like a bad dream (part 1)

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Jay saß gerade in der Vernehmung mit einem Straftäter, als die Tür aufging und Lindsay in den Raum trat.

„Ich übernehme. Du hast einen wichtigen Anruf bekommen", sagte sie mit ernster Miene und machte eine vielsagende Kopfbewegung nach draußen.

Halstead, der sofort ahnte, worauf es hinaus lief, stand ruckartig nach oben auf. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck auf dem Gesicht trat er aus dem Raum, wo er im Zwischenzimmer vor der Glasscheibe des Verhörraums unmittelbar auf Voight traf.

„Halstead, das Med hat eben angerufen. Kathryn ist beim Sport zusammengebrochen. Du solltest sofort ins Krankenhaus fahren."

Jay, der bisher noch sehr ruhig gewesen war, bekam sofort einen Blutdruck, der jenseits von gut und böse war. Bei seiner Tochter verstand er keinen Spaß. In letzter Zeit hatte die 13 Jährige zwar schlechter gegessen und wirkte müde oder unausgeschlafen, aber er hatte sich bislang keine großen Gedanken gemacht, es stattdessen auf das Wachstum geschoben.

Immerhin war Kya mitten in der Pubertät und in den vergangenen Monaten spürbar gewachsen.

Natürlich setzte er sich sofort in Bewegung.
Im Gaffneys lief er sofort auf die Anmeldung zu, um sich anzukündigen.
Er war nervös, brachte Maggie sogleich die wichtigsten Worte entgegen.

„Kathryn wurde eingeliefert. Mein Chef hat mir nur gesagt, dass sie beim Sport umgekippt ist. Was zur Hölle ist passiert?"

Maggie sah den Detective besorgt an, machte dann eine vielsagende Geste in Richtung Notaufnahme.

„Ich sage Will Bescheid, dass du da bist. Ich bin gleich wieder bei dir."

Nervös trat Jay von einem auf das andere Bein. Momente wie dieser, machten ihn innerlich wahnsinnig.
Hätte er sich vor 13 Jahren doch nicht einmal träumen lassen, dass er um sein eigenes Fleisch und Blut so sehr in Sorge sein konnte.

Schließlich öffnete sich die Tür zur Notaufnahme und Will kam im roten Arztkittel nach draußen.

„Was war los? Voight hat mir lediglich mitgeteilt, dass Kya umgekippt ist. Sag ehrlich, wie ernst ist es?", bombardierte Jay seinen Bruder sogleich mit Fragen. Doch der sah alles andere als begeistert aus.
Zumindest schaute Will gerade nicht, als ob es sich um eine Lappaille handeln würde.
Der Ältere seufzte, sah Jay mit eindringlichen Blicken an.

„Komm mal mit nach nebenan. Das ist nichts, was man zwischen Tür und Angel bespricht", machte der Rothaarige seinem kleinen Bruder klar, dem spätestens jetzt richtig mulmig zu mute wurde. Die Tatsache, dass ihm Will einen Stuhl anbot, sollte es nicht besser machen.
Letztendlich begann er stockend zu sprechen.

„Machen wir es kurz. Wenn ich es nicht so genau besser wüsste, würde ich annehmen, dass Kathryn bei euch nicht genug zu essen bekommt. Sie hat Untergewicht und viele ihrer Werte deuten darauf hin, dass sie auch unterernährt ist. Wärst du nicht mein Bruder, würde ich sofort das DCFS einschalten."

„Was??!!"

Jay dachte für einen Moment, dass er selbst aus den Latschen kippte. Vermutlich war genau das der Grund, weshalb Will darauf bestanden hatte, dass er sich setzte.

„Aber das kann nicht sein. Sie hat bei uns immer genug zu essen mitbekommen. Was glaubst du eigentlich, was ich für ein Vater bin?", brachte Jay entsetzt seinem Bruder entgegen und schüttelte ungläubig auf sich deutend mit dem Kopf.

„Theoretisch hat sie das, ja. Praktisch denke ich nicht, dass das Essen auch in ihrem Bauch angekommen ist. Warum auch immer. Wir haben diese Werte normalerweise bei jungen Mädchen mit Anorexie im Anfangsstadium. Sie macht das noch nicht lange. Vermutlich ein bis zwei Monate, aber im Alltag bekommt man das oft nicht mit. Die Mädels sind oft perfekt darin, das zu verstecken. Und gerade wenn ihr wenige Mahlzeiten zusammen einnehmt, hat das viel Potenzial unentdeckt zu bleiben."

Jay sah geschockt auf seinen Bruder. Er hatte sichtliche Probleme zu begreifen, was hier vor sich ging.

„Anorexie bedeutet Magersucht. Und das in keiner leichten Form", erklärte Will.

Der Detective sank regelrecht auf seinem Stuhl zusammen. Die Information musste er erst einmal sacken lassen.

„Jetzt bleibst du erstmal ganz ruhig. Die Werte sind noch nicht so besorgniserregend, dass sie jeden Moment tot umfällt. Wir haben hier schon ganz andere Fälle gehabt. Sie sind auffällig. Nicht mehr und nicht weniger."
Jay sah den Rothaarigen alarmiert an. In seinem Kopf lief alles durcheinander. Er wusste kaum, was er jetzt mit den Informationen anfangen sollte.

„Und was macht ihr jetzt mit ihr?"
Will druckste herum. Die Optionen klangen hart, aber es würde ihnen nichts anderes übrig bleiben.

„Bevor wir härtere Geschütze auffahren, müssen wir erst einmal mit Kathryn reden. Bisher hat sie sich sehr bedeckt gehalten. Ich würde dann Natalie dazu holen, damit sie begreifen kann, wie ernst die Lage ist. Zeigt sich Kya kooperativ, behalten wir sie für 3 Tage hier und verfolgen ein scharfes Ernährungsprogramm. In der Zeit ihres Aufenthalts muss sie mindestens 6000 Kalorien zunehmen. Eher wird sie nicht entlassen. Schafft sie das in den drei Tagen nicht, hast du die Option einer künstlichen Ernährung. Solange sie noch nicht 18 ist, kannst du das bestimmen."

„Und das bedeutet was?"

„Magensonde, die ihr zwangsweise die Nahrung zuführt. Dann holt ihr Körper auf diesem Weg den Nährstoffverlust auf."

„Und warum macht ihr das nicht gleich?"

„Weil man nicht sofort mit Kanonen auf Spatzen schießen kann und uns Dr. Charles aus psychologischer Sicht erst einmal den Tipp gegeben hat, auszutesten wie stark ihr Leidensdruck ist."

„Das bedeutet, sie hat Magersucht? So heißt das doch, wenn jemand bewusst nichts mehr isst?"

„Das ist jetzt noch keine feste Diagnose. In dem Alter kann man die ohnehin nicht so einfach stellen. Im Moment befindet sie sich noch in der Anfangsphase. Aus welchen Gründen auch immer. Wenn der Körper sich nämlich daran gewöhnt, wird der Stoffwechsel automatisch herunter gefahren. Das hat bei entsprechender Anfälligkeit ein gewisses Suchtpotenzial."

Jay war erschüttert. Fassungslos schüttelte er mit dem Kopf.

„Aber woher kommt das so plötzlich? Was haben wir falsch gemacht? Sie war doch immer ganz normal?"

„Ich bin kein Psychologe oder Psychiater, aber wenn sich das bewahrheitet, dann solltet ihr dringend mit einem reden."

Jay sah seinen Bruder verbissen an, dann nickte er verstehend mit dem Kopf.


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Nur eine Stunde später folgte die Moralpredigt der besonderen Art. Will und Jay hatten sich gemeinsam mit Natalie in Kyas Zimmer versammelt.

Die 13 Jährige hockte in ihrem Bett und hörte über die Kopfhörer Musik, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Etwas unsanft nahm ihr Jay das Equipment ab, nachdem er den Raum betreten hatte, sah sie dementsprechend ernst an.

„Wir müssen reden. Jetzt", verschränkte er die Arme vor der Brust und stellte sich neben Natalie und Will, die Kathryn nicht weniger vorwurfsvoll taxierten.

Kya sah die Erwachsenen genervt an. Als sie die Gesichtsausdrücke verfolgte, wurde sie dennoch kleinlaut, legte die Kopfhörer auf ihren Nachttisch.

Will begann zu sprechen, hielt ihr ein Blatt Papier entgegen, das offenbar ihre Blutwerte zeigte.

„Du bist hier eingeliefert worden, weil du zusammen gebrochen bist. Tante Natalie hat dir Blut abnehmen lassen. Und das sind deine Werte. Dein Kaliumspiegel, dein Hämatokriwert, deine Schilddrüsenhormone, dein Blutzucker, Kalzium und Phosphor. Alles viel zu niedrig. Und das ist erst der Anfang, denn du bist 10 Kilogramm unter dem Wert, der für dein Alter und deine Größe normal gewesen wäre. Mit anderen Worten, du hungerst. Und wenn du so weiter machst, wie bisher, dann hungerst du dich zu Tode."

Ihr Lächeln erstarb. Kya schluckte schwer, wich aber den Blicken ihres Onkels aus.

„Kathryn, Hand aufs Herz. Warum isst du nichts mehr? Warum machst du solche Diäten? Das ist lebensgefährlich, das ist dir schon klar?"

Sie druckste herum, wich den Blicken ihres Onkels aus und traute sich niemanden der Erwachsenen anzusehen.

„Sich im Wachstum und in deiner Konstitution herunter zu hungern kann ganz schnell ins Auge gehen. Es geht nicht, dass du nichts isst. Sprich mit uns, was soll das?"
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie sagte nichts.

Doch Will hatte seine Ansprache noch nicht beendet.

„Ich kann dir ganz genau sagen, was als nächstes passiert, wenn du so weiter machst. Deine Haare fallen aus, du bekommst Herz-Rhythmusstörungen, dir ist dauerhaft kalt. Deine Zähne fallen aus. Durch Anorexie zu sterben ist ein ganz jämmerlicher Tod. Und ich garantiere dir, so willst du nicht enden. Nicht mit 13."

Stumm liefen ihr mittlerweile die Tränen aus den Augen. Mittlerweile wurde auch Jay schwach.

„Kathryn, rede mit uns. Was ist los? Warum machst du das? Onkel Will sagt das nicht aus Spaß. Wir machen uns Sorgen um dich."

Aber sie weinte nur.

Natalie fasste sich ein Herz, setzte sich auf ihr Bett und strich ihr über die Schulter.

„Mäuschen, das geht so nicht mehr weiter. Mit Untergewicht ist nicht zu spaßen."
Offenbar war das der entscheidende Punkt, denn sie rückte unter lautem Schluchzen mit der Sprache heraus.

„Die anderen haben gesagt, ich wäre zu fett und hätte Babyspeck. Ashley und ihre Clique. Ich wollte einfach nur wie die sein. Die haben Größe XS. Die passen in die besten Jeans rein."
Natalie und Jay tauschten sich betroffene Blicke aus.

„Kya, um dazuzugehören ist das nicht der richtige Weg. Außerdem sollte man sich nie für irgendwen verbiegen, nur um anderen zu gefallen. Du bist nicht Ashley Jefferson. Du bist Kathryn Halstead. Und dich dafür so herunter zu hungern, dass du denen gerecht werden kannst, kann nicht das Ziel sein. Und eigentlich weißt du das auch", machte ihr Jay klar, ehe Natalie fortsetzte.

Sie zuckte nur belanglos mit den Schultern.

„Anorexie ist eine wahnsinnig gefährliche Krankheit. Daran sterben jedes Jahr tausende von jungen Mädchen."

„Aber ich bin doch wirklich viel zu fett. Die anderen machen das auch."

„Nichts mehr essen? Das glaube ich wohl kaum. Ashleys Mutter würde ihrer Tochter Licht ans Fahrrad machen, wenn sie nichts mehr isst", entgegnete Jay, doch Kya hatte sofort die passenden Worte parat.

„Aber die ernährt sich vegan, zählt ihre Pfunde oder geht joggen."

„Ja, du hast es erfasst. Die ernährt sich vegan. Das heißt aber nicht, dass sie überhaupt nichts mehr isst. Und genau das ist der kleine Unterschied. Die nehmen vielleicht ab, das heißt aber nicht, dass sie gar nichts mehr essen. Außerdem bist du schon von Natur aus viel zu zierlich und dünn, weil deine Mom ebenfalls sehr schlank war", machte ihr Jay unmissverständlich klar.

„Wie auch immer. Egal wie wir es drehen oder wenden. Nimmst du nicht zu, hat das Konsequenzen und die können wir als deine Ärzte oder dein Dad als dein Vater solange du nicht 18 bist auch ohne deine Zustimmung durchsetzen", sagte Will jetzt etwas strenger. Kya wurde leicht panisch.

„Was heißt das jetzt?"

„Magensonde. Entweder du nimmst in den nächsten 3 Tagen 6000 Kalorien zu oder wir lassen dich künstlich ernähren."

Die 13 Jährige verengte die Augen zu Schlitzen.

„Das könnt ihr nicht machen."

„Oh doch. Du wirst dich wundern, was wir alles können", bestätigte Will, was Jay mit strenger Miene bekräftigte.

„Das Ultimatum steht. 6000 Kalorien bis übermorgen Abend."
Kathryn begann wieder stärker zu schluchzen. Es zerriss Jay das Herz, aber er wusste, dass er hier mit Streichelpädagogik nicht weiter kam.

Mit finsteren Blicken verließen sie schließlich das Zimmer...

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„Gott, was sind das denn für Mitschülerinnen, die den ganzen Tag ihre Pfunde zählen?", fragte Jay am gleichen Tag entsetzt an Erin gewandt, als sie vom Krankenhaus nach Hause fuhren.

Auch Lindsay hatte Kathryn nicht umstimmen können. Obwohl Kya Ernst der Lage mittlerweile bewusst war, hatte Erin kaum ein Gefühl dafür, dass sie sich bereits in fragwürdigen Ebenen bewegte, was ihr Gewicht anging. Eine gefährliche Tatsache, die der 13 Jährigen schnell zum Verhängnis werden konnte.

„Sie ist in einer schwierigen Phase und sehr labil. Ich hab mir die Mädchen aus ihrer Klasse auf einem Foto angesehen. Von der körperlichen Entwicklung sind die schon viel weiter als sie. Die haben schon einen richtigen Busen. Da hinkt sie sichtlich hinterher."

„Das wird sich aber nicht ändern, wenn sie nichts mehr isst. Oder sagst du mir jetzt, dass du das normal findest und das in ihrem Alter auch gemacht hast?"

„Jay, niemand hat hier behauptet, dass das normal ist. Nur, schau dich mal um. Die Medien suggerieren den Mädchen von heute permanent, dass sie einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen sollen. Da will Kya mithalten können, übersieht dabei aber ihre eigenen körperlichen Voraussetzungen. Diese Ashley ist viel kleiner und hat demzufolge auch ein anderen Bodymassindex. Es ist für Mädels heutzutage unglaublich schwer, eine eigene Autonomie auszubilden, wenn sie von den Medien dauerhaft mit Schönheitsidealen bombardiert werden. Besonders wenn die anderen schon ihre Tage oder ein Dekolletee wie eine 20 Jährige haben."

„Aber das hat ihr bisher doch nie Probleme gemacht. Sie war selbstbewusst, sie konnte ihr Ding machen."

„Ja, aber durch den unterschiedlichen Entwicklungsgrad ist sie das vielleicht nicht mehr. Mit 13 will man mithalten können. Da geht's um die Rolle in der Peer-Group. Um Anerkennung, um die Stellung in der Gruppe. Da orientiert man sich an dem, was die Medien vorgaukeln. Mit 13 wiegt Kritik nun mal schwerer als mit 46."
Jay nickte verstehend mit dem Kopf.

„Aber sie künstlich ernähren zu lassen. Ich weiß nicht."
Er druckste herum, seufzte dann schwer.

„Ist das wirklich der Weg, den wir gehen sollten?"
Erin zuckte mit den Schultern.

„Für sie wäre es der Warnschuss, den sie jetzt vielleicht braucht. Und sei mal ehrlich, was ist die Alternative, wenn sie das Essen nicht annimmt? Ich denke, sie braucht eine gute Therapie, um den Auslöser herauszufinden, warum sie plötzlich so einknickt, was den Selbstwert anbelangt. Um sie stark zu machen. Damit sie begreift, dass sie einzigartig ist und sich für niemanden verbiegen muss."

Jay stellte den Wagen ab, sah verbissen auf das Wohnhaus in dem sie lebten.

„Trotzdem, ich hab so verdammte Angst. Was ist, wenn das noch weiter abdriftet? Wenn sie zu uns das Vertrauen komplett verliert und sich in den Tod hungert."

Erin schüttelte mit dem Kopf.

„So weit sind wir ja noch nicht. Sie steckt jetzt in einer gefährlichen Phase. Wenn man nicht den Draht zu ihr verliert, kann man das Steuer vielleicht noch umreißen."

„Hoffentlich hast du recht", sagte er leise, ehe er auf das Foto sah, das Kathryn an seinem Schlüsselanhänger als 6 jähriges Mädchen zeigte. Warum wurden die Sorgen einfach nie kleiner und stattdessen eher größer?

eternity (Chicago PD fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt