~ Carlos ~
<< Ich frag dich jetzt zum allerletzten Mal! Was hattest du mit dem Zeugs vor? >>
Wenig beeindruckt starrte ich auf das Heroin, welches vor mir auf dem Tisch lag. Es sah immer noch genauso aus, wie ich es in meinem Schliessfach hinterlassen hatte, nur war es jetzt zusätzlich noch in einem dieser Kühlbeutel, die in Krimis immer zum Einpacken von Beweisstücken dienten, verpackt worden.
Hätte ich den Stoff doch nur in die Themse geworfen oder verbrannt, anstatt in der Schule zu bunkern. Dann wäre mir wohl so einiges erspart geblieben. Ich hätte weder von hier abhauen müssen, noch wären meine Geschwister jetzt in Erics Fängen und ausserdem wäre es mir erspart geblieben, jetzt hier zu sitzen und mir diesen Schwachsinn anzuhören.
Ich gab mir die grösste Mühe, so teilnahmslos und desinteressiert, wie nur möglich auszusehen und hoffte, dass es möglichst bald vorbei war. Bis jetzt hatte ich ausser ein paar dummen Kommentaren noch kein Wort gesagt, was die irgendwie weitergebracht hätte, aber anscheinend schienen sie immer noch nicht zu begreifen, dass ich dies auch in den nächsten Minuten oder Stunden nicht vorhatte.
Erwartungsvoll wurde ich von zwei ungeduldig aussehenden Bullen mit Blicken durchlöchert, die mich wohl hätten beeindrucken sollen. Dieser Sozialarbeiter von meiner Schule, dessen Namen ich vergessen hatte, sass neben mir und versuchte auf die einfühlsame Tour, etwas aus mir rauszukriegen. << Carlos, du wurdest was gefragt >>, sagte er in einem Ton, als würde er mich komplett verstehen können und legte zu allem Übel auch noch seine Hand auf meinen Unterarm.
Entschlossen riss ich meinen Arm weg und fauchte in aggressivem Ton: << Fass mich nicht an! >> Ich verstand immer noch nicht, was der überhaupt hier verloren hatte. Die würden sowieso nichts aus mir rauskriegen können, egal auf welche Art sie es versuchten.
Wenn mein Vater nicht gerade damit beschäftigt gewesen wäre, meine Geschwister zu suchen, hätte ich denen wahrscheinlich erzählt, was wirklich Sache war. Dass mein Vater mich zwang, bei seinen Drogengeschäften mitzumachen, dass er öfters mal handgreiflich wurde und auch dass mit Lillys Mutter hätte ich wahrscheinlich rausgehauen. Aber jetzt konnte ich das nicht tun. Dad war der Einzige, dem ich zutraute, dass er Cathy, Luiza und Ruben unversehrt wieder nach Hause bringen konnte und deshalb konnte ich ihn nicht verraten. Ich musste schweigen, meinen Geschwistern zuliebe.
Provozierend sah ich diesem Bullen, der mich gefragt hatte, in die Augen. Er war kurz davor, die Geduld zu verlieren, das sah man ihm eindeutig an und genau das versuchte ich auszunützen. Ich musste das hier endlich beenden, denn ich hatte schon mehr als genug wertvolle Zeit mit denen verschwendet. Zeit, die meinen Geschwistern vielleicht fehlte. Es war mir in diesem Moment scheissegal, was diese Drogenangelegenheit noch alles für Konsequenzen nach sich ziehen würde, ich wollte einfach nur noch hier weg und irgendwas tun.
Arrogant starrte ich den Bullen an, ohne irgendwas zu sagen. Manchmal bewirkten Blicke mehr als Worte und so war es auch diesmal. Ich schaffte es sogar, kein einziges Mal zu blinzeln, bis es ihm zu dumm wurde.
<< Gut, ich glaube das ist sinnlos mit dir! Wenn es dir so scheissegal ist, leiten wir an die Staatsanwaltschaft weiter, dass du dich weigerst, uns Informationen zu geben. Freu dich schon mal auf den Jugendknast. Mit dieser Menge, >> er deutete beinahe schadenfreudig auf das Heroin, << kommst du nicht mehr einfach so davon. >> << Das du vorbestraft bist, macht die Sache auch nicht gerade besser >>, gab der andere auch noch seinen Senf dazu und sah mich dabei eindringlich an. << Das juckt mich nicht. Kann ich jetzt gehen? >>, maulte ich genervt.
<< Moment! Erst mal unterschreibst du uns, dass du dich weigerst, eine Aussage zu machen. >> Mir wurde irgendein gelbes Blatt und ein Stift hingeworfen. Ich machte mir nicht mal die Mühe, den Mist zu überfliegen und krakelte etwas, das meine Unterschrift darstellen sollte darunter. << Zufrieden? >>, raunzte ich und schob das Blatt mit einer genervten Handbewegung über den Tisch. Wortlos nahm der Bulle, der mir gegenüber sass, den Wisch entgegen und stand auf. Damit schien der Mist hier dann wohl endlich beendet zu sein.

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Escape...
Novela JuvenilDas Leben von Carlos geht gerade ziemlich den Bach runter. Er wird aus seiner Heimat und von seinen Freunden weggerissen und muss nach London, wo er keine Menschenseele kennt. Als er durch Zufall Lilly kennenlernt, der es ähnlich erging, verliebt er...