~ Carlos ~
Fröstelnd schlang ich die Jacke enger um mich, während ich mich auf den Rücksitz des VW Golfes fallen liess. Auf der Fahrt zurück nach Liverpool nutzte ich die Zeit, endlich mal meine Nachrichten zu checken. Darunter waren einige von Leuten aus meiner Schule, die sich noch nie zuvor für mich interessiert hatten und sogar von Leuten, die ich nicht mal kannte. Manche beleidigten mich einfach grundlos, andere fragten mich richtig sensationsgeil, was ich den angestellt hätte, dass ich gesucht wurde. Man, war das armselig!
Ohne irgendjemandem zu antworten, blockierte ich all diese Nummern. Einzig Nick schrieb ich zurück, denn er hatte mich gefragt, ob er mir irgendwie helfen könne und mich darüber informiert, dass die Bullen auch bei ihm aufgetaucht und nach mir gesucht hatten und dass er deswegen sein Weed hatte evakuieren müssen. Ich musste beinahe lachen, denn ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er panisch mit dem Zeugs in den Fingern durch die Wohnung wuselte, während die Bullen vor der Tür standen.
Ich antwortete ihm mit einer Kurzfassung von dem, was passiert war und steckte dann das Handy weg, denn mir war eingeschärft worden, dass ich mich bücken musste, sobald wir in die Nähe der Stadt kamen, da das Auto keine verdunkelten Scheiben hatte. Also legte ich mich hin, als Philipp es mir befahl und döste noch etwas vor mich hin, bis wir ankamen.
Im Vergleich zur letzten Nacht konnte ich mich jetzt sogar etwas orientieren auf der Bullendienststelle, ohne dass direkt alles vor meinen Augen verschwamm oder sich anfing, zu drehen. Silvan brachte mich in genau denselben Pausenraum, indem ich vor ein paar Monaten schon mal mit Cathy, Luiza und Ruben gesessen und gewartet hatte. Dort war auch wieder dieser Arzt, der mich in der Nacht zuvor verarztet hatte. Er schien offensichtlich auf mich gewartet zu haben, denn kaum hatte ich mich auf ein Sofa fallen lassen, stand er vor mir und inspizierte mein Gesicht.
Wiederwillig liess ich ihn die Pflaster wegreissen und mich wieder mit Desinfektionsmittel vollsprühen. Nachdem er mich mit neuen Pflastern zugekleistert und auch meine Hand neu verbunden hatte, sah er mir prüfend in die Augen und fragte, ob mir sonst noch irgendwas wehtäte. Ich schüttelte den Kopf und biss mir dabei auf die Unterlippe. Dieses verfluchte Desinfektionsmittel brannte wieder genauso fest, wie in der Nacht.
<< Na dann, komm! >> Silvan zog mich wieder auf die Beine. Dankend nickte ich dem Arzt zu und liess mich von Silvan in einen anderen Raum bringen. Es war ein ähnlicher Raum wie der, in dem Cathy und ich damals über Dad ausgequetscht worden waren. Aber zu meiner Überraschung sassen diesmal keine Bullen an dem Tisch, sondern Lilly, Luca und Miguel. Sie sahen genauso zerschlagen und müde aus, wie ich mich fühlte und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie den Blick hoben und mich anstarrten.
Miguel schien es als Erster zu raffen, dass ich wirklich vor ihnen stand. Seine Augen leuchteten mit einem Mal freudig. Wortlos sprang er auf und zog mich in die Arme. Für einen kleinen Moment vergass ich alles um mich herum und warf mich in seine Arme. Tränen stiegen mir in die Augen, als ich mein Gesicht in seine Schulter drückte.
Letzte Nacht im Wald hatte ich nicht gedacht, dass ich ihn und die anderen jemals wiedersehen würde. Ich spürte, dass Miguel ebenfalls weinte und strich ihm beruhigend über den Rücken, so wie er es immer bei mir tat. Wir brauchten eine Ewigkeit, bis wir uns endlich loslassen konnten. Als wir es dann endlich hinbekamen, war Silvan längst verschwunden und ich war alleine mit meinen besten Freunden.
Luca zog mich ebenfalls in die Arme. Am liebsten hätte ich schon wieder losgeheult, aber ich schaffte es bei ihm, die Tränen zu unterdrücken. Während ich ihn umarmte, liess ich meinen Blick zu Lilly schweifen und stellte fest, dass auf ihrer Stirn auch ein riesiges Pflaster klebte. Sie musste sich wohl ebenso wie ich gewehrt haben.
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Escape...
Dla nastolatkówDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...