Chapter 60

509 8 0
                                    

Ana

Die beiden vor uns waren Raphael's Eltern. Sofort richtete ich meinen Oberkörper auf, um eine schöne Haltung zu haben. Ich lächelte sie freundlich an.

Die Blicke der beiden hingen an uns. Sie wirkten überrascht, schon fast ungläubig, als ihre Blicke zwischen Raphael und mir hin und her wechselten.

Mir war's sofort klar - sie reagierten gleich wie Jasmin. Sie waren es nicht gewohnt, dass Raphael zärtliche Zuneigung einer anderen Person gegenüber zeigte. Er war meist verschlossen und nicht der gefühlvolle Typ. Ihn jetzt so in einem unserer Momente zu sehen und zu erleben, war neu für sie.

Ich spürte Raphael's Hand auf meinem Rücken, als er mir zu verstehen gab, dass wir zu ihnen gehen werden. Als wir vor ihnen zum Stehen kamen, sprach er. „Mama, Papa. Das ist Ana. Meine Freundin." stellte er mich den beiden vor.

Sein Gesicht gab nicht viel preis. Er verhielt sich nun wieder so wie immer, wenn Leute um uns waren. Seine Stimme klang ruhig. Als er fertig gesprochen hat, lagen die Blicke auf mir.

Zeig dich von deiner besten Seite, Ana.

„Hallo, freut mich euch kennenzulernen." Ich lächelte die beiden immer noch höflich an und reichte ihnen meine Hand. Raphael's Vater war der erste, der aus seiner Trance erwachte.

„Uns ebenfalls. Ich bin Johann. Wir haben schon viel von dir gehört." gestand er mir und schüttelte meine Hand.

Sie haben schon ‚viel' von mir gehört?  Von Raphael oder Jasmin?

Okay, Raphael redet nicht viel, also wahrscheinlich von Jasmin.

Raphael's Vater wirkte nett. Als ich in sein Gesicht blickte, konnte ich gewisse Ähnlichkeiten mit Raphael feststellen. Sie hatten die gleichen dunklen Augen und ähnliche Gesichtszüge beim Lächeln.

Mein Blick richtete sich nun auf die Frau daneben. Ihre Augen lagen noch musternd auf Raphael, bis sie sich plötzlich in meine Richtung drehte.

„Ana, ich bin Sabine. Schön, dich mal zu sehen." begrüßte sie mich freundlich und lächelte mich an.

Sie wirkten beide sehr lieb.

„Wie ich sehe, habt ihr bereits zu trinken." warf Raphael's Vater ein und blickte auf unsere vollen Gläser.

Da Raphael anscheinend meinte, es sei nicht nötig darauf zu antworten, da dies ja offensichtlich war, antwortete ich ihm stattdessen. „Ja, Tim hat vorher eine Runde für uns geholt." Mit freundlichem Gesichtsausdruck sah ich ihn an.

„Na sowas, dann werde ich uns auch noch ein Glas holen gehen." meinte Johann an seine Frau gerichtet. Er blickte auf seine Uhr am Handgelenk. „Ein bisschen Zeit haben wir ja noch." fügte er noch hinzu und machte sich auf den Weg zur Bar.

Sabine's Blick lag auf mir und grinste leicht. „Jasmin hat mir erzählt, dass du Anwältin bist?" erkundigte sie sich bei mir, ihr Blick neugierig.

Ich nickte nur und begann ihr alles von meiner Schullaufbahn bis zu meiner jetzigen Stelle als Anwältin bei ‚Quiops' zu erzählen. Nach kurzer Zeit kam Johann mit zwei vollen Gläsern wieder zu uns zurück. Beide lauschten interessiert, was ich ihnen erzählte. Bei gewissen Pausen warfen sie Fragen ein. Sie waren gespannt, welche Frau sich ihr Sohn aussuchte.

Ich fand es schön, dass sie solch Interesse an mir zeigten. Anscheinend kam es ja nicht alle Tage vor, dass Raphael von einer Frau erzählt, geschweige denn eine mitbringt. Das hat mir Jasmin verraten.

Unsere Gespräche verliefen angenehm. Als Johann mir gerade von einem seiner Geschäftspartner erzählen wollte, der gleichzeitig auch Kunde bei uns war, gesellten sich plötzlich Jasmin und Matt zu uns.

„Hey, Onkel Gustav hat mir erzählt, dass ihr hier seid." berichtete uns Jasmin, mit einem Glas in ihrer Hand.

Matt stand neben ihr. Als ich zu ihm hochsah, bemerkte ich, dass sein Blick bereits auf mir lag. Sein Ausdruck war aussagekräftig. Er wollte mir damit mitteilen, dass bei ihm bis jetzt alles gut verlaufen ist. Da ich mich seiner Meinung nur anschließen konnte, warf ich ihm den gleichen Blick zurück. Nun mussten wir beide leicht grinsen.

Bis jetzt schien also alles gut zu laufen. Ich werde sicher mit Matt mal darüber zu sprechen kommen.

Jasmin drängte sich an Matt vorbei, sodass sie neben mir stehen konnte. Sie legte mir einen Arm um meine Schultern und grinste breit. „Unsere Onkeln sind begeistert von dir." warf sie lachend in die Runde.

Ich merkte Sabine's Blick auf mir und Jasmin, als sie unsere Vertrautheit beobachtete. Nicht auf negative Art und Weise, sondern eher als wäre sie erstaunt darüber, wie nahe wir uns alle standen.

„Deine Pitbull-Geschichte hat Spuren bei ihnen hinterlassen." fügte sie schmunzelnd hinzu.

Nun begann auch Matt zu lachen, ich stieg mit ein.

Johann blickte verwirrt. Als er sich wahrscheinlich gerade nach dieser Geschichte erkundigen wollte, kam eine Frau mittleren Alters auf uns zu. Sie war professionell gekleidet und hatte ein Handy an ihr Ohr geklemmt.

„Bitte schön langsam auf den Weg machen. Die Trauung beginnt gleich." informierte sie uns und ging gleich zur nächsten Gruppe. Wir tranken unsere Gläser leer, stellten sie auf einen der Tische ab und machten uns auf den Weg zum Trauungsort.

Da wir uns mitten in den Bergen befanden und das Wetter und die Aussicht einfach herrlich waren, fand die gesamte Zeremonie draußen statt. Die Kulisse zeigte zierliche Holzstühle, die mit feinen Leinentüchern und bunten Blumen geschmückt war. Der Weg zum Altar war mit einem weiß-rotem Teppich ausgelegt, Lichter und Fackeln standen an beiden Seiten zur Zündung bereit. Im Hintergrund hatte man eine prächtige Sicht auf die umliegenden Berge.

Traumhaft schön.

Raphael nahm meine Hand in seine. Als ich zu ihm hochsah, lag sein Blick bereits auf mir. Er musterte mich. Er wollte sehen, ob es mir gut ging. Ich lächelte ihn zur Bestätigung an und drückte leicht seine Hand. Als er das merkte, breitete sich nun ebenfalls ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

Er führte mich durch den Weg zu den Sitzplätzen. Jasmin hielt uns zwei Plätze in ihrer Nähe frei. Neben ihr saß Matt auf der einen Seite, auf der anderen saß ihre Mutter mit ihrem Vater.

Die Reihe war voll, weswegen sich Raphael und ich die Reihe davor ganz außen hinsetzten. Sobald wir saßen, schnaufte Raphael tief aus, bevor er sofort nach meiner Hand griff und sie sich auf seinem Schoß legte, unsere Finger ineinander verschränkt.

Ich fühlte wieder dieses Kribbeln in meinem Bauch. Ich blickte zu Raphael, der mit einem neutralen Gesicht seinen Blick über die Leute schweifen ließ.

Auf andere wirkte er so unnahbar, während er hier neben mir saß und meine Nähe suchte.

Nach nur wenigen Minuten ertönte laute Orgelmusik und das Brautpaar erschien. Zuerst der Bräutigam Jonas mit seiner Mutter und anschließend Raphael's Cousine Linda mit ihrem Vater.

Die beiden passten gut zusammen. Sie strahlten sich gegenseitig an, als sich der Abstand zwischen den beiden immer weiter verkleinerte. Sie wirkten glücklich.

Unwillkürlich musste ich lächeln. Obwohl ich die beiden nicht kannte, freute ich mich für sie, dass sie ihr Glück ineinander gefunden haben. Auch Raphael lächelte. Zwar nur kurz, doch er lächelte.


Mein verdammtes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt