Chapter 67

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Ana

Wir blieben fast bis Mitternacht bei Raphael's Eltern, als wir vier beschlossen nach Hause aufzubrechen.

„Ihr versteht euch gut." sprach Raphael plötzlich durch die ruhige Radiomusik, als wir am Weg in meine Wohnung waren. Ich blickte in seine Richtung. Er konzentrierte sich zwar auf die Straße, doch ich sah seinen zufriedenen Blick. Er gefiel ihm, dass ich mich mit seiner Familie gut verstand. Ihm lag viel an ihnen.

„Ja, wir kommen gut klar." bestätigte ich seine Gedanken.

„Das freut mich." als er das sagte, nahm er meine Hand in seine, brachte sie hoch zu seinem Mund und drückte mir einen Kuss auf meinen Handrücken.

Mein Herz wurde warm. Das war wieder einer von Raphael's romantischen Momente. Und vermutlich merkte er das nicht mal.

Ich lächelte zuerst unsere Hände und dann ihn an, als er seinen Blick auf mich richtete. Er bemerkte meinen Ausdruck.

„Du bist süß." sagte ich ihm und sah in sein Gesicht.

Süß war nicht gerade ein Wort, mit dem er sich selbst beschreiben würde. Er fand das Wort passend bei Kindern oder bei Baby-Tieren. Ich bin auch süß - meint er. Aber nicht er.

Ich wusste ja, dass er grundsätzlich die dominante Rolle in einigen Aspekten unseres gemeinsamen Lebens übernommen hat und ich wusste, dass er gerne meine große starke Schulter zum Anlehnen war. Bei dem Wort 'süß' kam er sich also klein vor, nicht so stark wie ich ihn sonst kenne.

Doch ich konnte mir nicht helfen - Raphael war manchmal einfach wirklich süß. Dadurch, dass ich seine ruhige, bestimmende Art vor Leuten kannte, ließ es mein Herz immer wieder auf's neue schneller schlagen, wenn er solche kleinen Gesten machte, wenn wir alleine waren.

Raphael wusste das. Er wusste, dass ich es liebe, wenn er mir seine zarte, sanfte Seite zeigte. Deshalb war es für ihn auch okay, wenn ich ihn manchmal als süß bezeichnete - wenn auch nur, wenn wir unter uns waren.

Als wir in meiner Wohnung ankamen, hatten wir beide noch Bock auf ein Glas Wein. Ich holte die Flasche mit den Gläsern und Raphael verband sein Handy mit meinem Fernseher. So konnten wir zusammen über den Fernseher Musik aussuchen. Wir machten das öfters am Abend und schauten so zusammen witzige Videos.

Als ich mich zu ihm auf die Couch setzte, sah ich bereits seine Spotify-Playlists am Bildschirm des Fernsehers. Er legte einen Arm um mich, als wir mit unseren Gläsern anstießen.

Raphael zeigte mir ein paar neue Lieder, die er in den letzten Tagen irgendwo aufgeschnappt hatte. Er meinte sie könnten mir vielleicht auch gefallen.

Später redeten wir einfach. Zuerst über den heutigen Abend, über die Arbeit, über die kommende Woche, bevorstehende Pläne. Einfach alles, was uns momentan beschäftigte.

Wir konnten gut miteinander reden. Wir verstanden uns auf einer Ebene, die ich anfangs nicht für möglich gehalten hätte. Es war schön, Neuigkeiten, wenn sie auch noch so unwichtig waren, mit einer anderen Person teilen zu können. Es ist ein schönes Gefühl angehört und wahrgenommen zu werden.

Raphael hatte zwar seine Anlaufschwierigkeiten mit dem Reden, doch so war er einfach. Nachdem Monate vergangen waren, habe ich nun auch das Gefühl, dass er sich gleich fühlte wie ich - gehört und wahrgenommen.

„Meinst du wir könnten das Licht etwas ausmachen?" fragte ich ihn und warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

Ein bisschen Action würde den heutigen Tag noch abrunden.

Wir hatten viele kleine Lampen im Wohnzimmer, dessen Licht allein für eine angenehme Abendatmosphäre sorgen würde. Das große Küchenlicht brauchen wir nicht.

Raphael verstand meine Anspielung. Er grinste. Gleich darauf erhob er sich aus seinem Platz, um das Licht auszuschalten.

Als er gerade beim Fernseher vorbeiging, bekam er mit einem lauten Ping-Geräusch eine Nachricht auf sein Handy. Da es ja mit dem Fernseher verbunden war, konnte man die Nachricht auf dem großen Bildschirm lesen.

Von Natalie: Danke, Raphael <3 Ich freue mich schon auf dich morgen!

Sobald die Nachricht auf dem Bildschirm zu lesen war, versuchte Raphael die Nachricht zu verdecken, in dem er sich davor stellte.

Doch ich hatte sie bereits gelesen.

Raphael drehte sich sofort zu mir um. Er erkannte an meinem Gesicht, dass ich Bescheid wusste. Mir war plötzlich kalt. Mein Magen fühlte sich an, als ob ich fiel.

„Ana, ich wollte dir das noch sagen." sprach Raphael in ruhiger Stimme. Sein Blick verriet mir jedoch, dass sein Kopf auf Hochtour lief.

Ich sah ihn einfach an. Ich wollte nichts preisgeben, denke aber nicht, dass mir das gelang.

„Du triffst dich mit ihr?" fragte ich ihn und konnte selbst nicht die Enttäuschung in meiner Stimme überhören.

Er wollte sich hinter meinem Rücken mit seiner Ex treffen?

Normalerweise würde ich wütend werden. Normalerweise würde ich ihm eine heftige Standpauke halten und ihm sagen, wie falsch er sich verhält. Doch ich konnte nicht.

Ich saß da, komplett überrascht davon, dass Raphael so etwas tun würde, dass mein Kopf wie leergefegt war.

Raphael's Blick brach, als er mich vor sich sitzen sah. Er wusste, dass er mir Unrecht tat.

„Es tut mir leid, wie das gelaufen ist, Ana." begann er und setzte sich mir gegenüber auf die Couch. „Natalie hat sich bei mir gemeldet. Sie hat wieder Stress zuhause und hat mich gefragt, ob ich mich morgen nicht auf einen Kaffee mit ihr treffen könnte." gestand mir Raphael, als er nach irgendwelchen Anhaltspunkten in meinem Gesicht suchte. „Das war's auch schon. Mehr nicht." versicherte er mir.

Sein Blick lag wachsam auf mir. Er beobachtete meine Gesichtszüge, als ich merkte, dass er an seinen Fingern kratzte. Er war nervös.

Sie wollen morgen also Kaffee trinken gehen? Die beiden allein?

Beim Gedanken daran, dass Raphael mit einer anderen Frau allein in einem Café saß, Kaffee trank und sich unterhielt, zog sich mein Magen komplett zusammen.

Plötzlich wurde ich wütend.

„Ach, und wenn sich Natalie meldet, dann springst du sofort, oder wie?" sprach ich zu ihm im scharfen Ton.

Sein Blick lag intensiv auf mir.

„Du verabredest dich hinter meinem Rücken mit deiner Ex und denkst das ist okay?"

Ich war wütend. Aber sowas von.

„Es ist keine Verabredung, es ist..." versuchte er die Wogen zu glätten, doch ich wollte keine Ausreden hören.

„Mir egal was es ist. Was will sie? Will sie wieder bei dir übernachten? Soll ich ihr vorab schon mal das Bett richten, damit sie es dann gemütlich hat?"

Raphael musterte mein Gesicht, während ich sprach. Er wusste, dass er Mist gebaut hatte, also hielt er seine Klappe.

„Und wie du die Nachricht vor mir verstecken wolltest. Was soll das? Wie konntest du es überhaupt so weit kommen lassen?" warf ich ihm an den Kopf, doch sie waren wahr.

Wie konnte Raphael überhaupt in Erwägung ziehen, sich heimlich mit seiner Ex zu treffen und mir nichts davon erzählen?

Er wirkte betroffen. Er wusste, dass die Dinge momentan scheiße aussahen.

„Wenn das jetzt zur Gewohnheit wird, sollte ich Kai auch mal anrufen. Mal schauen, was der so macht. Ist ja keine Verabredung. Das würde dir auch nicht passen."

Ich war sowas von wütend. Verletzt. Alles zusammen.

Ich habe noch nie so mit Raphael gesprochen. Normal ließen sich die Dinge immer normal klären, doch er hat mich einfach überrascht. Ich war wie vor dem Kopf gestoßen, als ich diese Nachricht las. Ich fühlte mich angelogen.

Raphael's Blick lag noch immer auf mir. Sobald Kai's Namen fiel, verhärtete sich sein Kiefer.

Es gefiel ihm also nicht, dass ich von Kai sprach, während er sich ein Treffen mit seiner Ex ausmachte? Logik?

„Das ist nicht fair, ich..." begann er, doch ich unterbrach ihn erneut.

„Du erzähl mir jetzt mal nichts von Fairness." sagte ich im scharfem Ton.

Er schloss seinen Mund wieder.

Mein verdammtes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt