Chapter 17

753 15 0
                                    

Ana

Jasmin, Raphael und ich betraten die Bar. Es war nichts Außergewöhnliches, diese Bar sah aus wie so viele andere auch, nur servierte dieser hier seeehr viel mehr Cocktails als die anderen, die wir kannten.

Wir suchten uns einen Platz in einer Ecke und so weit wie möglich weg von anderen Leuten. Da waren wir uns einig.

Jasmin und ich bestellten uns sofort zwei ausgefallene Cocktails, während Raphael bei seinem üblichen Bier blieb.

„Langweilig!" rief ihm Jasmin zu, die sofort durch seinen Blick still wurde.

Jasmin bedankte sich nun schon sicher zum 10. Mal bei mir und sie berichtete Raphael noch alle Einzelheiten zu dem Fall. Zudem wollte sie noch alle Einzelheiten von meinem Gespräch mit Herr Mayer wissen. Im Großen und Ganzen erzählte ich ihr alles, seine persönlichen Beleidigungen ließ ich weg. War nicht notwendig, das jetzt hier breitzutreten, wenn er sowieso in seine Schranken zurückgewiesen wurde.

Auch mit Raphael hier zusammenzusitzen und sich über Alltägliches zu unterhalten, fing ich an als angenehm zu empfinden. Er versuchte wenigstens sich an unseren Gesprächen zu beteiligen, auch wenn man ihn extra dazu auffordern musste.

Als der Kellner gerade unsere zweite Runde an den Tisch brachte, läutete ein Handy.

„Sorry Leute, da muss ich rangehen." entschuldigte sich Jasmin und verließ kurz darauf die Bar, um draußen in Ruhe telefonieren zu können.

Nun saßen wir da. Ganz allein. Ohne Jasmin, die bis jetzt ganz gut als unser Bindeglied agierte.

Raphael saß mir gegenüber mit seinem Bier in der Hand. Er schaute mich an, anscheinend empfand er die Stille zwischen uns als angenehm. Er wirkte gelassen.

Ich hingegen redete gerne. Und viel. Selten, dass ich mit Leuten, egal ob bekannte oder fremde, ins Schweigen verfiel. Es gab immer irgendetwas zu besprechen. Also durchforstete ich mein Gehirn.

„Hm, findet heute nicht die große Sammelaktion des Unternehmens am Rathausplatz für das Erdbeben in der Türkei statt?" erkundigte ich mich neugierig. Er als Geschäftsinhaber wusste sicherlich darüber Bescheid.

Er richtete seine Augen auf mich. „Ja." gab er mir als Antwort. Einfach nur ‚Ja'. Wow. Er wirkte nicht schlecht gelaunt, es schien einfach seine Art zu sein, Dinge nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Ich hingegen war da anders. „Du als Geschäftsführer bist gar nicht dabei?" fragte ich ihn nun und hob dabei eine Augenbraue. Vielleicht kann ich ihm so etwas entlocken.

„Nein." gab er als Antwort.

Ich ließ mich in meinen Stuhl zurückfallen. Smalltalk war wirklich nicht seine Stärke. Wieso wollte er mich dann überhaupt dabeihaben, wenn er sowieso nicht reden wollte?

Ich drehte mich um und blickte zum Eingang, um zu sehen, ob Jasmin schon zurückkam.

„Ich habe gerade Urlaub." gab er plötzlich preis. Ich drehte mich wieder zu ihm und musterte ihn.

Na also, das war doch schon mal was.

„Urlaub? Ein Geschäftsinhaber hat sowas?" warf ich ihm zurück, packte aber einen Hauch Sarkasmus mit ein und formte meine Lippen zu einem Grinsen.

Ein leises kurzes Lachen entkam ihm, bevor er antwortete „Ja, soll auch mal vorkommen."

Geht doch. Weiter.

„Erzähl mir mehr. Hast du was vor?" hakte ich interessiert nach und nahm mir dabei eine Erdnuss aus der Schale vor uns.

Er beobachtete mich. „Nichts Großes. Zeit mit meiner Familie verbringen, schätze ich." antwortete er mir ehrlich.

Eine schöne Antwort. Ich lächelte ihn an. „Da wird sich Jasmin aber freuen." gab ich zurück, bedacht darauf nicht seine restliche Familie anzusprechen. Familie war ein privates Thema. Ich möchte keine Linie überschreiten.

„Was machst du gerne in deiner Freizeit?" fragte nun er mich. Er behielt mich im Auge, als nun er sich eine Erdnuss schnappte.

Ich war überrascht von seiner direkten Frage, freute mich aber auch, dass er mich als Mensch interessant fand, und mehr über mich erfahren wollte.

„Hm, mal sehen. Wenn ich nicht gerade arbeite, vertreibe ich mir meine Zeit hauptsächlich mit Sport. Ich probiere gerne neue Dinge aus. Lass mich gerne von Leuten inspirieren, weißt du?" erzählte ich ihm von mir.

Er hörte mir aufmerksam zu. Er wirkte ernsthaft interessiert, was mich sehr freute, also erzählte ich weiter „Ich koche auch sehr gerne. Ich liebe essen." kicherte ich und schwärmte ihm von Oma's Schokoladenkuchen mit Kokosklasur vor.

Seine Gesichtszüge wurden weich, als ich ihm so intime Ausschnitte aus meinem Leben erzählte.

„Außerdem bin ich eine richtige Leseratte. Kein Buch ist vor mir sicher." ich lachte. „Von Action, über Dramen bis hin zu meinem absoluten Lieblingsgenre: Fantasy."

Amüsiert hob er eine Augenbraue hoch. „Fantasy?" fragte er nach, als ob er sich vergewissern müsste, dass er mich richtig verstanden hatte.

Ich nickte. „Ja. Das ist ja mitunter einer der wichtigsten und schönsten Aspekte des Lesens. Du tauchst in eine Welt ein, in der du dir alles so ausmalst, wie du es dir in deinem Kopf vorstellst. Du bist dein eigener Regisseur." Ich lächelte ihn an. „Wenn viele unterschiedliche Menschen das gleiche Buch lesen würde, und jeder davon das Buch in einem einzigen Bild zeichnen müsste, käme kein einziges Bild doppelt vor." versuchte ich ihm verständlich zu machen und war eigentlich zufrieden mit meiner Erklärung.

„Das ist das Schönste an Büchern. Für mich." fügte ich noch hinzu und sah ihn an.

Er studierte mein Gesicht. Das Ganze hat nun eine eher ernste und tiefgründige Wendung genommen, als eigentlich geplant war.

Um das Thema aufzulockern, fügte ich noch hinzu „Dann ist es im Grunde egal, ob es sich um normale Menschen wie dich und mich in einer Großstadt handelt oder um Magier, Drachen und Fabelwesen." Ich lachte, woraufhin er mich anlächelte.

Es war das erste Mal, dass ich ihn ehrlich lächeln sah.

Es war schön.


Mein verdammtes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt