric hat mich angerufen >>, stiess ich hervor und liess ihn gar nicht zu Wort kommen. << Er will eine Million, die wir ihm um drei an irgendeinen Drecksort ausserhalb von London bringen sollten. Ausserdem will er, dass wir alleine kommen und ohne Waffen. >>
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Escape...
Teen FictionDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...