~ Carlos ~
Wie angewurzelt blieb ich mitten auf dem Parkplatz der Polizei stehen und starrte den Audi an. Was zur Hölle wollte der denn hier?
Als ich keine Anstalten machte, auf den Wagen zuzugehen, liess er die Scheibe runter und schrie mich an, dass ich verdammt noch mal einsteigen sollte. Ich wusste, dass ich gar keine andere Wahl hatte, als einzusteigen, denn wenn ich jetzt einfach abhaute, konnte ich mich später auf was gefasst machen. Also konnte ich dass, was mich sowieso erwartete, auch einfach jetzt über mich ergehen lassen.
Ich holte einmal tief Luft und bewegte mich anschliessend langsam auf den Wagen zu, etwas anderes blieb mir ja wohl nicht übrig. Vorsichtig öffnete ich die Wagentür und liess mich, ohne meinen Vater auch nur eines Blickes zu würdigen, auf den Beifahrersitz fallen.
Erstaunlicherweise bekam ich als Begrüssung keine geknallt oder wurde angeschrien. Dad trat einfach nur aufs Gas, schwieg eisern und liess seinen Blick zwischen der Strasse und dem Rückspiegel hin- und her schweifen. Okay, irgendwas stimmte hier nicht. So paranoid hatte ich ihn ja noch nie erlebt. << Was ist denn? >>, fragte ich schliesslich vorsichtig und sah ihn dabei zum ersten Mal heute richtig an.
Er wirkte angespannt und verdammt nervös. << Was los ist? >>, zischte er und starrte schon wieder angestrengt in den Rückspiegel. << Jemand weiss, wo wir sind und du verschwindest das ganze Wochenende lang einfach, ohne ein Wort zu sagen oder an dein verdammtes Handy zu gehen, verdammt nochmal! >> Er wechselte so ruckartig die Spur, dass der Wagen hinter uns bremsen musste und empört hupte, aber Dad schien das nicht mal bemerkt zu haben.
<< Vielleicht war es nicht gerade schlau von dir, vor der Polizeistation aufzutauchen, wenn du international gesucht wirst >>, meinte ich gleichgültig und starrte stur auf die Strasse. << Ich rede hier nicht von den Bullen, sondern von denen, weswegen wir überhaupt hier sind >>, schnaubte er, während er dem Wagen vor uns gefährlich nahe kam.
Ach so, die Junkies von Liverpool meinte er also. Wie sollten die denn rausgekriegt haben, wo wir waren? Die Polizei von Liverpool hatte uns schliesslich versichert, dass wir hier keine Gefahren zu befürchten hatten und überhaupt sollte doch langsam aber sicher Gras über diese ganze Sache gewachsen sein. Es war schliesslich schon fast ein halbes Jahr her, dass wir nun hier waren. Dad war doch einfach nur paranoid. Ich hatte hier zumindest noch niemanden angetroffen, der mir wegen dieser Sache auf die Schliche gekommen wäre.
<< Ab sofort wirst du dich nicht mehr einfach nachts draussen rumtreiben und ganze Wochenenden lang verschwinden, ist das klar? >> Ich schnaubte nur verächtlich. << Du willst mir vorschreiben, was ich zu tun habe? >>, fragte ich empört. Es war ja wohl schon mehr als genug, dass ich seine Drogengeschäfte für ihn erledigen musste, aber jetzt wollte er auch noch anfangen, mir irgendwelche Vorschriften zu machen. Es hackte ja wohl!
<< Ich bin immer noch dein Vater und du tust gefälligst, was ich dir sage! Es geht dabei nur um deine eigene Sicherheit. Ob du's glaubst oder nicht, ich mache mir Sorgen um dich, wenn du Tage lang einfach verschwindest und irgendwelche Idioten hinter uns her sind. >> << Du machst dir Sorgen um mich? >>, fragte ich noch eine Stufe empörter als vorhin. << Und falls du's vergessen hast: Die sind wegen dir hinter uns her, also kannst auch du dich darum kümmern. >>
<< Verficktes Arschloch! >>, schrie er auf einmal, sodass ich erschrocken zusammenzuckte. Aber er hatte damit wohl nicht mich gemeint, sondern den Lastwagen vor uns, der gebremst hatte und nicht mehr über die bereits gelbe Ampel gefahren war. Der Motor des Audis, der viel schneller unterwegs war, als es hier eigentlich erlaubt war, heulte laut auf, als mein Vater auf die Bremse trat.
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Escape...
Novela JuvenilDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...