Ana
Nachdem sich Raphael wieder beruhigte, überredete ich ihn in der Zwischenzeit Karten mit mir zu spielen, die ich mitgebracht hatte. Er war zwar nicht so begeistert, doch sagte nichts weiter.
Ich wusste, dass er sich die Zeit lieber anders vertrieben hätte, doch ich wollte mich vor seiner Familie gut präsentieren. Für Sex haben wir hinterher noch genug Zeit. Ich denke, dass er das auch verstand, nur war es schwierig für ihn momentan an etwas anderes zu denken.
Es dauerte einige Zeit, bis er sich wieder fing. Nun konnte er aber wieder lachen und scherzte mit mir.
„Meine Mutter ist schon richtig gespannt auf dich." sprach er plötzlich, als er vor dem Spiegel stand und seinen Anzug richtete.
Wir machten uns gerade fertig, um die anderen Gäste vor dem Hotel zu treffen. Ich wurde richtig nervös.
„Achja?" fragte ich und versuchte locker zu klingen.
Es ist nur das erste Mal sehen. Sobald die Trauung vorbei war und wir an der Tafel saßen, können wir ein bisschen reden und die Stimmung wird immer angenehmer von Minute zu Minute. Das wird schon.
Jasmin hat mir bereits erzählt, dass ihre Eltern wussten, dass ich die Frau bin, die Raphael zur Hochzeit mitnehmen will. Wie Jasmin selbst waren sie auch zuerst überrascht, doch dann freuten sie sich, mich auch endlich mal kennenlernen zu können. Ich fand ihre Reaktion mehr als süß.Raphael war bereits fertig und bereit zu gehen. Ich stand noch vor'm Spiegel und richtete mir zum gefühlt 100. Mal meine Haare, mein Make-Up und mein Kleid.
Ich atmete tief durch.
„Du siehst gut aus, Ana." er wollte mich beruhigen. Er merkte, wie nervös ich war. Er kam auf mich zu und legte seine Hände von hinten an meine Taille, als er mich durch den Spiegel durch anblickte. Seine Augen lagen sanft auf mir, er wollte mir Sicherheit geben.
„Ja?" fragte ich ihn, Unsicherheit in meiner Stimme. Ist das eh das richtige Kleid für so einen Anlass? Nicht zu freizügig? Es zeigt schon viel Haut und...
Mein Blick lag auf mir, als Raphael meine Gedanken unterbrach.
„Ana, nur dir zuliebe reiß ich mich zusammen und nimm dich nicht gleich hier auf der Stelle. Du kannst mir glauben, du siehst gut aus." seine Stimme tief, als seine Augen mich finster und vielversprechend durch den Spiegel musterten.
Ich begann zu lachen, als ich zu ihm hochsah. Sein Blick war zuerst ernst, doch als er mich lachen sah, grinste er auf mich herab. Ich wusste, dass er es ernst meinte, doch ich konnte nicht anders, als ich daran dachte, dass er mich so ermutigen wollte, um seine Eltern das erste Mal zu treffen.
„Lass uns gehen." sprach ich und löste mich von seinem Griff. Ich nahm meine Tasche in meine Hand und zog meine hohen Schuhe an. Raphael beobachtete mich, bevor er auf mich zukam und vor mir stehen blieb.
Da ich mit meinen Schuhen nun größer als sonst war, musste ich meinen Kopf nicht mehr in den Nacken legen, um in sein Gesicht schauen zu können. Ihm fiel das ebenfalls sofort auf, denn er grinste. Er musste zwar noch immer auf mich herab sehen, doch nicht so wie sonst.
Durch unseren Größenunterschied konnte er unter normalen Umständen seine Hände bequem an meine Hüfte legen. Nun, da ich mit den Schuhen etwas größer bin, passten sie perfekt an meinen Hintern. Raphael bemerkte das, denn sein Grinsen wurde nur noch breiter.
„Das gefällt mir." sprach er, auf mich herabblickend.
Ich klatschte seine Hände weg. „Benimm dich, Raphael." tadelte ich ihn, doch musste ebenfalls grinsen.
Er war manchmal so ein Kind.
Grinsend nahm er meine Hand in seine und führte mich aus unserem Zimmer. Als wir gemeinsam den Gang entlang gingen, wurde mein Magen wieder kurz flau. Ich freute mich bei einer Hochzeit dabei sein zu können, war aber trotzdem nervös.
Das Gute ist, dass mich nicht so viele beachten werden, da das Brautpaar im Mittelpunkt steht. Darüber war ich froh.
„Ana!" hörte ich Jasmin's Stimme plötzlich hinter mir, als wir kurz vor'm Stiegenhaus ankamen. Ich drehte mich in ihre Richtung und sie sah strahlend auf uns zukommen. Hinter ihr kam ... Matt?
„Matt?" fragte ich verwirrt. An Raphael's Blick erkannte ich, dass er ebenfalls nichts davon wusste.
Jasmin war die erste, die uns erreichte und warf ihre Arme freudig um mich. „Ana, du siehst hübsch aus. Wow, dieses Kleid." machte sie mir ein Kompliment und lächelte. „Ich habe Matt als meine Begleitung mitgenommen." fügte sie dem ganzen noch hinzu, da sie wusste, dass wir das fragen würden.
„Was du kannst, kann ich schon lange." sprach sie an Raphael gerichtet und zwinkerte ihm zu.
„Matt, schön, dass du da bist." begrüßte ich ihn und nahm ihn erleichtert in meine Arme. Ich war auf jeden Fall froh, dass er da war. So war ich in der Schwarz Familie nicht die einzige Neue.
Er musste lachen. „Auch schön dich zu sehen, Ana." Er umarmte mich ebenfalls.
Als wir mit unseren Begrüßungen fertig waren, gingen wir paarweise die Treppe runter zur Eingangshalle. Raphael wollte Jasmin und Matt den Vortritt lassen, weswegen wir hinter ihnen her gingen. Ich war froh, dass die Aufmerksamkeit vorwiegend auf den beiden lag.
Wir verließen das Hotel und sahen bereits etliche Gäste draußen auf dem großen Besucherparkplatz stehen. Es waren alle schick gekleidet, also müssen es ebenfalls Hochzeitsgäste sein.
Schon von Weiten winkte und begrüßte Jasmin viele Leute mit ihrer herzlichen Art.
„Tante Dagmar!" rief Jasmin und ging auf eine ältere Dame in schöner eleganter Robe zu.
„Jasmin, Liebes." drehte sie sich in unsere Richtung, als sie Jasmin in ihre Arme nahm. „Schön dich wieder mal zu sehen. Schick siehst du aus." sprach Tante Dagmar weiter und lächelte breit. Jasmin stellte ihr Matt vor, der brav an ihrer Seite stand, während Jasmin das Wort übernahm.
Jetzt wusste ich auch, wieso Raphael Jasmin vorschicken wollte. Jasmin konnte, eigentlich genauso wie ich, gut mit Leuten umgehen. Ihr fiel ebenfalls immer Gesprächsstoff ein. Die Leute mochten sie und jede Person, die an uns vorbeikam, wechselte ein paar Worte mit ihr.
„Raphael." sprach Tante Dagmar ihn nun an. „Wo willst du denn noch hinwachsen?" lächelte sie ihn. Sie sprach mit ihm als wäre er noch ein Kind, weshalb ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Matt ging es gleich, auch ihm schlich sich ein Grinsen auf's Gesicht.
Raphael entkam ihr nicht. Sie schloss ihn in ihre Arme, als er sie ebenfalls begrüßte. Er wirkte wegen des vielen Körperkontakts nicht sonderlich begeistert, doch er wusste, dass das bei Familienzusammenkünfte durchaus passieren konnte.
Als sie fertig waren, fiel ihr Blick auf mich. Die Einzige, die in der Runde noch übrig war, die sie noch nicht kannte. Raphael nahm seinen Platz neben mir ein und legte seine Hand als Stütze an meinen Rücken.
„Tante Dagmar, das ist meine Freundin Ana." stellte mich Raphael seiner Tante vor.
Ich fühlte meinen Bauch kribbeln, als er diese Worte aussprach. Das war das erste Mal, dass er mich öffentlich als seine Freundin bezeichnete. Ich fühlte, dass meine Wangen einen leichten rosa Ton annahmen - hoffentlich sieht man das mit meinem Make-Up nicht. Das Lächeln auf meinem Gesicht war breit, als ich Raphael's starken Arm an meinem Rücken spürte, der mir nochmal mehr Sicherheit gab.
In meinem Augenwinkel bemerkte ich Jasmin's überraschten, aber auch neugierigen Blick auf uns. Für sie war das auch eine Neuigkeit.
Ich fokussierte mich auf Tante Dagmar vor mir, die mir freundlich ihre Hand entgegenstreckte. „Was für ein reizendes Kleid du trägst." machte sie mir ein Kompliment und lächelte mich mütterlich an.
Was für eine Süße.
Ich wechselte noch ein paar Worte mit ihr, während Raphael danebenstand und uns zuhörte. Er hat wirklich Glück, dass er von Frauen umgeben war, die sich mit dem Reden leichter taten als er.
Als wir uns zum Weitergehen zurecht machten, sah ich Jasmin und Matt in der Nähe stehen. Bevor sie sich mit anderen Leuten in ein Gespräch verwickelten, lächelte sie Raphael und mich über die Leute hinweg an. Sie strahlte fast.
„Ich glaube sie freut sich." sprach ich zu Raphael, der meine Seite heute noch nie verließ. Ständig berührte er mich an meinem Rücken, um mir den Weg zu weisen und um mir zu zeigen, dass er mich führte.
Während wir uns den Weg durch die Leute zu Raphael's Cousins und Onkel machten, gingen Jasmin und Matt zu ihren Cousinen und Tanten.
Ich bemerkte einige Blicke auf uns, als wir uns durch die Menge tummelten. Ihre Augen huschten von mir, zu Raphael und dann wieder zu mir. Sie rätselten, wer ich wohl war.
„Raf, du altes Haus. Wen bringst du da denn mit?" erkundigte sich ein junger Mann, etwa in unserem Alter, als wir uns der Gruppe Männer näherten. Als er fertiggesprochen hatte, drehten sich nun alle Männer zu uns um, um zu sehen, wer da kam. Viele hatten eine Flasche Bier oder eine Zigarette in der Hand.
„Toni" begrüßte Raphael ihn und schüttelte seine Hand.
Raphael stellte uns alle vor. Toni war sein Cousin, er war anscheinend mit seinen 21 Jahren der Jüngste der Cousins. Neben ihm standen noch drei weitere junge Männer. Die dürften aber bereits älter sein - zirka Raphael's Alter.
Anschließend vollendeten drei ältere Herren den Kreis. Es stellte sich heraus, dass einer der Männer, Gustav, der Bruder von Raphael's Mutter war. Die anderen waren, so wie ich das mitbekommen habe, weitschichtig miteinander verwandt.
Familienkonstellationen fand ich immer so kompliziert. Wer ist mit wem wie verwandt? Momentan ging alles so schnell, dass ich mir nicht mal alle Namen merken konnte. Nur ein paar sind mir hängen geblieben.
Gerade standen Raphael und ich mit seinen Cousins und Onkel zusammen. Sie reichten mir ein Glas Sekt und Raphael eine Flasche Bier. Sie haben mich bereits nach wenigen Minuten in ihre Runde aufgenommen und unterhielten sich ausgiebig mit mir. Dadurch, dass ich auch gesellig und gesprächig bin, versuchte ich mich gleich in die Gespräche und Scherzereien einzubinden, was bei den Herrschaften ziemlich gut ankam.
„Ana, du hast Humor." sprach plötzlich einer der älteren Herren neben Gustav. Er hielt sich seinen dicken Bauch, als er zu lachen aufhörte.
Ich erzählte gerade die Geschichte, wie es dazu gekommen ist, dass mein Spitzname in der Arbeit Pitbull war.
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Mein verdammtes Herz
RomantikIch ließ mich nach vorne und stützte meinen Ellenbogen am Tisch ab, meinen Kopf auf meiner Hand aufliegend. Raphael beobachtete mich. "Schwarz steht dir." gab ich ehrlich zu und sah ihm dabei ins Gesicht. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen...