11. Er muss es ja nicht erfahren

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Selena

Wie ein verlorenes Hündchen schaue ich mich in Justins Zimmer um, als er schließlich die Tür hinter sich zu macht. Dieses Mal höre ich nicht, dass er abschließt. Wenige Sekunden später teste meine Annahme und stelle fest, dass ich richtig liege. Die Tür lässt sich öffnen. Ich könnte einfach rausgehen. Aber stattdessen mache ich sie schnell wieder zu, als hätte ich Angst, erwischt zu werden.

Langsam merke ich, wie mir die Augenlider schwer werden. Als hätte mein Körper sich zu lange gegen die Müdigkeit gewehrt, kommt sie plötzlich auf einen Schlag.

Mir ist unwohl dabei, in Justins Bett zu schlafen, auch wenn es nur zu verlockend wirkt und er es mir angeboten hat. Ich halte nach einer Uhr Ausschau, weil ich gerne wissen würde, wie spät es tatsächlich ist, aber ich finde nichts, was meine Neugier befriedigen könnte.

Mit Justins Geruch in meiner Nase setze ich mich vorsichtig auf die Bettkante, die leicht unter mir nachgibt.

Ich habe nichts bei mir. Kein Handy, keine frischen Anziehsachen, keine Zahnbürste, kein Deo, einfach nichts.

Ich fühle mich wie ein gestrandetes Nichts im Nirgendwo, ohne Orientierung, ohne einen Anhaltspunkt und ohne jegliche Ahnung wie es weiter geht. Ich weiß nicht, was mich erwartet, was der morgige Tag mit sich bringt und obwohl Justin ziemlich überzeugend klang, als er sagte, dass er mich nicht umbringen wird, bin ich mir da gerade nicht so ganz sicher.

Ich kenne ihn schließlich nicht und bin hier umgeben von Kriminellen in meinem Alter mit Waffen, die soeben eine Tankstelle überfallen haben und in einer teuren Villa hausen.
Wie er sich diese Villa finanzieren kann, will ich gar nicht wissen...

Ich weiß nicht, ob mir die Tatsache, dass Justin der Anführer ist, Angst macht, oder mich beruhigt, denn beide Gefühle - und noch viele mehr, die ich nicht einordnen kann - wirren in meinem Kopf herum und verpassen mir abwechselnd Gänsehaut und Schüttelfrost.

Ich muss an meine Familie denken und an Mom und Dad, die wahrscheinlich schon schlafen und noch nicht mitgekriegt haben, dass ihre Tochter nicht von der Arbeit zurückgekehrt ist. Und voraussichtlich auch nie wieder nach Hause zurück kehren wird.

Mir kommen unwillkürlich die Tränen auf, als sich in meinem Kopf bildlich alles abspielt, was passieren könnte. Mom, weinend und Dad verzweifelt, während sie die Nachricht von dem Überfall bekommen und am nächsten Morgen feststellen, dass ihre Tochter nicht nach Hause gekommen ist. Lizzy würde wahrscheinlich noch gar nicht wirklich verstehen, was geschieht.

Die Polizei würde nach mir suchen und Mom würde in ein tiefes Trauerloch fallen, während Lizzy ihre große Schwester vermissen würde...

Gott, wenn ich sie doch nur anrufen könnte, um ihnen zu versichern, dass es mir gut geht. Naja, noch.

Ich beschließe, Justin morgen zu fragen, weiß allerdings jetzt schon, dass das ein schwieriges Gespräch werden wird. Aber ich muss meinen Eltern einfach sagen, dass es mir gut geht, ich ertrage den Gedanken an ihre Angst und Sorge nicht, mir wird regelrecht schlecht, wenn ich daran denke.

Ich wische mir die Tränen von den Wangen und gehe ins Badezimmer, um vom Wasserhahn zu trinken. Ich danke Gott, dass Justin ein eigenes Bad besitzt und ich nicht irgendwo durch den Flur laufen muss.

ADDICTED TO YOU  → Jelena FanFiction (FINISHED)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt