53. ~ Einsam

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~ Maria ~

Kraftlos liess ich das Telefon sinken und liess mich rückwärts aufs Sofa fallen. Das Telefon rutschte dabei aus meiner Hand, aber ich nahm es nicht mal richtig wahr. Eine Welt brach in diesem Moment für mich zusammen. Wie hatte das nur passieren können? Ich hatte alles Mögliche erwartet, als das Telefon geklingelt hatte, aber nicht sowas.

Schluchzend krümmte ich mich auf dem Sofa zusammen und wischte mir vergebens immer wieder die Tränen mit dem Ärmel weg. Nicht mal Marc war hier, der mich hätte trösten können. Gestern Morgen hatte er sich direkt aus dem Staub gemacht, als die Polizei hier aufgekreuzt war und unsere Wohnung auseinander genommen hatte, weil Carlos anscheinend Mist gebaut hatte. Seitdem hatte er sich kein einziges Mal bei mir gemeldet.

Er war auch der Grund gewesen, weshalb ich den ganzen Tag neben dem Telefon verbracht und gehofft hatte, dass er sich mal meldete. Stattdessen hatte mich die Liverpooler Polizei in aller Herrgottsfrühe aus dem Schlaf geklingelt, um mir mitzuteilen, dass meinen Kindern etwas zugestossen sein musste. Ich hatte nicht mal richtig zugehört, als der Typ von Blut und Pistolen gequatscht hatte. Stattdessen hatte ich die Wand angestarrt und versucht, die Tränen zu unterdrücken. Aber jetzt schaffte ich es nicht mehr, sie zurückzuhalten. In Strömen liefen sie mir unaufhaltsam über die Wangen. Ich liess sie einfach laufen. Es hatte ja sowieso keinen Sinn, sie wegzuwischen.

Schon lange hatte ich mich nicht mehr so alleine gefühlt. Ich glaube, das letzte Mal war vor Jahren in Spanien gewesen, als ich als schwangere Achtzehnjährige von zu Hause abgehauen war und keinen Plan gehabt hatte, wie ich mein Leben auf die Reihe kriegen sollte. Damals hatte es ebenfalls mit Marc zu tun gehabt. Er war damals Student gewesen und hatte den Sommer in Spanien verbracht. Ich, als frisch Volljährige hatte jedes Wochenende auf den verschiedensten Partys rumgehangen, da ich nach meiner obligatorischen Schulzeit in Spanien eh keine Chance gehabt hatte, irgendwie in einen Beruf einzusteigen.

Um mir die Zeit zu vertreiben und um an Geld zu kommen, machte ich mich mit meinem gesamten Freundeskreis, der genauso perspektivlos war wie ich, an Touristen ran, um sie abzuzocken. Dies hatte ich insgesamt fünfmal mit einem Deutschen, zwei Italienern, einem Schweizer und einem Amerikaner abgezogen, bis ich schliesslich auf Marc gestossen war. Bei ihm hatte ich es einfach nicht übers Herz gebracht, ihm nach einer heissen Nacht den Geldbeutel abzunehmen und mich aus dem Staub zumachen.

Stattdessen hatte ich zwei Wochen lang mit ihm auf dem Hotelzimmer verbracht. Ich glaube, diese beiden Wochen waren die Schönsten meines Lebens gewesen. Wir waren jeden Nachmittag ans Meer gefahren und die Abende hatten wir in irgendwelchen Clubs verbracht. Ich glaube, diese beiden Wochen waren die Einzigen in meinem gesamten Leben gewesen, in denen ich wirklich gelebt hatte. Ich hatte mich frei gefühlt, weit weg von meinen strengen, katholischen Eltern für die ich die Enttäuschung ihres Lebens gewesen war.

Aber zu schnell waren diese beiden Wochen vorbei gewesen. Marc hatte eigentlich viel länger bleiben wollen, aber nach einem Vorfall war er aus seinem Sommerstudentenkurs rausgeschmissen worden und hatte nach England zurückreisen müssen. Darauf war ich gezwungen gewesen, wieder zu meinen Eltern zurückzukehren, die natürlich ziemlich angepisst gewesen waren über meinen zweiwöchigen Partyausflug.

Aber das war damals nicht mein Hauptproblem gewesen. Schnell hatte ich gemerkt, dass irgendwas mit mir nicht stimmte. Die Einzige, mit der ich reden konnte, war meine ältere Schwester Miranda gewesen. Sie war schliesslich, nachdem ich zwei Wochen lang jeden Morgen gekotzt hatte, auf die glorreiche Idee gekommen, mir einen Schwangerschaftstest zu besorgen. Ich war damals genauso am Boden zerstört und verzweifelt gewesen wie jetzt, als der Schwangerschaft rot angezeigt hatte.

Ich hatte mich so alleine gefühlt und war so verzweifelt gewesen, dass ich sogar über eine Abtreibung nachgedacht hatte. Aber Miranda hatte mich zum Glück davon abgehalten und mich auf die Idee gebracht, Marc hinterher zu reisen. Es war die beste Entscheidung gewesen, die ich in meinem ganzen Leben jemals getroffen hatte. Meine Eltern wussten bis heute nicht, wo ich mich rumtrieb und dass ich Kinder hatte, aber das war auch besser so. Wenn sie damals erfahren hätten, dass ich von einem englischen Touristen schwanger war, dann hätten sie mich wahrscheinlich eh direkt auf die Strasse gesetzt.

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