bad news

214 5 0
                                    


„Ich kann das nicht glauben. Das ist so surreal", flüsterte Jay leise, während er durch die Glasscheibe in den Nebenraum blickte, in dem der winzige Säugling in seinem Bettchen lag.

Will hatte dem Jüngeren die Hand auf die Schultern gelegt, strich ihm behutsam über den Rücken.

„Vor einer Woche habe ich zum ersten Mal seit Monaten mit Hailey telefoniert und jetzt liegt sie hier nebenan in der Pathologie und..."

Seine Stimme brach am Ende des Satzes. Will sagte nichts, nahm den Jüngeren nur stumm in den Arm.

„Sie hat nicht lange  leiden müssen. Wir haben das Baby per Kaiserschnitt geholt und dann ganz langsam die Geräte heruntergefahren", versuchte Will den Jüngeren zu trösten und ihn behutsam über den Tathergang aufzuklären. Jay schniefte in Wills Arztkittel, versuchte sich ein wenig zur Ruhe zu bewahren.

Per Telefon hatte der ehemalige Detective  in Bolivien erfahren, dass Hailey auf dem Weg zur Wache angeschossen war. Sie stand kurz vor dem Entbindungstermin.  Im Gaffneys hatte man sie ins künstliche Koma gelegt, um ihre gemeinsame Tochter per Kaiserschnitt zu holen. Zu diesem Zeitpunkt war Hailey bereits hirntot gewesen. Die Kugel der Waffe des Täters  hatte sie schwer am Kopf getroffen. Letztendlich hatten die Ärzte im gegenseitigen Einverständnis die Geräte abgeschaltet.

„Was ist mit der Kleinen? Ist sie gesund?", wisperte Jay kaum hörbar.

Der Arzt nickte erleichtert mit dem Kopf.

„Durch Haileys Koma und die lebenserhaltenden Maßnahmen konnten wir den Kaiserschnitt ganz normal durchziehen. Die Kleine hat keinen Sauerstoffmangel erlitten. Alle Vitalfunktionen sind im Normbereich. Auch wenn Hailey bereits hirntot war."

Jay fuhr sich schniefend über das Gesicht. Nur langsam verdaute sein Kopf, was ihm da zu Ohren gekommen war.

„Jay, hör mal. Wegen Hailey. Mach dir keine Vorwürfe. Selbst wenn du nicht in Bolivien gewesen wärst. Sie hatte keine Chance. Die Kugel hat ihren Schädel regelrecht zertrümmert."

Jay schluchzte leise auf, während ihm Will erneut über die Schulter strich. Die harten Neuigkeiten hatten ihn sichtlich in Mitleidenschaft gezogen.

„Willst du die Kleine sehen, bevor du dich von Hailey verabschiedest?"

Der jüngere Halstead nickte wortlos mit dem Kopf.

Es war fast makaber, aber in diesem Moment begriff er mehr denn je wie stark Geburt und Tod manchmal zusammenlagen.

Stumm folgte er seinem älteren Bruder in den Nebenraum, in dem seine erst wenige Stunden alte Tochter in ihrem Bettchen lag.

Will nahm die Kleine vorsichtig auf den Arm, gab sie behutsam an Jay weiter. Dessen Tränen tropften auf das Gesicht des Babys.

Der Süugling, der nun offenbar davon munter wurde, begann leise zu weinen.

„Schhh... Daddy ist da", flüsterte Jay mit zitternder Stimme, während er ihr mit bebenden Händen über das kleine Gesicht strich.

„Sie hat noch keinen Namen. Ich weiß nicht, ob Hailey etwas bestimmt hat oder du.."

Jay schüttelte rasch mit dem Kopf, wiegte die Kleine behutsam auf seinem Arm.

„Ich hab vor einer Woche erst erfahren, dass ich überhaupt Vater werde. Wir hatten zeitweise keinen Kontakt, weil ich im Einsatz war."

Will seufzte.

„Mach dir keinen Stress. Du hast noch etwas Zeit."

Abermals wischte sich Jay die Tränen vom Gesicht. Es war ihm unangenehm vor Will zu weinen und dennoch war es ihm auf eine gewisse Weise völlig gleichgültig. Will hatte ihn bereits in sämtlichen Lebenslagen gesehen.

„Wie geht's denn jetzt weiter? Ich hab überhaupt keine Ahnung von Babys."

Will sah den Jüngeren traurig an, schaute dann wieder auf das Neugeborene.

„Ich versuche den Klinikaufenthalt der Kleinen noch bis morgen Abend hinauszuzögern, aber mehr geht wirklich nicht. Dann kannst du das Nötigste mit deinen Vorgesetzten klären. Ich habe keine Ahnung, wie das bei euch bei der Army läuft, aber wenn ich du wäre würde ich die Lage schildern und zumindest für die nächsten 3 Monate eine Notbeurlaubung einreichen. Denn so wie jetzt wirst du nicht arbeiten können. Nicht mit einem Baby."

Völlig überfordert sah Jay seinen älteren Bruder an.

Dieser atmete tief ein und aus, nickte Jay dann vielsagend zu.

„Pass auf.  Ich werde dich jetzt nicht damit alleine lassen. Ich hatte die Idee, dass ihr vorübergehend bei mir einzieht? Ich hab genug Platz und ich denke, du könntest momentan etwas Unterstützung gebrauchen. Außerdem ist es sicher ganz gut, wenn du nicht ständig daran erinnert wirst, was passiert ist."

Jay sah seinen Bruder dankbar an, schaute dann wieder ergriffen auf den kleinen Menschen in seinem Arm.

Unter Tränen lächelnd legte er seinen Finger in die Handinnenfläche des kleinen Mädchens, die reflexartig ihre kleine Faust um ihn schlang.

Fast so als würde sie sagen, dass Jay sie nicht los lassen durfte, weil er alles war, was ihr noch geblieben war.

________________________________

Der Gang in die Pathologie kam Jay wie eine Ewigkeit vor.

Will stützte ihn, weil er wusste, dass der Jüngere bereits mehr als 24 Stunden auf den Beinen war und kaum noch Kraft übrig hatte.

Vor der eisernen Tür kamen sie schließlich zum halten. Will sah den Jüngeren aufmunternd an, machte eine vielsagende Kopfbewegung, die ihm gestikulierte, dass er eintreten sollte.

Jay hatte bereits damit gerechnet, dass er an diesem Anblick zerbrechen würde, aber dass es letztlich so schlimm wurde, hatte er nicht für möglich gehalten.

Letztendlich  konnte er  sie schon von weitem sehen. Wie ein Engel war sie auf dem Metalltisch aufgebahrt. An ihrem Gesicht prangte ein mit Blut bedeckter Verband. Der Rest ihres Körpers schien nahezu unversehrt.

Wie in Trance bewegte sich Jay in das sterile Zimmer.

Als er in ihr Gesicht sah, brach er abermals in Tränen aus, musste sich an der Wand festhalten.

Sie hatte die Augen geschlossen. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. Ihr Gesicht war schneeweiß. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. An was sie in den letzten Momenten wohl gedacht hatte?

Jay fasste nach ihrer Hand, die bereits eiskalt war.

Ihr Anblick brannte sich noch lange in sein Gedächtnis ein, trieb ihm abermals die Tränen aus den Augen.

„Warum? Warum hast du uns einfach  allein gelassen? Wir brauchen dich. Die Kleine braucht ihre Mutter", schluchzte er leise, ehe er seinen Kopf entkräftet auf ihre Brust fallen ließ, in die er leise weinte.

Erst die beruhigend ab und auf streichende Hand auf seiner Schulter schien ihn zurück in die Realität zu bringen.

Es war vorbei...

eternity (Chicago PD fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt