63. ~ Nichts wie weg hier!

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~ Lilly ~

Angepisst verschränkte ich die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster. Ich hätte nicht mal im Traum gedacht, dass meine Identität doch noch auffliegen könnte. Etwa fünf Monate lang hatte ich es geschafft, unterzutauchen und für mich selbst zu sorgen und genau jetzt, wo mich vor allem Carlos am meisten brauchte, war ich aufgeflogen und wurde von diesen beiden Vollidioten zurück nach Brighton chauffiert.

Aber lange würde ich da ganz bestimmt nicht bleiben. So schnell wie nur möglich, musste ich zurück zu Carlos, am besten noch heute Nacht. Er war mir gegenüber zwar sehr reserviert gewesen, aber ich kannte ihn langsam lange genug, um ihn zu durchschauen. Er brauchte mich und ich musste wenigstens dieses Mal für ihn da sein. Er war schliesslich auch immer für mich da gewesen, wenn ich Albträume vom Tod meiner Mutter gehabt hatte oder wenn ich einfach jemanden gebraucht hatte, um mich auszuheulen.

Meine zweite Flucht aus Brighton musste also so schnell und reibungslos wie nur möglich von statten gehen. Am besten, ich fing jetzt schon mit den Vorbereitungen an. Unauffällig zog ich mein Handy aus der Hosentasche und stellte den Bildschirm auf die dunkelste Stufe. Die zwei Idioten da vorne waren zwar voll und ganz damit beschäftigt, sich auf den Verkehr zu konzentrieren und der auf dem Beifahrersitz fummelte gerade irgendwas am Navi herum, aber trotzdem musste ich vorsichtig sein. Die durften auf keinen Fall mitbekommen, was ich auf dem Rücksitz gerade trieb.

So unauffällig wie möglich entsperrte ich das Handy und tippte auf den Chat mit Nick. In Mordsgeschwindigkeit tippte ich eine Nachricht, dass er mich bitte abholen sollte und setzte noch die Adresse darunter. Kaum hatte ich das Handy wieder weggesteckt, drehte sich der Typ auf dem Beifahrersitz um und warf einen misstrauischen Blick nach hinten. Arrogant erwiderte ich seinen Blick mit hochgezogener Augenbraue und verschränkten Armen. Was bildete der sich eigentlich ein, mich so dumm anzuglotzen?

Je näher wir Brighton kamen, desto nervöser wurde ich. Ich hatte schliesslich keine Ahnung, wie mein Vater reagieren würde. Er fand es sicher nicht allzu lustig, dass ich fast ein halbes Jahr lang, ohne etwas zu sagen, untergetaucht war. Aber er war mehr als selber Schuld und ich bereute nicht, es getan zu haben. Hätte er nicht diese Jessica angeschleift, wäre ich nicht abgehauen.

Nervös knetete ich meine Finger, als wir vor unserem Haus anhielten. Ich wollte dieses Haus auf keinen Fall nochmal betreten, so sehr kotze mich alles hier an. Als ich ausstieg, bemerkte ich sofort den silbrig glänzenden Wagen, der neben dem von meinem Vater stand. Der musste wohl Jessica gehören. Angewidert rümpfte ich die Nase. Diese dumme Schnepfe hatte hier überhaupt nichts verloren. Anstatt diesem silbrigen Bonzen-Schlitten, sollte da der Wagen meiner Mutter stehen.

Wütend auf diese blöde Kuh, kickte ich einen Stein vor mich hin, während mich die beiden Bullen sogar bis zur Haustür begleiteten. Ich musste nicht mal klingeln, mein Vater riss von selbst die Tür auf. Er hatte sich kein Stück verändert und sah noch genau gleich aus, wie vor fünf Monaten. Es schien also gut zu laufen zwischen ihm und Jessica und meine Mutter hatte er wohl schon längst vergessen.

Er schien sich ziemlich zu erschrecken bei meinem Anblick. Ich musste wohl auch ziemlich beschissen aussehen. Auf meiner Stirn klebte immer noch ein riesiges Pflaster und meine Haare waren von dem Aufenthalt im Krankenhaus zerzauster als ein Vogelnest. Trotzdem fing er sich schnell wieder und wollte mich in die Arme ziehen.

Blitzschnell duckte ich mich unter seinen Armen hindurch, rauschte an ihm vorbei ins Haus und zischte: << Fass mich nicht an! >> Nur noch aus dem Augenwinkel nahm ich seinen fassungslosen Blick wahr, als er erschrocken meinen Namen rief. Entschlossen lief ich durchs Haus und liess ihn und die Polizei hinter mir. Die Schuhe behielte ich gleich an, ich hatte ja sowieso nicht vor, lange zu bleiben.

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