21. ~ Good Morning, Police!

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~ Carlos ~

Verdammte Scheisse! Fluchend befreite ich mich aus Lillys Armen, stand auf und schnappte mir ihren Laptop. Nick hatte ihn vor ein paar Tagen für sie besorgt, aber er wollte nicht sagen woher er ihn hatte. Wahrscheinlich hatte er ihn irgendwo geklaut, aber das war mir scheissegal und Lilly wahrscheinlich auch.

Mit zitternden Händen klappte ich ihn auf und steckte den USB-Stick hinein. Sofort erschienen jede Menge Fotos. Ich hatte ja keine Zeit gehabt, mir die Bilder auf Erics PC genauer anzusehen, weshalb ich das jetzt tun musste.

Ich scrollte ganz runter und begann bei den ältesten. Sie waren anfangs September aufgenommen worden. So lange schnüffelte uns Eric oder wer auch immer also schon hinterher.

Die ersten Bilder waren von Mom und Dad. Sie waren in der Liverpooler Innenstadt unterwegs. Mom trug ein dunkelrotes Kleid und sah damit richtig glücklich aus. Dad trug einen schwarzen Anzug und hatte den Arm um ihre Taille gelegt. Ich glaube, das war an diesem Abend, als Dad sie zum Essen ausgeführt hatte, weil er anscheinend irgendwas zu feiern hatte. Ich sah mir diese Bilder lange an, denn ich hatte Mom schon lange nicht mehr so glücklich gesehen. Ausser in dieser Nacht, als Dad nach London gekommen war...

Die nächsten Fotos schockten mich halb zu Tode. Sie waren zwar dunkel und man konnte nicht viel erkennen, aber trotzdem wusste ich sofort wann und wo das war, denn man konnte die dunklen Umrisse von drei Autos ausmachen. Das war mal in einer Nacht, als Luca, ich und vier andere Jungs aus unserer Schule drei Autos geknackst und uns damit etwas ausserhalb der Stadt ein fettes Rennen geliefert hatten.

Es war richtig geil gewesen. Luca und ich sassen in einem schwarzen BMW, Luca war gefahren und wir hatten das Rennen mit Abstand gewonnen, aber ich hatte nicht bemerkt, dass uns anscheinend jemand verfolgt und Fotos von den Autos gemacht hatte. Zum Glück konnte man auf den Bildern nur die Autos und weder mich, noch Luca erkennen.

Denn sonst hätte ich echt ein Problem gehabt, wenn die Bullen die Bilder auf Erics PC sahen und mich in einem gestohlenen Auto...

Ich hatte keine Lust mehr, noch länger auf dem kalten Boden zu hocken, weshalb ich mich wieder samt Laptop zu Lilly ins Bett kuschelte. Sie kuschelte sich sofort an mich und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Ich konnte mir ein fettes Grinsen nicht verkneifen, denn sie sah so unheimlich süss aus, wenn sie schlief.

Immer noch grinsend wandte ich mich wieder dem Laptop zu. Je mehr Bilder ich mir ansah, desto mehr Angst machte mir die ganze Sache. Derjenige, der die Fotos gemacht hatte, hatte uns echt überall hin verfolgt. Es hatte Fotos von Cathy und mir in der Schule, Mom beim Einkaufen im Supermarkt, Luca und ich beim Training, bei einer Tanzaufführung, beim Joggen, bei unseren Diebestouren in der Stadt oder bei unseren kriminellen, nächtlichen Touren.

Zudem hatte es noch jede Menge Bilder von Dad, auf denen er irgendwelche Drogen an Dealer verkaufte oder mit irgendwelchen kriminell aussehenden Leuten rumhing.

Es war mittlerweile fast acht Uhr morgens und meine Augen fielen mir beinahe zu, aber ich zwang mich dazu, jedes einzelne Bild anzuklicken und mir genau anzusehen.

~ Cathy ~

Es war Samstag und ich war wieder einmal viel zu früh wach. Normale Menschen schliefen samstags bis 11 oder 12 Uhr, aber ich kam am Wochenende einfach nicht aus meinem normalen Schlafrhythmus heraus.

Besonders dann nicht, wenn Carlos nicht neben mir schlief. Ich brauchte meinen Bruder einfach neben mir, um einigermassen gut und lange schlafen zu können. Besonders seit wir hier waren, denn ohne ihn fühlte ich mich einfach nicht sicher.

Seufzend schielte ich zu seinem leeren Bett rüber. Wo er sich wohl gerade rumtrieb? Hoffentlich hatte Dad ihn nicht wieder zu irgendeiner kriminellen Scheisse gezwungen. Ich machte mir nämlich echt verdammt grosse Sorgen um ihn, denn seit Dad hier war, war er so anders geworden. Viel ruhiger, nachdenklicher und auch irgendwie trauriger. Ich hätte früher nie gedacht, dass ich das einmal denken würde, aber ich vermisste seine grosse, freche Klappe. Ich vermisste sein früheres ich.

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