43. ~ Eine Entscheidung weniger

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~ Miguel ~

Genervt starrte ich den Typen, der mir gegenüber sass, an. Hatte der im Ernst das Gefühl, dass ich Carlos verraten würde? Anscheinend schon, denn er machte immer noch keine Anstalten, dieses Gespräch hier zu beenden, obwohl jeder hier im Raum wusste, dass es sinnlos war.

Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, lehnte er sich mir entgegen und starrte mir direkt in die Augen. Ich musste mich zusammenreissen, um seinem Blick standzuhalten, denn er hatte abartig stechende Augen. << Ich sag's dir jetzt zum letzten Mal. Du rückst jetzt sofort raus mit der Sprache! Wo ist dein Kumpel? >>

<< Und ich sage Ihnen jetzt zum letzten Mal, dass ihm schlecht war und er wieder nach Hause gegangen ist >>, giftete ich zurück und hätte dem Typen am liebsten ins Gesicht gespuckt. Er musste irgendein höheres Tier der Polizei sein, so wie der sich hier aufführte. << Miguel bitte! Wir wissen, dass er nicht zu Hause ist >>, mischte sich jetzt auch noch der Sozialarbeitertyp ein, der immer mit seinem Scheissanzug hier herumstiefelte, als wäre er der Schulleiter höchstpersönlich.

Der wirkliche Schulleiter sass jedoch nur teilnahmslos neben dem Bullen mit den stechenden Augen und starrte fast apathisch auf die ganzen Drogen, die vor mir auf dem Tisch lagen. Wahrscheinlich war das das gesamte Zeug, das sie an unserer Schule gefunden hatten. Er schien wohl nicht erwartet zu haben, dass es an seiner Schule so viele Dealer und Kiffer gab. Das meiste war stinknormales Gras in kleinen Mengen. Carlos Plastiksack mit einer ordentlichen Menge Heroin stach da schon ziemlich heraus. Kein Wunder, dass die so scharf darauf waren, ihn zu kriegen. Aber von mir würden sie auf keinen Fall was erfahren.

<< Ich glaube uns ist allen klar, dass du mehr weisst, als du sagst >>, fuhr er fort. << Bitte sag uns wo er ist. Wenn du uns was verschweigst und ihm dabei was passiert, dann bist du auf jeden Fall mitschuldig, ich hoffe das ist dir klar. >> Dachte der ernsthaft, mit sowas konnte man mich einschüchtern. Genervt stiess ich ein Schnauben aus: << Glauben kannst du in der Kirche. Und überhaupt, was sollte ihm denn schon passieren? >>

<< Passieren kann immer was. Wenn er jetzt vor uns abhaut und ihm was passiert, dann sind wir alle mitschuldig, auch du >>, versuchte der Bulle mich weiter einzuschüchtern. << Ich denke nicht, dass das dann meine Schuld wäre, sondern eher eure >>, schnauzte ich empört zurück, stand ruckartig auf und verliess ohne ein weiteres Wort fluchtartig das Büro unseres Schulleiters.

Auf keinen Fall durfte ich jetzt Kontakt zu Carlos aufnehmen. Die überwachten sicher irgendwie mein Handy, um an ihn ranzukommen. Wahrscheinlich war es das Beste, wenn ich auch einfach von hier verschwand.

~ Carlos ~

Erschöpft hockte ich auf Nicks Sofa und stopfte die Schokolade, die er mir hingeschmissen hatte in mich hinein. Cathy sass mir mit Luiza und Ruben gegenüber und starrte mich erwartungsvoll an. Nick, der sich neben mich hatte fallen lassen und einen Arm um meine Schulter gelegt hatte, wartete ebenfalls erwartungsvoll.

Ich hatte ihm soeben erzählt, was gerade passiert war. Überraschenderweise war er nicht ausgetickt, sondern wartete geduldig, was ich als nächstes tun würde. << Man Leute, ich habe doch selber keine Ahnung, was ich jetzt machen soll >>, stiess ich hervor, nachdem ich die Stille nicht mehr aushielte. Dabei war ich den Tränen so nahe, dass ich mir auf die Lippe beissen musste. Ich wollte nicht vor meinen Geschwistern weinen. Ich musste stark bleiben für sie, so wie immer. Auch wenn soeben mein ganzes Leben den Bach hinuntergegangen war.

Nick schien es zu spüren und strich mir tröstend über den Rücken. << Hier bleiben kannst du auf jeden Fall nicht. Früher oder später werden die deinen Freundeskreis abchecken und hier aufkreuzen >>, meinte er nachdenklich. Ich wusste, dass er Recht hatte. Alleine schon wegen Lilly konnte ich nicht länger als ein paar Stunden hier bleiben. Sobald sie von der Arbeit zurückkam musste ich von hier verschwinden. Aber wo sollte ich nur hin mit meinen ganzen Geschwistern? Alleine hätte ich einfach irgendwo auf der Strasse schlafen können, aber mit ihnen ging das nicht.

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