27. ~ Pläne

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~ Lilly ~

Müde und mit nicht vorhandener Motivation wischte ich die Tische sauber. Normalerweise arbeitete ich gerne hier im Café, aber heute hatte ich überhaupt keine Lust darauf. Ich hatte mal wieder die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich nonstop über Carlos und über seinen Vater nachgedacht hatte.

Mittlerweile waren schon ganze zwei Wochen verstrichen und ich hatte noch immer keine Ahnung, was ich machen sollte wegen Carlos Vater, dem Mörder meiner Mutter. Und was ich mit Carlos machen sollte, wusste ich natürlich auch nicht. Ich liebte ihn zwar über alles, aber ich konnte doch nicht mit ihm zusammen sein, wenn sein Vater meine Mutter umgebracht hatte.

Seufzend strich ich mir die nassen Hände an meiner Schürze ab und warf einen Blick hinter mich, ob einer der anderen Mitarbeiter oder mein Chef gerade schauten. Gut, die Luft war rein. Ich zückte, wie jeden Tag tausende Male mein Handy, um nachzusehen ob er mich mal wieder angerufen oder geschrieben hatte. Hatte er natürlich nicht.

Warum wunderte mich das nur? Ich hatte schliesslich die letzten zwei Wochen auf keine seiner SMS oder Anrufe reagiert und ihn jedes Mal weggedrückt oder ignoriert. Seit drei Tagen hatte er sich nun überhaupt nicht mehr bei mir gemeldet und obwohl ich nicht mit ihm reden wollte, wünschte ich mir, dass er mich anrief.

Aber natürlich tat er das nicht, wahrscheinlich hatte er es aufgegeben mit mir und sich eine andere gesucht, die viel hübscher war als ich, ihn nicht ständig mit ihren Problemen volllaberte und ihn nicht mit ihren Launen nervte. Wenn ich so darüber nachdachte, war ich echt nicht gerade die perfekte Freundin für ihn gewesen. Ich war ihm wahrscheinlich immer nur mit meinem Gelaber auf die Nerven gegangen und hatte mich kein Stück um seine Probleme gekümmert, weil ich dachte, dass in seinem Leben alles in bester Ordnung war.

Aber ich war eines besseren belehrt worden. Sein Vater war gewalttätig, seine Mutter wahrscheinlich alkoholabhängig und sie lebten zu sechst in einer kleinen Wohnung mitten im grössten Ghetto der Stadt. Er hatte wirklich jemand besseren als mich verdient. Jemand der für ihn da war, ihm zuhörte und sich um ihn kümmerte.

Seufzend steckte ich mein Handy zurück in meine Hosentasche und schob eine Haarsträhne, die sich aus meinem Dutt gelöst hatte hinter mein Ohr. << Elena, mach mal vorwärts, wir haben hier Gäste! >>, rief mir einer meiner Arbeitskollegen, dessen Namen ich mir nicht mal gemerkt hatte, zu.

Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu checken, dass der mich meinte. Ich arbeitete ja schliesslich unter falschem Namen hier. Nick hatte sich echt die grösste Mühe gegeben, mir einen Ausweis zu fälschen und den Job hier zu besorgen. Ich sollte mich echt etwas in den Hintern klemmen, dass ich diesen Job hier nicht verlor, denn ich brauchte ihn schliesslich, sonst konnte ich auf der Strasse wohnen.

Nick war echt einer der nettesten Menschen, die ich kannte, obwohl er den grössten Teil seines Lebens durch kriminelle Geschäfte finanzierte. Er war so etwas wie ein grosser Bruder für mich geworden, ohne ihn wäre ich hier schon lange verloren. Er hatte natürlich auch gemerkt, dass zwischen Carlos und mir etwas nicht stimmte. Ich hatte ihn darum gebeten, dass Carlos erstmal nicht mehr in unserer WG aufkreuzte, weil ich echt nicht die Nerven dazu hatte, mit ihm zu reden.

Sogar das hatte er für mich getan. Soviel ich wusste, hatte er sich mal in der City mit Carlos getroffen und ihm gesagt, dass er mich für eine Weile in Ruhe lassen sollte. Ich war ihm echt dankbar dafür, denn ich wusste dass das bestimmt schwierig für ihn gewesen war. Carlos war schliesslich einer seiner besten Freunde und früher hatte er jede freie Minute bei uns in der WG verbracht.

<< Elena! >> Erschrocken fuhr ich aus meinen düsteren Gedanken hoch und starrte in das Gesicht meines Chefs. << Ich bezahle dich nicht dafür, dass du hier rumstehst und träumst >>, fing er auch schon an, loszuwettern, aber ich hörte ihm gar nicht richtig zu. << Jaja, ich mach ja schon >>, nuschelte ich und verzog mich in die Küche, wo ich mich um dreckiges Geschirr kümmerte. Mein Gott, es waren noch ganze drei Stunden bis zu meiner Mittagspause und ganze sieben Stunden, bis ich Feierabend hatte. Wie sollte ich das bloss überleben?

Escape...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt