Kapitel 41

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Im Atrium angekommen, war es verdächtig ruhig. Aber was hatte ich auch erwartet? Das Ministerium hatte bereits geschlossen, die Angestellten waren bereits nach Hause gegangen und der Sicherheitsdienst war chronisch unterbesetzt.

Von Sirius war weit und breit nichts zu sehen und so machte ich mich direkt in die Mysteriumsabteilung. Es gab nur einen Grund, weshalb Voldemort Harry hier eine Falle stellen würde.

Je weiter mein Weg nach unten führte, desto mehr Geräusche kamen mir entgegen. Ich entdeckte einen Todesser, der einen Babykopf hatte. Er irrte verwirrt brabbelnd durch einen Gang. Um auf Nummer sicher zu gehen, schockte ich ihn. Er sollte zwar keine Gefahr darstellen, doch solange ich nicht wusste, was ihm passiert war, war er ein Risiko. Und das wollte ich nicht eingehen.

Ich folgte den Stimmen immer weiter, bis ich auf die ersten Jugendlichen stieß. Dieser Kampf war eine Nummer zu groß für sie und sie sahen ziemlich ramponiert aus. Ein mir unbekanntes, blondes Mädchen lag bewusstlos an eine Wand gelehnt. Ich hockte mich vor sie und tastete nach ihrem Puls. Er war regelmäßig, wenn auch etwas schwach. Ich öffnete eine der Türen und legte sie behutsam in den Raum.

Da sie auf keinen Zauber hin wach wurde, konnte es sich um keine Verwünschung handeln. Allein lassen wollte ich sie auch nicht. Während ich noch am Überlegen war, was ich tun sollte, löste sich dieses Problem von selbst.

Ein panisch aussehender Neville Longbottom kam mir entgegengerannt.

„Hey, Neville, hier rein", wisperte ich.

Verängstigt blieb er stehen und schaute mich skeptisch an.

„Wer bist du?", fragte er zaghaft. Wirklich überrascht, dass er mich nach meinem Einsatz in Hogwarts wieder vergessen hatte, war ich nicht. Ich hatte genügend Geschichten über sein kaum vorhandenes Erinnerungsvermögen gehört. Eigentlich tat er mir leid und ich hatte bereits darüber nachgedacht, ob es eine unterbewusste Traumabewältigung war, doch so gut kannte ich mich mit dem menschlichen Geist auch nicht aus. 

„Ein Ordensmitglied", meinte ich vage.

Es schien zu reichen und Neville betrat die Kammer.

„Luna", keuchte er, als er das blonde Mädchen sah.

„Du kennst sie?", fragte ich überflüssigerweise.

„Ja, das ist Luna. Sie ist mit uns hier her gekommen", erklärte er.

„Gut, Luna ist bewusstlos. Ich bekomme sie nicht wach, aber sie lebt. Du bleibst bei ihr. Schließ die Tür und verhalte dich ruhig. Dann sollte euch keiner finden."

Damit machte ich mich wieder auf den Weg.

Ich folgte den Stimmen und bugsierte zwischendurch eine desorientiert wirkende Ginny und eine kampfunfähige Hermine zu Neville.

Wie viele Kinder liefen hier denn noch rum?

Schließlich erreichte ich die Leute, die ich suchte. Eine kleine Delegation aus Ordensmitgliedern war den Kindern zu Hilfe geeilt. Bevor ich mir einen Überblick verschaffen konnte, wurde ich bereits angegriffen.

„Hey, Armstrong", grinste mich mein Gegenüber an.

Er hatte dunkle Haare, die in losen Strähnen herunterhingen und einen beginnenden Vollbart, doch am meisten stachen seine blauen Augen hervor.

„Avery", stieß ich verblüfft aus. Mit ihm hatte ich nicht gerechnet.

„Freust du dich, mich zu sehen?" Ein widerliches Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

„Könnte mir nichts schöneres vorstellen", gab ich sarkastisch zurück. Stumm jagte ich einen Fluch auf ihn, doch er schaffte es im letzten Moment, diesem auszuweichen.

„Das war aber jetzt nicht nett", sprach er tadelnd, aber immer noch grinsend.

„Schade, ich dachte, du stehst auf die Sorte Willkommensgeschenk."

Nun war es an mir, einen seiner Flüche zu blocken.

„Immer noch so gut wie früher. Aber das war mir klar, bei der Karriere, die du hingelegt hast. Kaum zu glauben, dass du dich von deinem Schicksalsschlag erholt hast."

Wut stieg in mir auf. Avery war einer der wenigen, wirklich engen Freunde gewesen, die Barty hatte, bevor wir zusammengekommen waren. Ansonsten hatte Barty meist von Bekannten gesprochen.

„Du Arsch!", stieß ich hervor.

Avery lachte. „Ach, komm, Kate. Es ist eine Schande, was damals mit euch passiert ist. Wobei ich mir immer noch sicher bin, dass wir dich in unseren Reihen hätten, wäre Barty nicht erwischt worden. Er hätte dich bestimmt dazu geholt."

Es war keine Wut mehr, die mich antrieb, sondern rasender Zorn, der mich beherrschte. Avery schien es in meinem Gesicht ablesen zu können.

„Weißt du eigentlich, dass dein Herzallerliebster nicht tot ist?"

„Ach, nein?", stieg ich in sein Spiel ein.

„Der Lord hat es uns erzählt. Barty hat da weiter gemacht, wo er aufgehört hat. Die rechte Hand des Lords, keiner war demütiger ihm gegenüber." Das widerwertige Grinsen schien auf seinem Gesicht festgemeißelt zu sein, denn es verschwand bei keinem seiner Flüche oder Ausweichmanöver, auch nicht, wenn er sprach. Mich zu quälen und leiden zu sehen, schien ihm wahre Freude zu bereiten.

Ich stockte in der Bewegung. Ausgerechnet jetzt schien ich endlich etwas über Bartys Zeit bei den Todessern erfahren zu können.

Avery genoss mein Zögern und erzählte sichtlich glücklich weiter: „Dein Geliebter hat ordentlich was auf dem Kerbholz. Aber von nichts kommt nichts, nicht wahr? Er hat ordentlich geackert, um die Nummer zwei zu werden. Die einzige, die ihm das Wasser reichen konnte, war Bellatrix. Doch leider wissen wir nicht, wo er ist." Avery ließ die Schultern gespielt traurig hängen. „Wir könnten ihn gebrauchen. Seine Ideen, seine Durchsetzungskraft und vor allem seinen Tatendrang."

Das reichte mir. Ein Schalter in meinem Kopf legte sich um und entgegen meiner Erziehung schleuderte ich ihm den Cruciatus Fluch entgegen. Sofort fiel er zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen.

Als ich über ihm stand, schoss sein Blick zu mir und er begann zwischen seinen Schreien zu lachen. Es war ein Lachen voller Wahnsinn und Geisteskrankheit.

Durch meine geistige Abgelenktheit endete der Fluch, doch Avery war nicht in der Lage aufzustehen.

„Ernsthaft, Schätzchen, du wärst eine Bereicherung gewesen."

Ich widerstand dem Drang, ihm ins Gesicht zu treten und belegte ihn stattdessen mit der Ganzkörperklammer.

Dann setzte ich meinen Weg fort. Doch Averys Bemerkungen ließen mich nicht mehr los. Sie geisterten durch meinen Kopf und lösten immer mehr Fragen aus. Konnte ich Barty jemals wieder vertrauen? Er war die Nummer zwei? So deutlich hatte er es noch nie ausgesprochen. Es war schlimmer, als alles, was ich mir ausgemalt hatte. Wie konnte er in zwei Jahren nur zur Nummer zwei aufgestiegen sein? Was hatte er alles getan, um dahin zu kommen? Tränen brannten in meinen Augen. Am liebsten wäre ich einfach an der Wand hinabgesunken und hätte all meinen Ängsten und Befürchtungen freien Lauf gelassen, doch ich hatte eine Aufgabe.

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