~ Carlos ~
<< Bro, warum tust du dir sowas an? >> Ungläubig starrte er meinen blutverschmierten und von Schnitten übersäten Arm an. Ich schämte mich dabei in Grund und Boden. Er war der erste Mensch, der überhaupt etwas davon mitbekam, dass ich mich selbst verletzte. Auf keinen Fall hätte ich hier herkommen sollen. Hätte ich doch nur unter irgendeiner Brücke übernachtet, anstatt zu riskieren, dass Miguel das erfuhr.
Ich schwieg einfach beharrlich, da ich ja selbst nicht einmal richtig wusste, warum ich das überhaupt tat. << Alter, das musst du desinfizieren, sonst entzündet es sich >>, stiess er nach einer Weile hervor, in der er ungläubig meinen Arm angestarrt hatte.
Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und flitzte ins Bad. Ich liess mich in seine weichen Kissen zurückfallen, da sich alles um mich herum immer noch drehte, dank der Nachwirkungen des Alkohols. Nur halbwegs nahm ich wahr, wie Miguel mit Desinfektionsmittel und Handtüchern zurückkehrte.
Breitwillig streckte ich ihm meinen Arm entgegen und hoffte, dass er wusste, was er da tat. Glücklicherweise tat er das. Zuerst wischte er das ganze Blut weg, anschliessend spürte ich, wie er eiskaltes Desinfektionsmittel auf meinem gesamten Arm verteilte. Das Zeugs brannte höllisch und ich musste mich richtig zusammenreissen, damit ich ihm nicht meinen Arm entriss und diese Scheisse wegwischte. Aber ich biss die Zähne zusammen und krallte meine Finger in die Decke hinein.
<< Das wird gleich besser. Es brennt nur am Anfang so >>, redete Miguel beruhigend auf mich ein. Tatsächlich liess das Brennen nach einiger Zeit nach und ich entspannte mich wieder etwas. Damit ich nicht das ganze Bett vollblutete, wickelte er ein fettes Handtuch fest um meinen Arm und lehnte sich anschliessend abwartend zurück.
Am liebsten hätte ich ihm sofort alles über meinen Vater und über mein gesamtes Leben erzählt, aber ich war einfach zu kaputt. Ich hatte seit Stunden nicht mehr geschlafen und der ganze Alkohol trug auch nicht gerade dazu bei, dass ich mich besser fühlte. << Bruh, lass mich bitte einfach schlafen, wir reden morgen darüber >>, murmelte ich total verpennt, zog mir die Decke über den Kopf und döste sofort ein.
<< Alter, wach auf, es ist schon fast Mittag >>, hörte ich Miguels Stimme direkt neben meinem Ohr. Stöhnend drehte ich mich von ihm weg und versuchte, weiterzuschlafen. Aber das dumpfe Stechen in meinem Kopf liess das nicht zu, sondern erinnerte mich daran, was gestern Nacht passiert war. Ausserdem fing auch noch mein Magen an, zu rebellieren.
Verdammt, dieser Wodka gestern hatte mir wohl nicht sonderlich gut getan. << Bruh, mir is schlecht >>, würgte ich hervor und gab mir Mühe, nicht in Miguels Bett zu kotzen. << Musst du kotzen? >>, fragte er besorgt und legte seine Hand auf meine Stirn. Ich nickte, während ich versuchte, mich von der Decke zu befreien und dabei kläglich scheiterte. << Na dann, komm! >>, meinte er seufzend, befreite mich von der Decke und zerrte mich ins Bad.
Ich musste mich an ihm festkrallen, ansonsten wäre ich wahrscheinlich umgekippt. Kaum war ich hinter ihm her ins Bad getorkelt, kniete ich mich vor die Kloschüssel und kotze die gesamte Wodkaflasche aus mir raus.
Miguel kniete hinter mir und strich mir beruhigend über den Rücken. << Alter, ich trink nie wieder Alkohol >>, würgte ich während meiner Kotzerei hervor. << Ja, natürlich! So kenne ich dich doch >>, hörte ich Miguels vor Ironie triefende Stimme. Okay, er hatte ja Recht. Natürlich könnte ich niemals mein Leben lang auf Alkohol verzichten, aber in nächster Zeit würde ich das Zeugs ganz bestimmt nicht mehr auch nur anfassen.
Nachdem ich mich vollständig ausgekotzt hatte, wischte ich meinen Mund mit Klopapier ab und Miguel zerrte mich wieder auf die Beine. << Komm, leg dich wieder hin. Ich hol dir was zu trinken. >> Vollkommen ausgekotzt liess ich mich wieder auf sein Bett fallen und starrte die Decke an, bis Miguel wieder zurückkam. Er drückte mir ein Glas Wasser mit einem sich darin auflösenden Aspirin in die Hand und setzte sich neben mich. Gierig kippte ich das Aspirin in mich hinein und fühlte mich augenblicklich viel besser.
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Escape...
Teen FictionDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...