Chapter 66

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Ana

Nach dem gemeinsamen Abendessen genehmigten wir uns noch ein Glas Wein. Eigentlich nur die Damen, die Männer setzten sich mit Bier in den Händen nach nebenan ins Wohnzimmer und schalteten sich das ‚allzu wichtige' Fußballspiel ein.

Ess- und Wohnzimmer waren offen, also konnte man trotzdem bei Bedarf miteinander reden bzw. einander sehen.

Johann und Raphael setzten sich auf die Couch mit dem Rücken zu uns, während Matt auf dem Couchsessel daneben Platz genommen hat.

Ich saß direkt am Tischende, mir gegenüber Sabine und am Tischkopf Jasmin. Sie erzählten mir gerade den neuesten Gossip aus der Familie, sodass ich am aktuellen Stand war.

„Ja, stell dir vor, David hat ja Sarah letztes Jahr auch einen Heiratsantrag gemacht." begann Jasmin.

David war ein Cousin von Raphael und Jasmin, Sarah seine langjährige Freundin. Sie waren ebenfalls zur Linda's Hochzeit geladen, jedoch habe ich sie nicht kennengelernt. Es waren einfach zu viele Leute.

„Jetzt hat er die Verlobung aufgelöst und die Beziehung beendet, weil..." Jasmin konnte nicht weiterreden, da Sabine ihr fast schon hysterisch ins Wort fiel.

„WAS? NEIN!" geschockt hielt sie sich ihre Hand vor dem Mund, um nicht weitere laute Geräusche von sich zu geben.

Obwohl ich die beiden nicht kannte, war ich trotzdem geschockt. Wenn man bereits jahrelang zusammen war und man sich anschließend verlobt hat, muss schon einiges passieren, um eine Beziehung zu beenden.

„Was ist passiert?" wollte ich wissen und nahm noch einen weiteren Schluck von meinem Wein.

„Ganz krass." wollte Jasmin uns auf die Folter spannen. „David meinte, sie sei ihm fremdgegangen, da sie seit Wochen immer zu spät von der Arbeit kam und nie erreichbar war." erklärte sie und warf uns einen vielsagenden Blick zu.

Im ersten Moment kam mir das gar nicht so schlimm vor, doch wenn ich mir vorstellte, Raphael käme jeden Tag Stunden später nach Hause, ohne Erklärung wie wo was wann, würde ich mir vielleicht auch mal Gedanken machen. Das könnte ich mir gar nicht vorstellen.

„Doch jetzt kommt der Plot Twist: David hat sie damit konfrontiert und sie hat hysterisch alles abgestritten. Das war für ihn anscheinend Bestätigung genug, dass er die Beziehung beendete. Wochen später hat er aber herausgefunden, dass sie deshalb so viel Zeit weg war, weil sie ihm ein Hochzeitsgeschenk arrangiert hatte und die Vorbereitungen zeitaufwändig waren." erklärte sie uns und blickte in die Runde.

Mann, irgendwie tat mir das leid. Eigentlich war ja alles gut, aber jetzt im Endeffekt doch nicht.

„Die hätten sich auch einiges ersparen können, wenn sie richtig miteinander kommuniziert hätten." kommentierte ich Jasmin's Geschichte. Es stimmte, Kommunikation ist das Wichtigste. Wenn das nicht funktioniert, kann noch die schönste und beste Beziehung den Bach untergehen.

Sabine nickte zustimmend, Jasmin ebenso.

„David hatte sowieso schon immer ein Problem mit seiner Eifersucht." steuerte Jasmin noch bei und trank ihren Wein leer.

„Ja, das liegt wohl in der Familie, oder?" sprach Sabine und legte ihre Hand mütterlich auf Jasmin's. Sie musste lachen, als sie sie von der Seite anblickte.

Jasmin?? Eifersüchtig??

Mit großen Augen sah ich sie an. „Jasmin, du bist eifersüchtig?" Das wusste ich nicht. Ich habe nie was mitbekommen. Sie hat mir diesbezüglich auch nie etwas erzählt.

Sie setzte ihr Glas am Tisch ab und zuckte unschuldig mit ihren Schultern.

„Ist nicht jeder ein bisschen eifersüchtig?" warf sie ein und schenkte uns nach.

Nun lagen die Blicke auf mir. Sabine und Jasmin musterten mich, wartend auf meine Antwort.

Ich kratzte meinen Hinterkopf. "Naja, ein bisschen vielleicht, aber ich würde mich grundsätzlich nicht als eifersüchtige Person beschreiben." gestand ich ihnen ehrlich.

Klar passen mir manche Dinge nicht und wenn ich mir Raphael mit einer anderen Frau zusammen vorstelle, könnte ich kotzen, doch was meinen Alltag betrifft mit Familie, Freunden, Arbeitskollegen war ich schon immer eine Gönnerin gewesen.

Der einzige Grund, wo ich sagen würde, dass ich eifersüchtig werden könnte, war Raphael. Vor allem, weil wir noch nicht lange zusammen sind.

„Wenn man mir ein gutes Gefühl und Sicherheit vermittelt, bin ich auch nicht eifersüchtig. Es kommt drauf an, was man mir gibt." erzählte ich ihnen offen. Das war ja kein Geheimnis.

Die beiden nickten. „Das ist eine gute Einstellung." meinte Sabine und blickte zu Jasmin.

Sie sah mich an. „Sieht Raphael das auch so?" ein Schmunzeln auf ihrem Gesicht.

Sie wusste, dass Raphael, gleich wie sie, eine eifersüchtige Person war. Das lag anscheinend wirklich in der Familie.

Ich warf ihr über meinen Glasrand hinweg einen vielsagenden Blick zu. Sie beide verstanden sofort, denn sie begannen zu lachen. Worte waren hierfür gar nicht nötig.

„Sehen wir mal selbst." sprach sie nun und setzte sich aufrecht in ihren Stuhl.

Was kommt jetzt?

„Ana, wie hieß nochmal der süße Typ, der sich letztens wieder bei dir gemeldet hat?" sprach Jasmin plötzlich, aber so laut, dass uns die Männer wahrscheinlich über den Fernseher hinweg hören konnten. Wenn sie aufpassten.

Oh Gott. Jasmin. Bitte nicht.

Mein Kopf schoss in ihre Richtung. Lautlos schüttelte ich meinen Kopf "Nein".

Sabine kicherte leise und flüsterte. „Jasmin, du bist böse."

Sie grinste. „Du weißt schon. Der, der dich im Fitnessstudio angemacht hat." sprach sie weiter, ihre Augen huschten zwischen mir und der Couch hinter mir hin und her.

Aus Reflex richtete ich meinen Blick auf Raphael. So wie immer, wenn ich meinte, dass ihm irgendetwas nicht passen könnte. Er blickte noch immer auf den Fernseher vor ihm. Jedoch genau, als ich ihn ansah, drehte er seinen Kopf in unsere Richtung.

Gerade noch rechtzeitig schwenkte ich meinen Kopf zurück, da ich mir ein kleines Lachen auch nicht verkneifen konnte. Er sprang voll drauf an.

„Wer?" hörte ich plötzlich Raphael's tiefe Stimme aus dem Wohnzimmer.

Sabine hielt sich ein wissendes Lächeln zurück.

Jasmin schenkte ihm keine Beachtung, als sie einfach weitersprach. „Ich habe ihn letztens erst im Einkaufszentrum getroffen. Er hat sich nach dir erkundigt. Er meinte, du ..." doch sie wurde unterbrochen.

„Wer?" hakte Raphael nach, seine Stimme nun strenger, bestimmend.

„Raphael, ich spreche gerade. Unterbrich mich nicht." schimpfte Jasmin mit ihm, wohlwissend, wie verrückt ihn das gerade machte, nichts zu wissen. Sie wusste es vermutlich besser als sonst jemand im Raum.

Mein Blick streifte Raphael nur kurz. Er saß aufrecht auf der Couch, sein Kopf war in unsere Richtung gedreht, das Fußballspiel momentan anscheinend uninteressant. Sein Blick war unergründlich. Einerseits wusste er ja aus eigener Erfahrung, dass ich manchmal auf der Straße oder sonst wo angemacht werde. Er konnte das nie ausstehen und begann jedes Mal sein ‚Revier' zu markieren, indem er den Typen zeigte, dass ich mit ihm unterwegs war. Natürlich ging das nicht, wenn er nicht dabei war. Und genau das machte ihn so irre.

Andererseits versicherte ich ihm jedes Mal auf's Neue, dass er da nicht zu viel hineininterpretieren soll. Ich sagte ihm jedes Mal, dass ich aus einem Grund mit ihm zusammen war und dass er meinen Beziehungsstatus nicht für mich kundtun soll, sondern, dass ich das für mich selbst tue.

Er hörte mir zwar zu, wenn ich ihm das sagte, doch irgendwie auch nicht, da er beim nächsten Mal genau gleich handelte. Er konnte nicht anders.

Mein Blick lag nur für eine Sekunde auf ihm, als Jasmin wieder zu sprechen begann und meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

In ihren Augen konnte ich ein Grinsen sehen, während ihr Gesichtsausdruck neutral blieb. Wie schafft sie das?

„Wo war ich gerade? Achja, Ana, er hat gemeint er würde dich gerne mal wieder sehen. Er findet dich anscheinend total gut."

Mit jedem Wort, was Jasmin sprach, musste ich mehr grinsen. Sie kannte ihren Bruder gut, um zu wissen, was ihn auf die Palme brachte. Mit großen Augen blickte ich sie die ganze Zeit an und verdeckte mit meiner Hand ein wenig mein Gesicht, um nicht ertappt zu werden.

Als Jasmin nicht mehr weiterredete und sie ihren Blick geradeaus gerichtet hatte, hörte ich plötzlich ein dumpfes Geräusch hinter mir. Erschrocken wegen des plötzlichen Lärms zuckte ich zusammen und richtete meinen Kopf in diese Richtung.

Raphael war von seinem Platz aufgestanden und zu uns an den Tisch gekommen. Er stand am anderen Ende des Tisches, mit seinen Armen an der Tischplatte abgestützt. Seine Hände an der Platte dürften diesen Lärm verursacht haben, da er wahrscheinlich etwas grob seine Arme darauf abstellte.

Mit seinen angespannten Oberarmen und seinen breiten Schultern stand er nun vor uns und baute sich auf. Sein Kiefer angespannt.

„Antworte mir." sprach Raphael, als er nun wirklich die Aufmerksamkeit aller im Raum befindlichen Personen hatte. Seine Stimme klang tief und sein Gesicht zeigte, dass er es ernst meinte.

Oh Mann, wie wird uns Jasmin da jetzt rausretten?

Seine Augen huschten zwischen Jasmin und mir hin und her, abwartend, dass jemand von uns zu sprechen begann.

Jasmin hielt seinen starren Blick stand, während ich mir ein kleines Grinsen nicht länger verkneifen konnte. Genauso wie Sabine. Raphael bemerkte unsere schwachen Versuche unsere Belustigung zu verbergen, denn er blickte uns verwirrt an. Er fand das eigentlich gar nicht lustig.

„Und das, liebe Leute, passiert, wenn ein Schwarz eifersüchtig wird." sprach Jasmin und machte mit ihrer Hand eine ‚Tadaaaa-Bewegung', bevor sie begann laut loszulachen.

Das war nun das Go für Sabine und mich. Nun zeigten wir ebenfalls unser Lachen und blickten alle drei zu Raphael. Er sah uns nur noch verwirrter an.

Er richtete seinen Blick auf mich. Als er merkte, dass ich ebenfalls lachte, wusste er, dass es halb so schlimm war. Bei einem wirklichen bevorstehenden Eifersuchtsdrama würde ich niemals zu lachen beginnen und das wusste er.

Doch so ganz eins war es ihm trotzdem nicht.

„Geht es hier um diesen Thomas?" fragte Raphael an mich gerichtet.

Jasmin's Augen fielen auf mich, da sie kurz dachte mit ihrer Geschichte in ein Fettnäpfchen getreten zu sein.

Thomas war im gleichen Fitnessstudio wie ich. Vor einiger Zeit haben wir manchmal zusammen trainiert, doch seit Raphael von ihm wusste, ist er ein paar Mal mit mir mit zum Sport gekommen, sodass Thomas nun wusste, dass ich nicht mehr zu haben bin. Mir war es egal und wenn es Raphael so besser ging, dann soll's so sein.

Ich schüttelte lachend meinen Kopf. „Nein, Raphael, es gibt keinen Typen." sprach ich zu Raphael, der nun Jasmin ansah.

Jasmin hob ergeben ihre Hände. „Okay, okay, ich war's." Sie lachte. Sie erzählte Raphael die Geschichte von David und wie wir überhaupt auf das Thema Eifersucht gekommen sind. Sie wollte nur die Theorie beweisen, wie eifersüchtig die Schwarz-Familie war.

Nachdem Raphael die Geschichte hörte, erkannte ich, wie sich seine Muskeln wieder entspannten. Er wusste mal, dass es keinen Typ gab, der mir auf den Fersen war.

Doch er wurde durch diese Aktion ein wenig aus seiner Komfort-Zone gelockt, da er nicht anders konnte als seine Gefühle, auch wenn es in Form von Eifersucht war, vor seiner Familie zu zeigen. Das passte ihm nicht so recht, doch Raphael war auch ein Typ Mensch, den es egal war, was andere Leute von ihm dachten, also ließ er es dabei.

Als Jasmin mit ihrer Beichte zu Ende war, klingelte plötzlich mein Handy. Es war draußen im Eingang in meiner Tasche verstaut. Ich erhob mich aus meinem Stuhl, um zu sehen wer mich anrief.

„Wahrscheinlich der Typ aus dem Fitnessstudio." warf Jasmin frech ein und lachte, bevor ich den Raum verließ.

Ich konnte nur mehr Raphael's sarkastische Stimme schwach hören „Du bist so lustig." und Sabine, die schon mit Jasmin schimpfte. Geschwisterliebe.

Grinsend blickte ich schnell auf mein Handy. Meine Mutter hat mich angerufen. Da sie mich aber nicht erreichte, kam gleich drauf eine Nachricht von ihr. Raphael und ich waren dieses Wochenende auch noch bei meinen Eltern eingeladen. Sie schickte mir ein paar Daten durch, sodass ich Bescheid wusste. Ich steckte das Handy wieder weg und ging zurück zu den anderen.

„Jasmin, denkst du wirklich du darfst dich bei diesem Thema weit aus dem Fenster lehnen?" sprach nun Matt und blickte Jasmin über all die Leute hinweg an. Alle im Raum musste nun lachen, selbst Jasmin. Erwischt.

Als die Leute noch lachten und in Plauderstimmung verfielen, kam Raphael auf mich zu. Er grinste. Wir standen nun etwas abseits von den anderen, er schirmte mich mit seinem Körper ab.

Er kam auf mich zu und legte mir seine Hände an meine Hüfte. In einer schnellen Bewegung schlang er seine Arme um meinen Oberkörper und hob mich etwas hoch, sodass unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren.

Er drückte mir einen kurzen Kuss auf meine Lippen, dann noch ein zweites Mal, bevor er mich wieder runterließ.

Ich blickte ihn empört an. „Hey." ich schlug ihn leicht auf seinem Arm. „Ich bin doch kein Kind."

Raphael begann zu lachen und warf seinen Kopf in den Nacken. Er ärgerte mich.

Als ich an ihm vorbei und wieder an den Tisch gehen wollte, erkannte ich, wie Raphael's Familie ihre Blicke von uns abwendeten. Sie haben uns zugeschaut. Mit einem leichten Lächeln oder Grinsen führten sie ihre Gespräche fort.

Sieht so aus, als hätten sie sich noch immer nicht an diesen Raphael gewöhnt.


Mein verdammtes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt