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Stinksauer fuhr Jay auf den Parkplatz des 22. Reviers.

Nur wenige Minuten zuvor war der Anruf gekommen. Ein Kollege von der Streifenpolizei hatte Bescheid gegeben, dass er seine Tochter vom Präsidium abholen sollte, nachdem diese bei einem Diebstahl im Supermarkt erwischt worden war.
Laut ersten Informationen hatte sie versucht ein Parfum zu klauen.

Mit düsterer Miene enterte Jay den Eingang der Polizeiwache. Nicht nur, dass der gesamte Sachverhalt mehr als peinlich für ihn oder Erin war.

Der Vorfall würde auch für Kathryn Konsequenzen haben. Neben einem Eintrag ins Führungszeugnis und einem Strafgeld würde Kya nun auch eine Verhandlung bevorstehen.
Zwar würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Sozialstunden hinaus laufen, da sie noch nicht vorbestraft war, aber für ihre zukünftige Laufbahn würde das alles andere als gut sein.

Jay folgte dem Polizeibeamten aus dem benachbarten Revier schließlich durch den endlos erscheinenden Flur.

„Kathryn Halstead, dein Vater ist hier", öffnete der Vollzugsbeamte schließlich die Tür zur Zelle, in der sich die 13 Jährige kleinlaut auf die nebenstehende Liege gesetzt hatte.

„Du darfst bis zur Anhörung gehen. Die Stadt kannst du vorerst aber nicht verlassen", informierte der Cop das Mädchen über die Auflagen, das nun mit hängenden Schultern und ohne seinen Vater anzusehen hinaus auf den Gang trat.

Mit gesenktem Blick folgte Kathryn ihrem Vater nach draußen.

Kein einziges Mal traute sie Jay in die Augen zu sehen.

Auch Jay sagte nichts.

Nicht, als sie stumm durch den Gang liefen und auch nicht, als sie zu ihm ins Auto eingestiegen war.
Erst als sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, donnerte er los.

„Kannst du mir bitte mal erklären, was das da heute sollte?", herrschte er sie lautstark an.

„Warum hast du das gemacht? Was läuft da schief bei dir????!!!"

Natürlich antwortete sie nicht.
Die Tränen tropften stumm auf ihre Jacke.

„Zuerst diese Essstörung. Jetzt der Diebstahl. Was kommt denn als nächstes? Überfällst du dann direkt die erste Bank? Kann ich dich dann direkt im Jugendknast besuchen?", schrie Jay aufgebracht.

„Verdammt, was ist los mit dir? Haben dir deine sauberen Mitschülerinnen das Hirn vernebelt? Was ist mit meiner anständigen Tochter passiert? Die, die früher einen bewundernswerten Gerechtigkeitssinn hatte? Die so etwas nie gemacht hätte? Die moralische Wertvorstellungen verinnerlicht hat?"

Aber Kathryn reagierte nicht.

Stattdessen weinte sie stumm, hatte die Arme demonstrativ vor der Brust verschränkt.

„Du bist gerade drauf und dran, dir deine eigene Zukunft zu verbauen. Mit dem Eintrag ins Führungszeugnis kannst du jeden späteren Job vergessen."

Aber sie zuckte nur stumm mit den Schultern. Eine Geste, die Jay nur noch wütender machte.

„Ist dir das egal? Oder wie soll ich das deuten?"

Daraufhin kam für einen langen Moment nichts.

Jay seufzte bedrückt.
Es folgte eine lang anhaltende Stille, bevor er die Unterhaltung fortsetzte.

„Kya, wir wissen beide, dass das nicht du bist. Rede mit mir. Warum machst du sowas? Warum klaust du in dieser Walmartfiliale? Das ist doch niemals auf deinen Mist gewachsen", sprach Jay jetzt etwas einfühlsamer auf sie ein.
Nach einer unendlich langen Pause, Jay rechnete nicht mehr damit, dass noch etwas kam, erhob sie schließlich die zitternde Stimme.

„Es war eine Mutprobe", flüsterte sie leise.

„Meine Chance, mit der ich meine Stellung in der Clique verbessern kann. Damit ich endlich dazu gehöre."

„Was für ein verdammter Quatsch!!!!!", schrie Jay schließlich so laut, dass Kathryn zusammenzuckte.

„Wie oft sollen wir das denn noch durchkauen? Schau dich doch mal an, wo deine reifen Freunde dich hier hingebracht haben? Um dazu zu gehören, ist das der falsche Weg. Weder irgendwelche Hungeraktionen, noch irgendein Taschendiebstahl. Verdammt, merkst du nicht, wie dich das immer tiefer in die Scheiße reitet!", sprach
Jay es nun ziemlich direkt aus, aber sie blieb stumm, weinte nur still vor sich hin.

Erst ihr leises Schluchzen unterbrach schließlich seinen aufgebrachten Ton, ließ ihn wieder etwas leiser werden.

„So wie jetzt geht's jedenfalls nicht mehr weiter. Du hast bis aufs weitere Hausarrest. Kein Internet, kein Smartphone. Und Erin und ich werden uns etwas einfallen lassen. Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn wir dich auf ein Internat oder eine andere Schule geben. Weit weg von hier."

Erschrocken sah Kya ihren Vater an.

„Das kannst du nicht machen."

„Du wirst dich wundern, was ich kann, damit meine Tochter nicht vor die Hunde geht. Im Ernst, schau dich doch mal an? Wo ich dich hier gerade abgeholt habe? Von der Polizei. Weißt du überhaupt, was deine Aktion von heute für weitreichende Folgen hat? Du hast gestohlen. Das ist eine Straftat", machte ihr Jay nochmals unmissverständlich klar.

„ Das wird vor Gericht gehen, ist dir das überhaupt bewusst? Es wird zum Prozess kommen. Dafür sind Jugendliche bereits ins Gefängnis gegangen."

Kathryn sah Jay aus ängstlichen Augen an, schniefte aber nur.

Verdammt, warum schaltete sie nie vorher den Verstand an? Wenn das Kind in den Brunnen gefallen war, schien das Gejammer immer groß zu sein.

„Egal was da raus kommt, aber dieses Mal bist du definitiv zu weit gegangen", sprach Jay mit scharfer Stimme, ehe er in die Tiefgarage der 51. Wache fuhr.
Allmählich stand ihm das Wasser bis zum Hals...

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Nur eine Woche später war der Termin der Verhandlung gekommen.
Während Jay noch erwirken konnte, dass Voight dafür sorgen würde, dass man den Aktenvermerk auf lange Sicht aus dem Führungszeugnis vertuschen konnte, hatte er den Prozess nicht verhindern können.

Natürlich hatte Hank auch hier bei der Richterin ein gutes Wort eingelegt.
Zudem kam Kathryn sehr zu gute, dass sie nicht vorbestraft war und dass die Tat bisher eine einmalige Sache gewesen war, aber dennoch wurde sie genötigt eine Aussage zu machen.

Neben dem Filialleiter der Sumermarktkette waren außerdem die zwei Streifenbeamte und Kathryns Pflichtverteidiger anwesend.

Bis ins kleinste Detail beichtete die 13 Jährige nun die Mobbingversuche, samt ihrer Anorexie und den Missbrauchsvorwürfen, die die zwei Mitschülerinnen in Bezug auf ihren Vater gemacht hatten.

Der Anwalt hatte Kya dazu geraten, vor Gericht klar die Ursachen auszuführen, die sie zu der Tat veranlasst hatten und gleichzeitig Reue zu zeigen, durch die hervorging, dass sie den Vorfall am liebsten ungeschehen machen würde.
Akribisch genau führte sie aus, dass sie die Mädchen in ihrer Klasse dazu angestachelt hatten, als Auflage für die Gruppenzugehörigkeit ein Parfum der Marke Dior zu stehlen

Zum Abschluss entschuldigte sich Kathryn für ihr Fehlverhalten. Sie weinte zwischenzeitlich so herzergreifend, dass selbst die Richterin nur schwer die Sorge im Gesicht verbergen konnte.

Mit strenger Miene verkündete die Gesetzesvertreterin schlussendlich die Konsequenzen für Kathryns Fehlverhalten.

„Im Namen der amerikanischen Regierung ergeht folgendes Urteil. Kathryn Halstead wird für schuldig befunden und erhält mit der Auflage von 40 Sozialstundenstunden in einer Suppenküche bis aufs weitere eine 6 Monate lange Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Bei erneutem Vergehen oder Versäumnis der abgeleisteten Stunden wird das Urteil vollstreckt. Gegen das Urteil kann ab dem heutigen Datum Berufung eingelegt werden. Die Sitzung ist bis aufs weitere geschlossen."

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Kleinlaut saß die 13 Jährige noch am gleichen Abend im Wohnzimmer ihrer Eltern.
Lindsay und Halstead hatten sie zur Aussprache nach unten gebeten und hier saß sie nun. Die Stunden im Gericht hatten sichtliche Spuren hinterlassen.
Noch jetzt schien Kya leichenblass zu sein.
Sie wirkte sichtlich mitgenommen, traute sich kaum Jay und Erin aufgrund des schlechten Gewissens in die Augen zu sehen.

Dass Erin einst selbst beim Diebstahl erwischt wurde, wusste sie nicht. Die zwei Cops hatten stillschweigend vereinbart, dass das auch besser so bleiben sollte.

„Hör mal, wir haben lange überlegt, was wir jetzt mit dir machen. Dass das Konsequenzen haben wird, war ja bereits klar", begann Jay zu sprechen.

„Ich hab meine Sachen schon vorbereitet. Wegen dem Internat."

Jay und Erin sahen einander vielsagend an. Zu Kyas Überraschung schüttelte ihr Vater mit dem Kopf.

„Das ist nicht das, was wir beschlossen haben. Erin und ich denken, dass es besser wäre, dich hier unter Kontrolle zu haben. Daher haben wir uns überlegt, dass du die Schule wechseln wirst. Raus aus Lakeview, in einen anderen Stadtteil. Am Stadtrand. Wir haben lange gesucht und sind dann zu dem Entschluss gekommen, dass wir dich gern auf die katholische Schule geben würden, auf der ich auch war."

Kathryn sah ihren Vater wenig begeistert an.

„Es gibt dort sehr klare Richtlinien, was verboten und was erlaubt ist. Mit Lehrern, die ein Auge auf dich haben und Mobbing sehr schnell und konsequent unterbinden. Raus aus dem bisherigen Umfeld. Neuanfang."
Kathryn sah ihren Vater ungläubig an.

„Aber wir sind doch gar nicht gläubig?"

„Das spielt keine Rolle. Ich kenne den Pater, der die Schule leitet. Es ist keine Bedingung gläubig zu sein."
Sie seufzte schwer, nickte dann aber mit dem Kopf.

„Der Schulbesuch ist die Voraussetzung, dass du weiterhin hier bei uns wohnen kannst. Wenn ich dich jetzt weggebe, habe ich dich gar nicht mehr im Blick. Was aber nichts an der eigentlichen Lage ändert", machte Jay ihr nochmals sehr direkt bewusst.

„Es ist trotzdem 5 vor 12. Das ist dir hoffentlich klar. Trittst du die Sozialstunden nicht an oder wiederholt sich das, sitzt du die Zeit im Jugendknast ab. Ohne wenn und aber. Ist das da oben bei dir angekommen?"
Die 13 Jährige nickte stumm.

„Die anderen Verbote bleiben trotzdem. Kein Fernsehen, kein Internet. Dein Smartphone bleibt vorübergehend bei uns. Bekommst du langsam die Kurve, kann man über Lockerungen nachdenken."
Abermals bewegte sie den Kopf nach vorn.

„Darf ich jetzt auf mein Zimmer gehen?"
Synchrones Nicken.

„Danke", meinte Jay zu verstehen, bevor sie zur Tür ging. Erin hielt sie dennoch auf halber Strecke zurück.

„Wir sind enttäuscht von dir, Kathryn. Wir hätten nicht gedacht, dass du soetwas machst."

Unter Tränen bestätigte sie die Worte mit einer raschen Kopfbewegung.
Dann verschwand sie weinend in ihrem Zimmer...

eternity (Chicago PD fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt