Festgehalten!

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Es herrschte mal wieder gähnende Leere auf den Straßen. Der Regen prasselte vom Himmel auf die wenigen Menschen, die nich unterwegs waren. Ich ließ meinen Blick über die Straße unter mir wandern. Ich stand auf einer kleinen Fußgängerüberführung und fragte mich, warum mein Leben mich hasste. Warum musste ich das alles ertragen? Warum durfte ich mir jeden Tag von so vielen Menschen anhören, dass ich nichts wert war? Mein Blick wanderte zu der großen Uhr an dem Kirchturm, der von hier zu sehen war. Es war Mitternacht. Ich sah auf meine Datumsanzeige an meiner Armbanduhr. Diese Uhr war das Letzte, was mir von meinen Eltern geblieben war. Wenn wir mein Leben ein letztes Mal zusammenfassen würden, dann wäre das ziemlich armselig. Verdammt, ich war 16. Meine Eltern lebten nicht mehr und ich war das größte Opfer der Schule. Warum? Ganz einfach, ich hatte mich geoutet. Weshalb war ich so dämlich gewesen? Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. Es war mein Bruder John. Er war zwei Jahre älter und war seit dem Tod unserer Eltern mein Vormund, bis ich selbst 18 war. Ich seufzte und nahm ab. "Wo bist du?", wollte er besorgt wissen. "Draußen. Ich musste nachdenken. Ich konnte nicht schlafen.", meinte ich leise. "Mik, es gießt wie aus Eimern, was zur Hölle denkst du dir bei sowas?", hakte er nach. "John, vergiss es einfach. Ich komm schon wieder heile nach Hause.", versprach ich und hätte mich ohrfeigen können. Ich wollte nicht mehr leben. Ich wollte mich von dieser Brücke stürzen und trotzdem machte ich meinem Bruder noch Hoffnungen. "Das hoffe ich auch. Es reicht, dass ich Mama und Papa verloren habe.", meinte er sanft und legte dann auf. Ich seufzte. Er war ohne mich doch viel besser dran. Ich war depressiv und schwul, dazu war ich auch noch ziemlich ungehorsam und anstrengend. Langsam kletterte ich auf das Geländer und war darauf bedacht nicht abzurutschen. Nun saß ich hier.

Der Regen ließ auch nach einer weiteren halben Stunde, die ich hier saß nicht nach. Was würde passieren, wenn ich springen würde. Ich sah nach unten. Direkt unter mir befand sich seltsamerweise eine Mittelinsel für Fußgänger. Wozu baut man eine Überführung, wenn unten ein Zebrastreifen war? Ich schüttelte den Kopf. Wenn unsere Regierung eines gut konnte, dann Gelder verschwenden. Also entweder starb ich oder ich erfror, wenn ich sprang. Beides eine Möglichkeit! Ich nahm eine Hand vom Geländer und stellte mich vorsichtig auf den kleinen Vorsprung. Mein Blick auf die Straße unter mir gerichtet. Gerade als ich einen letzten Schritt machen wollte, packte mich jemand an der Schulter. "Lass mich los.", sagte ich ohn hinzusehen. "Nein, Mik, ich werde dich nicht los lassen.", ertönte eine mir sehr bekannte Stimme. Sie gehörte Kostas! Er war der Mädchenschwarm der Schule. Er war der Schulsprecher! Seine Freundin war die erste Cheerleaderin und so ziemlich die größte Bitch der Schule. Außerdem war ich seit über einem Jahr in ihn verliebt. Um genau zu sagen, seit einer Party auf der wir eine One-Night-Stand hatten.

"Wehe du erzählst irgendjemandem davon. Ich würde alles abstreiten.", meinte er nach dem er sich angezogen hatte. Ich sah ihn geschockt an. "Ich mein es ernst. Mik, wenn das hier irgendjemand erfährt, dann mach ich dich fertig.", drohte er und verschwand. Meine Gedanken rasten. Unser Stöhnen hallte in meinen Ohren und das Gefühl seiner Lippen auf meinen war wunderschön gewesen.

"Ich habe einen Fehler gemacht.", gab er zu und legte seine zweite Hand auf meine andere Schulter. Ich seufzte: "Bereust du es mit mir geschlafen zu haben?", meinte ich patzig. "Nein, ich bereue es, dass ich nicht früher kapiert habe, dass du mir mehr bedeutest.", sagte er leise. "Warum sollte ich dir glauben?", wollte ich wissen, "Ich wurde seit meinem Outing nur fertig gemacht und du hast nichts dagegen gemacht." Er lachte bitter: "Glaub mir, ich habe es versucht und auch wenn du glaubst, dass ich Einfluss habe, dann kennst du Iva nicht. Sie hat mal auf einer Versammlung gesagt, dass Homos abartig seien und seit dem hassen dich alle, weil Iva einfach einen zu großen Einfluss hat.", erklärte er. Ich drehte mich vorsichtig um und sah ihm in die Augen. Er lächelte und legte eine Hand an meine Wange. Langsam näherte er sich meinem Gesicht und verband seine Lippen schlussendlich mit meinen. Er zog mich hoch und ich war verwundert, wie stark er war. Nun standen wir auf der Brücke. Seine Hände waren zu meinen Hüften gewandert. Eng umschlungen und völlig durchnässt standen wir nun da. "Ich liebe dich, Mik. Ich hätte dir das schon länger sagen sollen.", gestand er. Ich löste mich kurz von ihm und sah ihn an. Ich lächelte und legte meine Lippen auf seine. Er löste sich wieder von mir und grinste. "Wir sollten mal so langsam rein gehen.", meinte er und lachte. Ich stieg in sein Lachen mit ein. "Ich wohn nicht weit von hier.", sagte ich und zog ihn an der Hand mit mir.

Kostory - OneShotsammlung #Wattys2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt