„Wir müssen reden", hörte Kathryn ihre Eltern an einem Freitagabend aus ernsten Gesichtern sagen.
Die 10 Jährige, die gerade vom Spielen aus dem Garten gekommen war und nichts Böses ahnte, sah die Erwachsenen unschuldig an. Es war ein unbedeutender Samstag vor den Sommerferien. Noch vor wenigen Stunden zuvor war sie mit Erin von einem Ausflug ins nahe gelegene Evanston zurückgekommen und jetzt zogen ihre Eltern eine Miene, als ob jemand gestorben wäre.
„Dad hat einen wichtigen Brief von der Army bekommen. Und darüber muss er mit dir sprechen", sagte Erin leise und sah bedrückt auf ihren Partner, der jetzt betreten auf die Grundschülerin blickte.
„Hör zu, Mäuseprinzessin. Ich muss dir was wichtiges sagen. Ich werde für 6 Monate nach Bolivien fliegen. Der Leader eines Squadteams ist ausgefallen und ich bin aufgrund meiner taktischen Kenntnisse der Einzige, der den Posten ersatzweise übernehmen kann. Onkel Hank musste mich für ein halbes Jahr nach Süd-Amerika abgeordnet. So lange, bis der alte Teamleiter wieder dienstfähig ist."
„Was?!"
Kya schien ihren Ohren nicht zu trauen. Aber Jay nickte bestätigend.
„Du bist jetzt schon 10 Jahr alt und nicht mehr so klein, dass du nicht kurzfristig ohne mich auskommen kannst. Außerdem sind Erin und Onkel Will und Tante Natalie für dich da."
Von einem auf den anderen Moment füllten sich Kathryns Augen mit Tränen.
„Aber du kannst mich nicht einfach alleine lassen", stellte sie mit bebender Stimme fest. Jay, dem die Gegebenheit ebenfalls alles andere als leicht zu fallen schien, ging leicht in die Knie, sah seine Tochter jetzt einfühlsam an.
„Mäuseprinzessin, ich mache das auch nicht gerne. Ich würde auch viel lieber bei dir bleiben, aber es geht nicht. Ich muss dort hin."
Kya begann stumm zu weinen. Die Vorstellung für ein halbes Jahr ohne ihren Papa auszukommen, schien für sie unmöglich zu sein. Überhaupt kam ihr der gesamte Zeitraum wie eine halbe Ewigkeit vor. Sie wollte unter keinen Umständen, dass er ging.
Jay strich ihr liebevoll über die Wange, aber sie schüttelte seine Hand ab, wich ein Stückchen von ihm weg.
„Kya, als du damals geboren wurdest, musste ich überstürzt aus Süd-Amerika abreisen. 6 Monate vor meiner eigentlichen Vertragsverlängerung. Diese Zeit ist der Army immer noch gut geschrieben worden und der Deal zwischen denen und mir war, dass ich zurückkomme, sobald ein Notfall besteht. Und das ist jetzt."
Aber die 10 Jährige schüttelte vehement verneinend mit dem Kopf.
„Ich will aber nicht, dass du gehst", protestierte sie mit zitternder Stimme.
Jay seufzte und auch Erin sah ihn mitleidig an.
„Du musst jetzt tapfer sein. Bitte mach es uns nicht noch schwerer, als es ist. Für uns ist das auch nicht leicht", appellierte Jay an ihre Vernunft.
Aber sie sah ihn nur trotzend an. Sie wollte ihren Vater unter keinen Umständen dorthin fliegen lassen. Natürlich gab sie das nicht zu, aber sie hatte schreckliche Angst um ihn. Immerhin hatte sie bereits ihre Mom verloren. Auch wenn sie nicht darüber sprach, war da stets die unausgeprochene Angst, dass mit Jay das Gleiche passierte.
„Es sind 6 Monate. Keinen Tag länger. Dann bin ich wieder bei euch."
Aber zu Jays Unmut tat Kathryn das, was ihn so sehr an sich selbst erinnerte. Statt sich trösten zu lassen und sich die Gefühle einzugestehen, ließ sie die Detectives stehen und zog sich schluchzend in ihr Zimmer zurück.
Halstead sah Lindsay unglücklich an. Das hier war keineswegs die Reaktion, die er sich erhofft hatte...
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Letztendlich rückte der entscheidende Tag der Abreise zunehmend näher.
Am Morgen von Jays Flug war Kathryn bewusst frühzeitig zu ihrer Freundin Ava aufgebrochen, deren Mutter die zwei Mädchen zum Schulbus bringen würde. Keine Umarmung, kein auf Wiedersehen.
Jay, der es der 10 Jährigen nicht noch schwerer machen wollte, kommentierte ihre Entscheidung nicht. Auch wenn Erin sich dementsprechend aufregte, verlor er kein böses Wort über die Sache.
Lindsay brachte ihren Mann noch zum Flughafen. Sie verabschiedeten sich mit einem langen Kuss, bevor er in Richtung des Terminals lief.
Ab da war Funkstille. Pause.
Und so sollte es in den kommenden zwei Monaten auch bleiben.
Doch noch ahnte Erin davon nichts.
Wie gewohnt, versuchte sie für Kya auch in den kommenden Tagen einen Hauch von Normalität zu erhalten.
In der anstehenden Zeit brachte sie die Fünftklässlerin morgens zur Schule, holte sie am späten Nachmittag vom Ganztagsunterricht ab, bis die Sommerferien anbrachen. Am Wochenende unternahmen Tochter und Stiefmutter meist etwas zusammen. Sie fuhren in die umliegenden Nationalparks, machten gemeinsam Sport oder fuhren gemeinsam ins Schwimmbad. Erin versuchte das Mädchen so gut wie möglich von der angespannten Situation abzulenken.
So ging das eine ganze Weile. Anfangs meldete sich Jay noch zuverlässig, aber nach nur 3 Wochen brach der Kontakt ganz plötzlich abrupt ab.
Erin wollte Kathryn nicht beunruhigen. Daher machte sie anfangs noch gute Miene zu bösem Spiel. Sie wusste, dass ihr Mann keinen Kontakt aufnehmen konnte, wenn er auf einer Mission war.
Aber als sich Jay auch 5 weitere Tage nicht meldete, wurde sie allmählich misstrauisch, rief kurzerhand seinen Chef in Bolivien, Commander Johnston an.
Auch Kya hatte mittlerweile längst kapiert, dass etwas mit ihrem Vater nicht in Ordnung war. Anfangs schluckte sie noch Erins Ausreden und Ablenkungsmanöver. Später aber nicht mehr.
Als der neue Commander versicherte, dass alles in geregelten Bahnen verlief, wurde Lindsay für kurze Zeit etwas ruhiger. Doch als Johnston ihr schließlich mitteilte, dass Jay ohne ihre Zustimmung den Auslandseinsatz verlängert haben sollte, brachte die Sache Bewegung in den Fall.
Noch sagte sie Kathryn nichts davon, auch wenn sie innerlich sichtlich aufgewühlt war.
Bis zu einem Dienstag in der 5. Woche nach Jays Abflug aus Chicago.
Es war ein Anruf, der alles verändern würde.
Nach wie vor, versuchte Erin ihren Mann zwei Mal täglich zu erreichen. Ohne Ergebnis. Jay nahm nicht ab, reagierte nicht mehr.
Bis es zu der entscheidenden Wendung kam, denn dieses Mal nahm er den Anruf entgegen. Allerdings ließ die Stimme am anderen Ende des Telefons sichtliche Zweifel erahnen, dass Lindsay da gerade wirklich mit ihrem Mann telefonierte.
Zwar gab ihr angeblicher Partner schon zu Beginn des Gesprächs auf ihre Nachfrage an, dass er deshalb so anders klingen würde, weil er sich leicht erkältet hatte. Aber nur wenige Minuten nach dem Gesprächsverlauf hatte Erin eine böse Vermutung und die sollte sich bewahrheiten, als sie Kathryn das Telefon gab.
„Hey, kleiner Frosch. Alles in Ordnung?", begrüßte der angebliche Jay schließlich seine Tochter. Das Mädchen, das den Telefonhörer in die Hand genommen hatte, sah misstrauisch auf seine Stiefmutter.
Ihr Vater hatte sie in all den Jahren nie bei diesem Tiernamen genannt und auch sonst schien der Mann am anderen Ende der Leitung irgendwie anders zu klingen.
Kya blickte Erin immer wieder irritiert entgegen, kam am Telefon ins Stocken.
Weil Lindsay befürchtete, dass Kathryn die Auffälligkeit während des Telefonats ansprach, schrieb sie ihr auf einen kleinen Zettel, dass sie antworten sollte, auch wenn ihr Vater merkwürdig klang. Und dann tat sie in ihrer Beunruhigung noch etwas. Sie griff nach ihrem alten Smartphone, das sie nur noch als Ipod nutzte, um den restlichen Anruf mitzuschneiden.
Unter dem Vorwand, dass Kathryn noch Hausaufgaben machen musste, nahm Erin ihr schließlich das Telefon ab, gestikulierte ihrer Stieftochter, dass sie in den Nebenraum gehen sollte.
„Jay, was ist los mit dir? Warum hast du dich so lange nicht gemeldet?"
„Ich liebe dich Schatz. Du weißt ja. Wenn wir im Einsatz sind, dann kann ich nicht telefonieren."
Und das war es. Der letzte Hinweis, der ihren Verdacht vollständig machte. In all den Jahren hatte Jay seine Frau nie Schatz genannt. Auch Kya wurde von ihm nie als Frosch bezeichnet.
„Ich liebe dich auch und..."
Ehe sie sich versah, piepte das Telefon. Dann hatte er aufgelegt. In Erin zog sich alles zusammen. Das hier war kein gutes Zeichen. Eine Gegebenheit, die auch Kya mitbekommen hatte, die nun sichtlich verdattert aus dem Wohnzimmer in den Küchenbereich trat.
„Das am Telefon war nicht Dad, oder? Papa hat mich noch nie kleiner Frosch genannt. Ich bin immer Mäuseprinzessin oder Spatz. Manchmal auch Kampfzwerg oder nur Prinzessin, aber nie sein kleiner Frosch. Außerdem klang er ganz anders."
Erin sah ihre Stieftochter alarmierend an. Selbst Kathryn war aufgefallen, dass der Anrufer kaum Gemeinsamkeiten mit Jay aufgewiesen hatte.
„Okay, pass auf. Wir machen jetzt folgendes. Du ziehst dich an, packst die wichtigsten Sachen zusammen und dann bringe ich dich vorsorglich für ein paar Tage zu Oma und Opa, okay?"
Nur widerwillig sah das Mädchen auf die Polizistin, blickte sie eindringlich an.
„Aber was ist das mit Dad? Ist er in Gefahr? Wenn er das nicht am Telefon war, wo ist er dann?", sprach sie die alles entscheidenden Worte aus, die auch Erins Herzschlag sichtlich in die Höhe trieb.
Fragen auf die sie keine Antworten hatte. Nur einen Verdacht, den sie nicht aussprach.
„Kya, du tust jetzt erstmal, was ich dir gesagt habe, okay?", berief sich Erin auf ihre Anweisung. Kathryn sah sie widerwillig an, nickte aber. Das Mädchen spürte, das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Diskussionen war.
„Was, wenn er entführt wurde?",ratterte es Erin unaufhörlich durchs Hirn. Doch sie sprach es nicht aus, gab Kya stattdessen ihre Tasche und animierte sie schnell ihre Schulsachen einzupacken...
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„Was heißt hier, Jay war nicht am Telefon?", wiederholte Voight nur eine Stunde später ungläubig die Worte seiner Ziehtochter. Doch Erin hielt an ihrem Verdacht fest.
„Hank, du musst mir glauben. Da ist irgendwas faul. Jay hat seit über zwei Wochen nicht auf meine Anrufe und Nachrichten reagiert. Einsatz hin oder her. Der Mann da am Telefon war niemals Jay. Hier, ich kann es dir zeigen", spielte sie schließlich die Aufnahmen ab, die nun auch Hank Voight finster drein schauen ließen.
„Der Jay Halstead, den wir kennen hätte seine Tochter niemals 10 Tage lang in Ungewissheit gelassen oder nicht auf meine Kontaktversuche reagiert. Dafür ist er viel zu verantwortungsbewusst. In den ersten zwei Wochen hat er versucht bei jeder noch so kleinen Möglichkeit anzurufen. Und er hat Kathryn bei dem heutigen Telefonat als kleiner Frosch bezeichnet. Das hat er noch nie zu ihr gesagt."
Hank nickte ernst. Zugegeben. Selbst wenn man die restlichen Details weg ließ, klang die Stimme des Anrufers alles andere als nach seinem Kollegen.
„Schön und gut, Erin. Aber wenn Jay jetzt nicht die Squadeinheit leitet. Wer sitzt dann jetzt auf seinem Posten in Bolivien? Und was ist da beim letzten Einsatz passiert? Hat ihn jemand entführt?", brachte Adam die alles entscheidende Frage über die Lippen, die alle Teammitglieder der Intelligence erschaudern ließ. Hank Voight ging als Erstes zum Handeln über.
„Okay, passt auf. Ich rufe Commander Johnston an und konfrontiere ihn mit unseren Vermutungen. Dann sende ich ihm Originalaufnahmen von Halsteads Stimme und dem Anrufer. Wenn die Halstead ausgetauscht haben, dann gilt das auch für die restlichen 4 Männer in seiner Kompanie."
Kevin, der von der Sache sichtlich mitgenommen war, schüttelte ungläubig mit dem Kopf.
„Moment mal, Sarge. Sie denken die haben das gesamte Team gekidnapped?"
Voight nickte düster mit dem Kopf.
„Aber was ist mit Commander Johnston? Der kennt doch seine Männer."
Doch Hank verneinte Kopfschüttelnd. Offenbar ahnte er noch schlimmeres.
„Nicht zwangsläufig. Johnston ist noch neu auf seinem Posten. Nachdem man Bexter frühzeitig berenten musste, hat er dessen Nachfolge angetreten. Anfang des Monats fanden in New York Konferenzen zu Auslandseinsätzen der Army im Rahmen der Vereinten Nationen statt. Das müsste genau der Zeitraum sein, als Halstead seine Mission begonnen hat. Wenn Johnston zu Beginn der Mission nicht selbst vor Ort war, hat er die Männer möglicherweise erst nach 2 Wochen kennengelernt."
„Oh Gott."
Erin schloss ungläubig die Augen.
Sie wollte etwas hinzufügen, doch dazu kam es nicht, denn nur Millisekunden später ertönte das vertraute Klingeln ihres Iphones.
„Jay Halstead", kündigte es den entscheidenden Anruf an. Erin sah gebannt auf Hank, der ihr zunickte...
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Unterdessen hing Jay tausende Meilen entfernt und mit Fesseln an der Decke eines alten Gefängnistrakts und wurde gefoltert. Nach mehreren Schlägen hielt einer der Geiselnehmer Inne und man band ihn von der Decke ab. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Alles zitterte. Die Übelkeit hatte Besitz von ihm ergriffen. Er kämpfte hart dagegen an.
Unsanft schlug ihm ein weiterer Entführer von hinten gegen den Rücken, befahl ihm auf Spanisch sich in Bewegung zu setzen. Jay verstand nur ein paar Brocken, aber er ahnte, dass irgendetwas nicht nach Plan verlaufen war.
Geschunden und von den zahlreichen Folterversuchen gezeichnet, bot man ihm seit Stunden erstmals einen Stuhl an. Doch Jay ahnte zu Recht, dass dies keineswegs aus mitmenschlicher Sorge geschah.
„Wir brauchen Informationen von dir", schnaubte der Mann, der sich bei ihm als El Suarez vorgestellt hatte.
Jay kämpfte noch immer hart gegen die Schmerzen an. Nur der Gedanke an Kya und Erin schien ihn bei Bewusstsein zu halten.
„Ich sagte wir brauchen Informationen von dir", schnaubte der Geiselnehmer erneut und drückte seinen Kopf unsanft gegen die Tischkante, weil er nicht zeitnahe reagiert hatte. Jay schmeckte Blut. Er spürte, wie ihm der rote Lebenssaft über die Schläfe rannte.
„Was für Informationen?", keuchte er leise.
Nichts ahnend, was es damit auf sich hatte.
„Ich habe euch mehrfach gesagt, dass ich kaum etwas über diese andere Operation weiß."
„Das interessiert uns auch nicht. Wir benötigen Informationen über deine Frau. Über deine Frau und deine Tochter."
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eternity (Chicago PD fanfiction)
FanfictionJay ist im Auslandseinsatz in Bolivien als er von Haileys Tod erfährt. Nachdem Upton auf dem Weg zur Arbeit angeschossen wurde liegt sie im Koma, erleidet schließlich einen Herzstillstand. Nur durch Zufall überlebt das Baby, das sie im Bauch trägt...