Gegen Abend brachte er Erin mit dem Kinderwagen nach Hause.
Das kleine Mädchen war erschöpft vom Tag eingeschlafen, sodass es nichts mehr von dem mitbekam, was um es herum geschah.
„Gut, dass es ihr wieder besser geht. Dann kannst du sie morgen wieder zur Tagesmutter bringen."
„So sehr ich sie auch liebe, aber wenn ich in ihrer Anwesenheit arbeiten soll, schaffe ich überhaupt nichts."
Für einen langen Moment sah Jay auf die schlafende Kleine.
„Aber ist das nicht normal? Dass Kinder krank sind, ist doch keine Seltenheit", merkte Erin an.
„Was ist schon normal?", murmelte Jay nachdenklich und sah Erin dann unsicher entgegen.
Und dann sagte er etwas, das Lindsay sichtlich überraschte.
„Ich habe überlegt, ob ich mir für Kya therapeutische Hilfe suche. Also, einen Kinderpsychologen oder einen Therapeuten speziell für sie."
„Aber das läuft doch ganz gut mit euch?"
Erin war verwirrt. Sie hatte nicht den Eindruck, dass es zwischen der 1 Jährigen und Jay Probleme gab.
„Es geht nicht um uns, Erin. Es geht um Kathryn. Dieses abends nicht mehr einschlafen können häuft sich im Moment extrem. Klar, jetzt war sie durch die Impfung angegriffen, aber ich rede von den restlichen Malen. Das ist als ob sie Angst hat, dass sie mich auch noch verliert. Vielleicht hat sie damals wirklich mehr mitbekommen, als wir alle denken."
„Aber sie war in Haileys Bauch."
„Die Geburt war trotzdem traumatisch. Auch wenn die Ärzte sie zeitnahe holen konnten. Und die Auswirkungen bei dem Schusswechsel hat sie auf irgendeine Weise trotzdem mitbekommen. Auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf der Welt war."
„Du denkst wirklich, sie ist durch diese rasche Geburtseinleitung und den Schusswechsel traumatisiert?"
Jay zuckte ratlos mit den Schultern.
„Ich hab keine Ahnung von so kleinen Kindern und Traumatherapie, aber gut für die Psyche war es sicher nicht."
Erin nickte. Sie wusste unter welchen Umständen Hailey gestorben war und konnte dementsprechend verstehen, worauf Jay anspielte.
„Meinst du, du findest so schnell jemanden, der sich mit so kleinen Mäusen auskennt?"
Jay bejahte.
„In Westwood hat eine neue Praxis eröffnet. Die arbeitet mit neuen Ansätzen. Zumindest hat Will sowas erzählt. Dabei erzählen die Eltern den Kindern, was in der Traumasituation passiert ist und die Kids durchleben es dadurch noch einmal und können es besser einordnen und verarbeiten."
Lindsay schien baff zu sein.
„Und das funktioniert schon bei so kleinen Kindern?"
„Offenbar ja."
Erstaunt sah sie Jay an.
„Hör mal, noch was anderes. Was hältst du davon, wenn ich dir Kathryn einmal die Woche abnehme? An einem festen Tag, an dem ich für ein bis zwei Stunden auf sie aufpasse, damit du auch mal durchatmen kannst oder zu anderen Sachen kommst. Unbhängig von der ganzen Therapiegeschichte."
Jay sah Erin irritiert an, lächelte dann aber.
„Das würdest du machen?
„Klar. Du bist jeden Tag mit ihr zusammen. Seit Haileys Tod bist du den ganzen Tag mit ihr beschäftigt. Großeltern für die Kleine habt ihr beide nicht. Du brauchst mal Zeit für dich."
Dankbar sah er seine Kollegin an.
Sie kamen vor ihrem Appartment zum halten, grinsten einander an.
Stille. Dann begann er erneut zu reden.
„Was ist das eigentlich zwischen uns? Kommen wir uns wieder näher oder tue ich dir einfach nur leid", spielte er zum ersten Mal seit Silvester auf den Kuss an. Erin zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Aber wir werden es herausfinden."
Jay trat vorsichtig näher, strich ihr sacht mit dem Handrücken über die Wange, sah ihr tief in die Augen.
„Danke", lächelte er matt.
„Ohne dich würde es der Kleinen und mir deutlich schlechter gehen."
Sie schnappte seine Hand, die sie kurz drückte.
„Ich tue was ich kann", lächelte sie ihm entgegen.
„Dann sehen wir uns morgen?"
Jay nickte.
Erins Blick fiel noch einmal in den Kinderwagen auf die schlafende Kleine.
„Mach's gut, kleine Prinzessin. Und ärgere deinen Daddy nicht so viel. Der braucht auch ein bisschen Schlaf."
Aber davon hatte das kleine Mädchen nichts mehr mitbekommen. Viel zu tief war sie in ihrem Traum versunken...
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Natürlich gab es am gleichen Abend wieder dementsprechendes Theater und die Stimmung wurde nicht besser als im Verlauf des bisherigen Tags.
Sobald Jay seine kleine Tochter bettfertig gemacht hatte und sie in ihr Kinderbett legte, dann vorsichtig das Licht ausschalten wollte, begann das Geschrei.
Sie fing an zu weinen, rief nach ihrem Vater. Unter dem Vorsatz sie dieses Mal weinen zu lassen, bis sie eingeschlafen war, schloss er die Tür. Als sie nach einer halben Stunde aber immer noch aus Leibeskräften schrie wurde er weich und ging erneut ins Wohnzimmer. Er knipste das matte Licht der Stehlampe an.
Seufzend sah er auf das kleine Mädchen, das vom Weinen bereits ganz heiser war.
Was machte er hier eigentlich? In diesem Moment fing er zum ersten Mal an sich für das zu hassen, was er seiner kleinen Tochter da antat. Sie lag hier und weinte nach ihm, während er sie einfach schreien ließ, anstatt ihr die Nähe zu geben, die sie offenbar brauchte.
So sehr er vor dem Termin mit der Therapeutin auch Angst hatte, aber zum ersten Mal seitdem er das Treffen organisiert hatte, schien er beinahe erleichtert, dass der Zeitpunkt der Therapiestunde bald gekommen war.
,,Kathryn, nun hör doch endlich auf. Ich bin da. Ich geh nicht weg."
„Bett?", wimmerte sie leise und deutete zitternd in den Nebenraum, aber Jay schüttelte mit dem Kopf. Zu seinem Unmut war sie schon wieder ganz warm.
„Nein, Zwerg. Du schläfst heute in deinem Kinderbett im Wohnzimmer. Ich bleibe gerne noch da, bis du eingeschlafen bist, aber das geht jetzt so nicht jeden Tag so. Das ist Daddys Bett."
Und damit begann das Geheule erneut.
Natürlich hätte er sie auch dauerhaft auf Haileys Bettseite übernachten lassen können, aber Jay spürte, dass er seinen eigenen Bereich brauchte. Wie sollte er jemals wieder eine Frau kennenlernen, wenn Kya dauerhaft bei ihm übernachtete? Auch wenn das derzeit nicht spruchreif war, wollte er das gar nicht erst zur Gewohnheit werden lassen. Ausnahmen, wenn sie krank wurde oder besonders anhänglich war, schienen in Ordnung. Aber das sollten eben Ausnahmen bleiben. Das Schlafzimmer war nicht ihr Kinderzimmer und so sollte es auch bleiben.
Zu seiner Verzweiflung stellte er fest, dass sie durch die Schreierei schon wieder recht warm war.
Dem Fieberthermometer zu Folge hatte sie sich durch das Gebrüll tatsächlich auf 38..9 Grad hoch gefiebert.
Durch das Fiebermessen war sie nun wieder sichtlich aufgebracht, aber Jay legte sie zurück in ihr Kinderbett, nahm ihre kleine Hand und setzte sich vor die Gitterstäbe.
„Kya, ich bin hier. Ich gehe nicht weg. Ich verspreche dir das. Du brauchst keine Angst zu haben, aber du machst jetzt trotzdem die Augen zu, okay?"
Jay hatte einst einen Bericht über Eltern gelesen, die ihre Kinder sedierten und ertappte sich nur kurz darauf, wie er diese Menschen für einen Bruchteil von Sekunden verstand. Denn mittlerweile war es verdammt anstrengend geworden. Es ging an die Kräfte. Mental und auch körperlich, denn die Kleine war eben immer da. Eine Pause von seinem Job als Vater hatte er nicht. Allmählich begriff er was Natalie Manning damit meinte, wenn sie ihm immer wieder verdeutlichte, dass Kinder ein Vollzeitjob waren.
Irgendwann, Jay döste mittlerweile selbst immer wieder weg, hatte Kathryn die Augen geschlossen und war eingeschlafen. Halstead riskierte einen weiteren Blick auf sein Smartphone.
Es war kurz nach 3 Uhr. Am Morgen! In 3 Stunden würde er schon wieder aufstehen müssen. An sich war er kurze Nächte gewohnt. Das Problem schien nur, dass sich diese Nächte mittlerweile aneinander reihten. Und Jay dadurch dauerhaft übermüdet war.
Völlig ausgelaugt schloss er eine weitere halbe Stunde später erschöpft die Augen. Ob jemals andere Zeiten kommen würden? Er wusste es nicht.
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„Schön, dass Sie kommen konnten", begrüßte die Kinder und Jugendtherapeutin Jay nur wenige Tage später, als er das Therapiezimmer betrat.
Es war die erste Sitzung bei der Therapeutin und gleichzeitig das erste Mal bei dem er Kathryn allein bei Erin gelassen hatte. In der ersten Therapiestunde wollte die Frau allein mit ihm reden, um näheres über den Hintergrund zu erfahren, weshalb er hier war.
„Hat das mit dem Babysitting gut geklappt?", erkundigte sie sich noch einmal Anteil nehmend. Jay nickte bestätigend mit dem Kopf.
„Meine Kollegin passt gerade auf sie auf."
Jay setzte sich, die Frau lächelte Halstead freundlich an.
„Dann erzählen Sie mal ein wenig. Wir hatten uns am Telefon ja bereits darüber unterhalten, dass es wichtig ist, dass Sie Ihrer Tochter gegenüber möglichst stabil erscheinen, wenn wir mit der Therapie bei Kathryn starten, weil die Kinder ansonsten ihre Eltern schützen und sich nicht auf die Behandlung einlassen. Wie Sie wissen, arbeite ich mit dem Ansatz der integrativen Bindungsoroentierten Traumatherapie. Wir nennen das Traumaexposition mit bilateraler Stimulation. Dadurch, dass den Babys und Kleinkindern die Trauma auslösenden Situationen noch einmal aus Perspektive der Eltern geschildert werden, wird ein Verarbeitungsprozess angestoßen. Wichtig ist dabei, dass sie nichts auslassen und schonungslos ehrlich sind. Aber zunächst möchte ich erst einmal erfahren, was genau vorgefallen ist und wie Sie das Geschehen reflektieren."
Jay faltete nervös die Hände ineinander, dann sah er mit ernster Miene auf die Therapeutin.
Zum allerersten Mal würde er darüber sprechen. Wie er selbst das verkraften würde, war ihm in diesem Moment noch gar nicht klar.
Aber er wusste, dass kein Weg daran vorbei führte. Er tat es für Kathryn und irgendwie auch für sich selbst.
Erwartungsvoll sah Mrs. Stanford auf ihn. Dann begann er stockend zu reden.
„Ich war noch in Bolivien als der Anruf kam. Als Soldat, ich habe ein Squadteam von Männern geleitet, die bei einem Anti-Drogenkriminalität gegen Maffiabosse vorgeht. Beim letzten Mal als ich mit Hailey telefoniert hatte, habe ich dann erfahren, dass ich Vater werde. Ehrlich gesagt, hatten wir uns auseinander gelebt. In den vergangenen Monaten habe ich mich immer mehr in der Arbeit verkrochen, bis ich dann plötzlich meinen ehemaligen Vorgesetzten am Telefon hatte. Er erzählte dann, dass meine Frau auf dem Weg zur Arbeit gewesen ist, um einen Zeugen zu vernehmen. Eigentlich hätte sie gar nicht dort sein dürfen, aber sie hatte schon immer einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn", sagte er mit leiser zitternder Stimme und setzte nach einer Pause mühsam fort.
„Jedenfalls war sie auf dem Weg zu dieser Befragung, als auf sie geschossen wurde. Dave O'Neil hieß der Mann, der sie direkt in den Kopf getroffen hat. Glücklicherweise waren gleich zwei Sanitäter ganz in der Nähe, die relativ schnell eingeschritten sind und sie zeitnahe ins Krankenhaus bringen konnten. Man hat Hailey ins künstliche Koma versetzt, quasi beatmet und zeitgleich Kathryn per Kaiserschnitt geholt. Die Kleine hat das alles ohne körperliche Folgeschäden verkraftet. Aber Hailey war zu diesem Zeitpunkt bereits hirntot, sodass man kurz darauf die Geräte abgestellt hat. Sie hatte keine Chance."
Anteil nehmend sah die Frau auf Jay, nickte dann ernst.
„In welchem Monat war Ihre Frau schwanger?"
„Mitte des neunten Monats, soweit ich weiß. Wie gesagt, ich habe von der Schwangerschaft erst kurz davor erfahren."
„Und wie war Ihre Reaktion?"
Jay, den die Frage etwas aus der Fasssung brachte, dachte kurz nach, dann zuckte er mit den Schultern.
„Ganz ehrlich? Ich war erst einmal total überrannt. Und gleichzeitig auch wütend, weil sie mir davon erst viel zu spät erzählt hat."
Er druckste zunächst herum. Dann gab er es aber doch zu.
„Na, ja zugegeben, es war auch meine Schuld. Ich habe einige Zeit nicht auf ihre Anrufe reagiert."
„Was heißt einige Zeit?"
Jay zuckte kleinlaut mit den Schultern. Dann gestand er es leise ein.
„8 Monate? Es klang eher nach einer Frage, nicht nach einer Antwort. Die Therapeutin rümpfte ihre Nase, notierte etwas auf ihrem Klemmbrett.
„Okay, dann waren sie von einem auf den anderen Tag mit Ihrer Vaterschaft konfrontiert. Wie war die erste Zeit mit einem Baby? Ich stelle mir das unglaublich anstrengend vor. Mit wenig Zeit zum trauern."
Jay nickte angespannt mit dem Kopf.
„In der Anfangszeit habe ich nur noch funktioniert", gestand er leise und langsam kamen die mühsam aufgestauten Tränen zum Vorschein.
„Mein Bruder hat mich unterstützt, aber mit Kya hatte ich einfach wenig Zeit, um nachzudenken. Anfangs war ich noch bei der Army und bin später zurück in meinen alten Job gewechselt. Mein alter Chef hat mir das Angebot gemacht und auch ziemlich viel Rücksicht genommen. Trotzdem ist es manchmal so verdammt hart."
Sie sah ihn einfühlsam an, während sich Tränen in seinen Augen gesammelt hatten.
„Wenn die Kleine krank ist oder weint und abends einfach nicht einschlafen will."
Die Therapeutin nickte.
„Das war ja der Anlass, weshalb Sie hier her gekommen sind."
In Jays Hals hatte sich ein Kloß gebildet. Noch schaffte er es diesen zu verdrängen, aber dies sollte nicht von Dauer sein.
„Kathryn weint mittlerweile jeden Abend. Am Anfang war noch alles gut. Da hatte sie nur ab und an diese 3 Monatskoliken, aber seit ein paar Wochen schreit sie abends und lässt sich dabei kaum beruhigen. Sie will dann in mein Bett und wenn ich sie da schlafen lasse, wird das auch besser. Aber das ist ja keine Dauerlösung. Ich weiß einfach nicht, was ich noch mit ihr machen soll."
Und dieses Mal kamen die Tränen tatsächlich.
Die Therapeutin sah ihren neuen Klienten mitfühlend an, hielt ihm schließlich die Packung mit Taschentüchern entgegen.
Obwohl Jay unangenehm schien, dass er vor der Frau weinte, fühlte es sich auf eine gewisse Weise gut an nach langer Zeit den Emotionen freien Lauf zu lassen...
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eternity (Chicago PD fanfiction)
FanfictionJay ist im Auslandseinsatz in Bolivien als er von Haileys Tod erfährt. Nachdem Upton auf dem Weg zur Arbeit angeschossen wurde liegt sie im Koma, erleidet schließlich einen Herzstillstand. Nur durch Zufall überlebt das Baby, das sie im Bauch trägt...