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„Kathryn, hör mal. Ich möchte nicht, dass du heute zu Pete gehst."

Entsetzt sah die 16 Jährige ihren Vater an, der sie mit einer Mischung aus Sorge und Bestimmtheit betrachtete. Vor einigen Wochen hatte sie den Jungen kennengelernt, zu dem Jay ihr an diesem Tag den Kontakt verboten hatte. Normal schien er nichts gegen Pete zu haben, aber an diesem Samstagnachmittag war er anderer Meinung.

„Was? Aber der probt heute Nachmittag mit seiner Band. Er hat mich extra eingeladen."

Doch Jay schüttelte mit dem Kopf.

„In zwei Stunden startet die Demo in der Innenstadt. Erin und ich werden auch im Einsatz sein. Das CPD hat sämtliche Polizisten abgezogen und bis 16 Uhr bist du nicht wieder zu Hause."
Kyas Blick wurde zunehmend entsetzter.

„Aber Dad, das kannst du nicht machen. Ich sollte da heute vorsingen, als Ersatz für Christian. Das wäre mein Einstieg in der Band und außerdem..."

Doch Halstead blieb konsequent.

„Die Antwort lautet nein. Ganz davon abgesehen hast du dieses Wochenende sämtliche Pflichten vernachlässigt. Es würde also auch unter normalen Umständen keine Rechtfertigung geben, dir das zu erlauben. Selbst wenn die Demonstration nicht stattfinden würde. Arbeite erstmal daran, dass deine schulischen Leistungen wieder besser werden. Dann können wir auch über die Bandproben reden."

Natürlich versuchte sich Kya um Kopf und Kragen zu reden.
Was folgte war eine hitzige Diskussion, bis Jay irgendwann die Sicherungen durchbrannten.
Er hatte Kopfschmerzen, 2 Nachtschichten wegen des neuen Falls geschoben und jetzt sollte er auch noch auf der Massenversammlung von Hooligans deeskalieren, während seine Tochter ihre Pubertätszickerein bekam. Irgendwann kippte die Stimmung. Kya begann vor Entsetzen zu schreien und auch Jay begann zu brüllen. Zunächst ergab ein Wort das andere.

Und dann passierte etwas, das Jay vorher so noch nie geschehen war.
Im Eifer des Gefechts hielt er Kya an den Unterarmen fest, weil sie türmen wollte.

Und schließlich geschah die allesentscheidende Wendung. Jay rutschte die Hand aus. Es war kein starker Schlag gewesen. Eher eine reflexartige Ohrfeige. Seine Wirkung hatte es aber dennoch nicht verfehlt.
Kathryn sah ihn völlig schockiert an. Ihre Pupillen weiteten sich, ehe sich ihre Augen mit Tränen fühlten.

„Ich hasse dich", zischte sie ihm zu, ehe sie unsanft ihre Hände wegzog und wutentbrannt aus dem Apartment türmte.

Halstead sah ihr nur völlig verdattert hinterher, ungläubig über das was er gerade gemacht hatte.
Er wollte sie einholen, aber für einen Rückzieher war es längst zu spät.
In diesem Moment verabscheute er sich dafür...


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Blind vor Tränen lief Kya den Weg zur U-Bahnstation entlang.
Die Ohrfeige hallte unaufhörlich in ihrem Kopf wieder. Natürlich hatten sie schon von klein auf immer wieder angespannte Auseinandersetzungen gehabt, aber bisher hatte Jay sie noch nie geschlagen.

Irgendwie hatten sie sich bisher immer wieder zusammengerauft, woran auch Erin nicht ganz unbeteiligt gewesen war. Doch dieses Mal war alles anders.

Ihr Vater hatte die unsichtbare Grenze überschritten und auch wenn Kya nicht ahnte, dass ihm der Vorfall leid tat und er seine heftige Reaktion bereute, wog die Tatsache schwer.
Schwerer als alles andere, was bisher an Auseinandersetzungen zwischen ihnen vorgefallen war.

Nach Atem ringend erreichte die 16 Jährige schließlich die U-Bahnstation. Nichts wie weg hier! Ob sie überhaupt je wieder nach Hause kommen würde stellte sie in diesem Moment arg in Zweifel.
Alles fühlte sich falsch, nicht mehr vertraut und berechenbar an.
Sie konnte nicht glauben, dass er das gemacht hatte. Dass er sie wirklich geschlagen hatte.
Kya fühlte sich verraten, minderwertig und unterlegen. Auch wenn der Schlag mittlerweile nicht mehr auf ihrer Wange brannte und von der unsanften Geste nur ein kaum sichtbarer Striemen übrig geblieben war, schienen die Narben auf der Seele länger zu bleiben.
Sie würde ihm das nie verzeihen.

Mit der Gewissheit lehnte sie den Kopf gegen die Scheibe der Bahn und stieg wenige Haltestellen später aus, nachdem sie die Innenstadt Chicagos erreicht hatte.
Sie kannte den Weg zu Petes Band Inn und auswendig. Sie ging ihn nicht zum ersten Mal und doch war es dieses Mal anders. Anders als die restlichen Male bisher, als sie ihn und seine Bandkollegen im Proberaum in einer abgelegenen Seitenstraße besucht hatte.

Vor dem Probenkeller hielt sie noch einmal Inne, zog ihr Smartphone aus der Tasche und besah sich ihr Gesicht in der Fotoaufnahme. Sie wischte sich die schwarze Mascara von den Wangen, die durch die geweinten Tränen eine Spur auf ihrer Haut hinterlassen hatte, richtete noch einmal ihre blonden Haare, ehe sie die Treppen nach unten nahm und kurz darauf im Probenkeller verschwand...

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Unterdessen rührte Jay unglücklich in seiner Kaffeetasse, während er mit der anderen Hand nach dem Bilderrahmen griff, der auf der Kommode im Wohnzimmer stand und Kya als kleines Mädchen zeigte. Anschließend fiel sein Blick auf das nebenstehende Bild, das Hailey lächelnd und voller Lebensfreude abgelichtet hatte. Die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter war verblüffend.

Obwohl Kathryn ihre Mom nie kennengelernt hatte, war sie Upton so verdammt ähnlich. Es war der gleiche Sturkopf, der Jay oft in den Wahnsinn getrieben hatte, als er noch mit Hailey zusammengearbeitet hatte. Die gleiche vorwitzige Art und die Unbelehrbarkeit wenn es um Belange ging, die um jeden Preis durchgesetzt werden wollten.
Verdammt, warum konnte er Kya nicht einfach wieder klein beamen? Damals, als sie noch 6 Jahre alt gewesen war, sie ihn liebevoll Daddy nannte und ihn aufgefordert hatte, ihr mehr Anschwung auf der Schaukel zu geben? Damals, als der einzige Diskussionsschwerpunkt nur der gewesen war, dass sie abends noch ein oder zwei Stunden länger aufbleiben wollte oder ihn im Einkaufszentrum um den kleinen Finger wickelte, weil sie die neuste Pferdezeitschrift haben wollte.
Im Vergleich zu jetzt schienen das alles Luxusprobleme zu sein.

Mit einem wehmütigen Lächeln stellte Jay den Bilderrahmen wieder zur Seite. Er liebte dieses Kind über alles. Sie war ihm wichtiger als sein eigenes Leben und er hätte sich jeder Zeit vor das nächste Auto geworfen, wenn er sie damit retten könnte. Hätte ihr sein Herz oder jedes andere Organ gespendet, wenn es um ihr Überleben ging.
Genau deshalb verspürte er auch eine erdrückende Schuld , wenn er an die zurückliegende halbe Stunde dachte.
Verdammt, warum hatte er sich nicht besser im Griff gehabt? Es war doch nicht das erste Mal, dass sie ihn provoziert hatte. Immer öfters gab es Machtkämpfe, bei denen sie ihn bis aufs Blut reizte und in die Weißglut trieb. Warum heute? Warum ausgerechnet jetzt, wo die halbe Stadt Kopf stand und ein paar Irre Demonstranten den alltäglichen Frieden gefährdeten?
Vielleicht hätte er sie einfach zu der Adresse fahren sollen. Vielleicht wäre das alles dann nie passiert.
Doch für jegliche Zweifel war es längst zu spät.

Jay griff mit dem Kopf schüttelnd nach seiner kugelsicheren Weste, ging zum Safe, um seine Waffe herauszuholen und brach dann mit schlechtem Gefühl auf den Weg zu seinem Einsatz in der Innenstadt auf..
Noch ahnte er nicht, dass am Nachmittag eine böse Überraschung auf ihn warten würde...

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In der Zwischenzeit hatte sich Kathryn im Proberaum eingefunden.
Nachdem sie vorgesungen hatte, war sie auf der Couch im Probenkeller eingenickt. Die Jungs hatten darauf bestanden, dass sie unabhängig von den Songs, die sie gesungen hatte noch einige Lieder allein probten.
Als Kathryn dann zwei Stunden später aufwachte, waren die Klänge der Gitarren längst verhallt und eine ungewöhnliche Stille im Nachbarraum eingekehrt.

Sie rekelte sich verschlafen, musste kurz darauf feststellen, dass ihr jemand wie eine Art Zudecke seine Jacke um die Schultern umgelegt hatte. Es war Petes Jacke.

Sie grinste verlegen. Als sie sich aufsetzte, entdeckte sie den schnell dahin gekritzelten Zettel des Bandleaders.

„Wir wollten dich nicht wecken. Du hast den Job in der Band. Bis nächsten Dienstag. Liebe Grüße."

Kya lächelte matt, zog sich schließlich die Jacke ihres guten Freundes über und inhalierte den Geruch seines Deos. Das Kleidungsstück roch nach ihm.

Die Euphorie fand ein jähes Ende, als ihr Blick auf die schäbige Uhr an der Wand glitt. Verdammt, es war kurz vor halb 6. Sie musste dringend gehen, denn um sechs wurde hier unten abgeschlossen und sie wollte die Nacht unter keinen Umständen hier draußen verbringen, auch wenn sie wenig Enthusiasmus verspürte sich jetzt auf direktem Weg nach Hause zu begeben.

Sie nahm sich vor noch ein wenig durch die Mall zu bummeln. Ihr waren noch 15 Dollar des Taschengelds geblieben.
Leider machte sie einen entscheidenden Fehler, denn in ihrem Endorphinrausch über den neuen Job als Supportsängerin hatte sie die gerade stattfindende Demonstration in der Innenstadt vergessen.
Unbekümmert war sie nach draußen gegangen, wo ihr bereits vereinzelte Demonstranten entgegen kamen.
Und mit der zurückgelegten Wegstrecke nahm die Anzahl der fragwürdigen Demonstranten zu
Sie wollte noch umkehren, einen anderen Weg in Erwägung ziehen, doch ehe sie erkannte, in was sie da hinein geraten war, schien es längst zu spät zu sein.

Plötzlich und völlig unerwartet stand Kathryn in einem Mob, bestehend aus Hooligans, die gegen Polizeigewalt demonstrierten und ihre Vorsätze mit Molotowcocktails und Tränengas durchsetzten.
Kya hatte kaum eine Chance. Schon binnen kürzester Zeit wurde sie von den Massen an wildgewordenen Demonstranten mitgerissen, die mit vollster Gewalt gegen die Polizei vorzugehen versuchten.

Sie probierte aus dem Tumult herauszukommen, wurde jedoch schnell immer wieder zu Boden gedrückt.
Die Blauhelme an Polizisten gingen regeros gegen die Demonstranten vor, wehrten sich mit Schutzschildern und Schlagstöcken , was die Gegenpartei wiederrum mit Tränengas und Fäusten kommentierte.
Und inmitten der beiden Parteien stand Kya und verspürte erstmals seit langem das Gefühl von Todesangst. Als kleine zierliche junge Frau hatte sie kaum die Möglichkeit sich lange auf den Beinen zu halten. Recht schnell wurde sie immer wieder zu Boden getrampelt.

Panik stieg in ihr auf. Sie bekam hier unten kaum noch Luft. Vereinzelte Demonstranten liefen bereits über sie drüber und sie erhielt Tritte in Rippen und Rücken.

Irgendwann, sie drohte hier unten aufgrund der Luftnot und Enge das Bewusstsein zu verlieren, griff ein vollvermummter Polizist nach ihr und zog sie aus der Masse an wildgewordenen Fans heraus.
Durch den Strom an Menschen drohte sie erneut zu Boden gerissen zu werden, aber der Cop hielt sie tapfer fest und wehrte alle um sie herum erscheinenden Kräfte ab. Immer wieder zog sie der schwarz vermummte Polizist mit der Sturmhaube und dem Vollschutz samt Helm nach oben, hielt sie ganz fest, solange bis sie eine ruhige Ecke in der Nähe der Einsatzwagen erreicht hatten.
Zwischenzeitlich war er noch mit einem Kollegen in Disput geraten, der Kathryn offenbar für eine Demonstrantin hielt und sie festnehmen wollte, aber ihr Retter schubste den vorwitzigen Kollegen zur Seite, nahm seinen Helm ab, den er kurzerhand einem anderen Cop in den Arm drückte.

Kathryn sah den Mann unsicher an. Warum hatte er sie gerettet? Hatte so sehr darauf bestanden, dass sie aus der Menschenmenge herausgezogen wurde? Spätestens, als der Polizist die Sturmhaube nach unten krempelte und ein ihr bekanntes Gesicht zum Vorschein kam, wurde ihr einiges klar.
Der Cop, der sie gerettet hatte, war niemand geringeres als ihr Vater.

Stumm weinend sah sie zur Seite. Alles zitterte in ihr. Sie stand so sehr unter Schock, dass sich ihre Beine wie Wackelpudding anfühlten. Instinktiv nahm sie auf der Hinterklappe des Mannschaftswagens Platz. Sie konnte kaum noch stehen.

Jay, der neben ihr verharrte und sich mit dem Rücken gegen den Mannschaftswagen lehnte, sagte nichts. Unterdessen rannten Kya nur stumm die Tränen aus den Augen.

Sie dachten wohl beide das gleiche, auch wenn es niemand aussprach.
Sichtlich froh darüber, dass Kathryn nun in Sicherheit war, hingen Vater und Tochter für einen langen Moment den eigenen Gedanken nach.

Auch Jay sah mit ernster Miene vor sich hin.

Dann, ohne ein Wort zu verlieren, näherten sich die Hände beider einander an, ehe sie einander berührten.
Zitternd fasste Kya nach seinen Fingern und auch Jay, dem das Herz vor Angst bis zum Hals schlug, griff erleichtert nach ihrer Hand, die er fest drückte.

Schuldbewusst lehnte sie sich mit dem Kopf gegen seine Taille, während er ihr erleichtert durch die Haare strich. Er war noch immer in Einsatzklamotten gekleidet. Im Hintergrund tobte der Mob gegen die Polizisten weiter.
Auch wenn sie ihre Gefühle kaum in Worte fassen konnten, genügten Blicke der Dankbarkeit und Erleichterung, um sich in diesem emotionalen Moment miteinander verständigen zu können..

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Auf der Rückfahrt redeten sie kein einziges Wort miteinander.
Jay hatte den Einsatz abgebrochen, um Kathryn nach Hause zu bringen, ehe er zurück zum Ort des Geschehens fahren würde.
Als er den Wagen vorm Wohnhaus parkte, verharrte Kya regungslos auf ihrem Sitz.

„Danke", war alles, was sie leise hervor brachte. Ihre Stimme klang zittrig. Noch immer steckte ihr das Adrenalin in den Knochen.

„Die hätten dich tot trampeln können, weißt du das eigentlich?"
Sie sah ihn nicht an, nickte nur mit dem Kopf.

„Es tut mir leid", sagten beide völlig unerwartet zur gleichen Zeit und sahen einander verblüfft an, lächelten dann traurig.

Dieses Mal war es Jay, der den Mut aufbrachte die Worte näher auszuführen.

„Ich hätte dich nicht schlagen dürfen. Mir sind einfach die Sicherungen durchgeknallt und dadurch ist mir die Hand ausgerutscht. Das war nicht okay, aber das was du gemacht hast, ist es auch nicht."
Kya bewegte stumm den Kopf nach vorn.

Erneute Stille, ehe er bebend zum Reden ansetzte.

„Kathryn, zum gefühlt hundertsten Mal: Ich verbiete dir Dinge nicht, weil ich dir das nicht gönne, sondern weil ich Angst um dich habe und mir Sorgen mache. Und das nicht ohne Grund, wie man wieder gesehen hat", sah er sie unter Tränen an. Kya sagte nun nichts mehr, schluckte nur laut hörbar und wich seinen Blicken aus, ehe sie sich mit dem Ärmel von Petes Jacke die Tränen aus den Augen strich und stumm nickte.

„Du bist das Wichtigste, das ich habe und das will ich nicht verlieren, verdammt nochmal."
Er sah sie nicht an. Sie wusste zu gut, dass er selbst kurz davor stand in Tränen auszubrechen.

„Es kommt nicht wieder vor. Versprochen", sagte sie jetzt etwas gefasster und schniefte laut hörbar, ehe er resignierend die Augen schloss und sich innerlich zur Ruhe mahnte.

„Ich muss jetzt gleich wieder los. Erin kommt nachher nach Hause. Die Sache ist noch nicht durch. Wir reden morgen weiter", merkte er mir verdächtig zittriger Stimme an, als sie schuldbewusst die Tür zum Wagen öffnete und wortlos ausstieg.

„Pass auf dich auf. Bis später", war alles was Kya sagte, ehe sie mit hängenden Schultern im Hauseingang verschwand.

Sobald sie nicht mehr zu sehen war, brach Jay in Tränen aus, ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken und schluchzte leise.
Er hätte sie fast verlieren können. Das wurde ihm jetzt wieder schmerzhaft bewusst.

Warum war Vater zu sein manchmal nur so verdammt schwer?

eternity (Chicago PD fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt