57. ~ Nachts im Wald

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~ Carlos ~

Ungeschickt und auf wackeligen Beinen stolperte ich nach draussen. Endlich frische Luft! Obwohl es im ersten Moment ziemlich schmerzhaft war, als die kalte Luft in meine Lunge strömte, tat es doch unglaublich gut. Augenblicklich fühlte ich mich etwas besser und sogar die Übelkeit nahm ein bisschen ab.

Neugierig sah ich mich erstmal gründlich um. Wir waren wirklich mitten im Wald, ich hatte also Recht gehabt. Obwohl der Himmel bewölkt war und weder der Mond, noch die Sterne zu sehen waren, konnte ich alles einigermassen klar erkennen. Das gesamte Firmengelände war von einem hohen Zaun umgeben und es war mir echt ein Rätsel, wie mein Vater da drüber gekommen war, geschweige denn, wie wir hier wieder rauskommen sollten.

Ausserdem war das gesamte Gelände grösser und viel unheimlicher, als ich es in Erinnerung hatte. Okay, das lag wahrscheinlich daran, dass es gerade stockdunkel war und ich keine Ahnung hatte, wie lange ich eigentlich hier festgehalten worden war. Dass es immer noch die gleiche Nacht war, in der wir in Lucas Wohnung überfallen worden waren, daran glaubte ich nicht. Es mussten inzwischen mindestens schon ein oder zwei Tage vergangen sein, aber ich fühlte mich, als hätte ich Jahre hier verbracht.

Ängstlich warf ich nochmals einen Blick zurück. Das Hauptgebäude in dem ich gewesen war, lag bedrohlich in einem dunklen Schatten hinter mir. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinunter. Das Ganze sah aus, wie in einem grässlichen Horrorfilm und die Tatsache, dass es mitten im Wald lag, machte die Sache nicht gerade besser.

Unauffällig drängte ich mich näher an meinen Vater heran. Wenn man an einem solch unheimlichen Ort unterwegs war, war es echt nicht schlecht, wenn man Leute bei sich hatte, die bei der russischen Mafia hätten einsteigen können. Andys' Pistole glänzte auffällig, obwohl es fast stockdunkel war. Der andere Typ, von dem ich nicht mehr wusste, wie er hiess, war ebenfalls bewaffnet und dass mein Vater nicht auch eine Pistole bei sich hatte, daran zweifelte ich keinen Augenblick. Aber ich war mehr als nur erleichtert darüber.

<< Carlos, komm jetzt! Nicht träumen, wir müssen los! >> Dad stupste mich an und bugsierte mich in die Richtung, in die Andy und der andere Typ losgelaufen waren. Ich hatte es nicht mal bemerkt, dass die beiden sich schon so weit entfernt hatten, zu sehr hatte ich die Umgebung hier in Augenschein genommen. Hastig hackte ich mich bei Dad ein, damit er nicht auch noch davonlaufen konnte. Ich wollte hier schliesslich auf keinen Fall wieder allein gelassen werden.

<< Wohin denn? >>, keuchte ich, während ich versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Man, warum lief der so schnell oder war ich einfach nur viel zu langsam? Dem Blick meines Vaters nach zu urteilen war wohl das Zweite der Fall. Aber ich konnte einfach nicht schneller, meine Beine gehorchten mir nicht richtig, sodass ich nur ungeschickt vor mich hin stolperte. Das waren bestimmt auch noch Nachwirkungen des Heroins. Oder vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass ich schon seit Stunden, wenn nicht Tagen nichts mehr gegessen und getrunken hatte.

<< Erstmal zum Auto, dann bringen wir dich irgendwohin, wo du dich ausruhen kannst und wir suchen nach Cathy und den Kleinen >>, antwortete er knapp, während er mich hinter sich herzerrte. Ich konnte jetzt schon nicht mehr und wir hatten noch nicht mal das Firmengelände verlassen. Aber hatte ich da etwa gerade Besorgnis in seiner Stimme gehört? Ich hätte echt nicht gedacht, dass mein Vater überhaupt Gefühle hatte und so etwas wie Sorgen empfinden konnte. Sowas hatte ich schliesslich die ganzen letzten Monate nicht mehr miterlebt.

Was mich jedoch noch mehr erstaunte war, dass er kein bisschen sauer auf mich zu sein schien. Naja, wahrscheinlich wusste er noch nicht, dass ich seinen Audi auch noch zerstört hatte. Wenn er das erfuhr, dann würde sich seine Besorgnis zu hundert Prozent schlagartig wieder in Wut und Aggression umwandeln. Aber vielleicht fühlte er sich auch einfach selbst schuldig, weil ich das mit Eric hatte mitmachen müssen, obwohl ich ja eigentlich überhaupt nichts damit zu tun hatte, es ging hier ja schliesslich um ihn.

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