Chapter 30

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Ana

Heute war Samstag und ich saß gerade im Zug am Weg zu meinen Eltern.

Heute Morgen beschloss ich, dass ich doch schon heute zu ihnen fahren werde und die Nacht bis Sonntag bleibe.

Meine Eltern waren überglücklich so viel Zeit mit mir verbringen zu können. Ich war es auch, doch das Ding war, dass mir Raphael nicht aus dem Kopf ging.

Als er gestern ging, lag ich noch stundenlang wach und konnte nicht schlafen.

Ich war überrumpelt von meinen Gefühlen. Ich war enttäuscht, wütend, verletzt.

Hatte ich zu früh Vertrauen in ihn gesetzt? Habe ich mir zu viel eingeredet?

Ich wusste gar nicht wann das passiert war, doch ich hatte diese Gefühle Raphael gegenüber, die ich schon lange nicht mehr für einen Mann gefühlt habe.

Es war keine Liebe, doch eine Art Anziehung. Auf körperliche und emotionale Ebene. Ich war gerne mit ihm zusammen, ich mochte unsere Gespräche, unsere lustigen Momente, aber auch seine Berührungen und seine Nähe. Diese Kombination brachte mich komplett durcheinander.

War das alles nur einseitig?

War ich in dem ganzen viel mehr drinnen als er?

Wieso sollte er sonst eine andere Frau zu sich nach Hause einladen? Und das alleine?

Und gleich am nächsten Tag versuchte er es bei mir? Nachdem ich mich ihm gegenüber so geöffnet hatte und ihm von meiner Vergangenheit mit Kai erzählte, war er doch auf seine eigene Weise kein Stück besser.

Und das fand ich am schlimmsten. Zu wissen, dass er doch wie die anderen ein Aufreißer war, dem die Frau an sich egal war. Hauptsache es lief was.

Ich fühlte mich so ekelhaft.

Zeit mit meinen Eltern wird mir guttun. Weg von all dem, wenigstens für 24 Stunden.

Mein Handy ließ ich gleich zuhause, da ich die Ruhe zur Entspannung und auch zum Nachdenken brauchte.

...

„Hey meine Süße." empfing mich meine Mama mit offenen Armen in unserer Eingangstür. Sie strahlte bis über beiden Ohren und hatte eine Kochschürze umgebunden.

„Mama." ich freute mich. Fest schloss ich sie in meine Arme.

„Wie geht's euch?" erkundigte ich mich nach dem Leben meiner Eltern.

Meine Mutter deutete mir reinzukommen. Drinnen sah ich bereits meinen Papa am Tisch sitzend auf uns warten, vor ihm allerlei an Köstlichkeiten für unser Abendessen bereits angerichtet.

Meine Freunde wurde gleich nur noch größer als ich meinen Lieblingsauflauf von meiner Mutter stehen sah.

Den hatte ich schon lange nicht mehr.

„Ana du bist hier! Schön dich zu sehen." empfing mich mein Vater und lächelte mich an.

Sofort ging ich auf ihn zu und nahm auch ihn fest in meine Arme. Es tat gut bei ihnen zu sein.

Vorfreudig wie ein kleines Kind setzte ich mich neben ihm und wir drei begannen Mama's liebevoll zubereiteten Speisen zu essen.

Währenddessen berichteten sie mir, was es Neues gab.

Typischer Dorftratsch: unsere Nachbarin sei nun nach ihrem spontanen Urlaub auf Kreta nach einer romantischen Liebesaffäre schwanger nach Hause gekommen und ihr Mann ließ sich nun von ihr scheiden.

Die Volksschule in der Ortschaft veranstaltet ein großes Theaterspiel mit freier Spende für einen wohltätigen Zweck und eines von Papa's Motorrädern mussten sie verkaufen, da in seiner Garage mittlerweile gar kein Platz mehr war.

Ich hörte ihnen gespannt zu, neugierig was sich hier alles getan hat bzw. welch große Themen im Leben meiner Eltern eine Rolle spielten.

Auch ich erzählte ihnen von meinen Leben.

Zuerst erkundigte sich mein Vater nach meiner Arbeit. Ich berichtete von unserem großen Projekt mit Herr Stanis, was mich sehr viel Zeit und Energie kostet, da es nun doch nicht so einfach werden würden wie anfangs gedacht.

Von Jasmin wollten sich auch alles wissen. Einmal habe ich sie zu einer unserer großen Familienfeiern mitgenommen und meine Eltern waren hin und weg von ihr. Sie hatte Charme, sie hatte die beiden gleich um ihren Finger gewickelt.

Zur späteren Stunde saßen wir noch draußen in unserem Garten mit Kaffee und redeten weiter, bis wir uns dann um zirka 22:00 Uhr bettfertig machten.

Diese Nacht in meinem Elternhaus schlief ich wesentlich besser als vergangene, jedoch konnte ich nicht leugnen, dass ich jedes Mal, wenn es um Jasmin oder um Themen ging, die mich an Raphael erinnerten, innerlich einen kurzen Stich in meiner Brust versetzt bekam.

Ich ließ mir aber nichts anmerken, da ich erstens meinen Eltern und mir nicht unsere Zeit kaputtmachen wollte und zweitens hatte ich keine Lust etwas davon zu erzählen.

Von meinem Liebesleben wussten meine Eltern relativ wenig, da sie die Typen eigentlich immer erst zu Gesicht bekamen, wenn es mir ernst mit ihnen war, also kein Stress ihnen irgendwas zu berichten.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich wieder ein kurzes Down.

Ich ließ vergangene Tage in meinem Kopf revue passieren. Je länger ich darüber nachdachte und je mehr ich mich reinsteigerte, desto schlimmer wurde es.

Wie konnte mir ein Typ innerhalb so kurzer Zeit so den Kopf verdrehen?

Wie konnte ich mir meinen Kopf innerhalb so kurzer Zeit überhaupt verdrehen lassen?

Wie konnte ich mich nach so kurzer Zeit in so einer Situation befinden, dass es mich plagt zu denken, dass er mit einer anderen zusammen war?

Bevor ich weiter darüber nachdachte, sprang ich in die Dusche und machte mich für den Tag fertig. Etwas zu tun zu haben war besser, als rumzusitzen und nachzudenken.

Den Vormittag verbrachte ich damit mit meinem Vater eine Runde spazieren zu gehen. Er wollte mir sein neues Vogelhäuschen zeigen, welches er für die nächste Wintersaison gebaut hatte. Es stand auf einem unserer Grundstücke direkt am Waldrand, weshalb wir ein Stückchen gehen mussten.

Danach bereitete ich mit meiner Mutter das Mittagessen zu. Es gab Rollbraten mit Knödel und einem großen gemischten Salat. Ich liebte es mit meiner Mutter zusammen zu kochen. Durch sie habe ich die Liebe zum Kochen überhaupt entdeckt und viele meiner Rezepte kannte ich natürlich von ihr.

Nach dem Mittagessen wollte ich mich schön langsam wieder auf nach Wien machen.

„Ach Ana, schön, dass du hier warst. Komm bald wieder." meinte meine Mama und nahm mich fest in ihre Arme. Sie wurde immer so wehmütig, wenn es um Verabschiedungen ging.

„Herta, sie wohnt ja nicht aus der Welt. Wir können sie doch auch einmal besuchen kommen." schlug mein Vater vor und drückte Mama's Hand zur Aufmunterung.

„Ja sicher, ich würde mich freuen, wenn ihr mal zu mir kommt." versicherte ich ihnen und lächelte beide an.

Nun nahm ich auch noch meinen Papa in die Arme und machte mich dann auf den Weg zum Bahnhof.

Eine Stunde Zugfahrt stand mir nun bevor - Juhu!


Mein verdammtes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt