09-Sexgesteuerter Idiot

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„Endlich. Ich dachte schon, ich muss jetzt immer bei den Cheerleadern zu Mittag essen. Ständig dieses dumme Gekicher. Gott, da bekommt man ja Selbstmordgedanken. Würde mir das Cheerleading nicht so viel Spaß machen, dann hätte ich ihnen schon längst meinen Hintern gezeigt.", höre ich meine beste Freundin hinter mir sagen, weshalb ich anfange zu lachen.

Als ich die Bücher für meine ersten beiden Stunden in meiner Tasche verstaut habe, drehe ich mich zu Lia um.
„Dann bin ich ja froh, dass du noch unter den Lebenden bist.", grinse ich sie an, woraufhin sie mich stürmisch in den Arm nimmt.

„Du warst doch gestern noch bei mir.", lache ich.
„Stimmt, aber das ist nicht das Selbe!", schmollt sie, kann sich aber nicht lange das Grinsen verkneifen.

„Also, hast du letzte Nacht von deinem Prinz Charming geträumt?", fragt sie mich hinterlistig, während wir zusammen zum Unterricht gehen.
Doch als sie ihre Frage ausgesprochen hat, bleibe ich stehen und sehe sie verwirrt an.
Ihr Grinsen wird breiter, als sie meinen Blick sieht.
„Du weißt schon. Dyl-"
„Ok. Halt die Klappe, Lia!"
„Also hast du?", wackelt sie anzüglich mit ihren Augenbrauen.
„Gott, nein!", rufe ich aus und laufe mit gesenktem Blick an ihr vorbei.
Sie muss ja nicht wissen, dass ich es getan habe.

„Du hast von ihm geträumt!"
„Hab ich nicht!"
„Hast du wohl!"
„Hab ich nicht"
„Hast du wohl!"
„Ja. Ok, hab ich!"
„Hast du-warte was?!"

Ich gehe schnell in den Klassenraum und setzte mich an meinen Platz, ohne Lia zu antworten.
Doch keine zwei Sekunden später, sitzt sie neben mir und sieht mich erwartungsvoll an.
„Es war nichts Besonderes. Ich habe nur davon geträumt, wie wir wieder im Aufzug eingeschlossen waren. Nichts weiter!"
„Nichts weiter!", äfft sie mich nach, weshalb ich ihr meinen Ellenbogen sanft in die Seite boxe.
~

„Ich hasse Geschichte. Ich schmeiße mein Abi, wenn ich dieses Fach noch länger weiter machen muss.", regt sich Lia, kurz nachdem wir den Raum verlassen haben, auf.
„Es liegt nicht am Fach, sondern am Lehrer. Ich glaube Geschichte ist eigentlich ganz interessant, aber bei Mr. Faires ist es einfach nur langweilig."
„Kannst du laut sagen. Ich meine, ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was das mit mir zu tun hat.", jammert sie immer noch.
„Relativ viel, weißt du. Wäre es damals nicht so gewesen, dann wärst entweder du oder ich oder die Schule nicht entstanden. Und wenn-"
„Ich kenne den Klugscheißer nicht!", unterbricht sie mich plötzlich etwas lauter und geht schnellen Schrittes vor mir.
Hab ich etwas verpasst?

Ich schüttele kurz verwirrt den Kopf, ehe ich ihr hinter her gehe.
Bei meinem Spind bleibt sie schließlich stehen und dreht sich grinsend zu mir um.
„Du kannst also doch nicht ohne mich!", lächele ich sie wissend an, woraufhin sie ernst den Kopf schüttelt.
„Ich wäre ohne dich aufgeschmissen!", erwidert sie ehrlich.
Doch ich grinse nur und erwidere: „Ich weiß!"

Sie hat mich damals terrorisiert.
Immer wieder ist sie angekommen und hat mich nicht einfach, so wie alle anderen, links liegen gelassen.
Sie war die Einzige, die sich um die schüchterne Neue gekümmert hat.

Ich öffne meinen Schließfach und hole mir diesmal die Bücher für den restlichen Tag heraus.
„Kommst du heute noch mit zu mir?", frage ich sie als wir auf den Schulhof gehen.
Mama und Papa sind arbeiten und die Jungs sind nicht da. Aber was sie machen, weiß ich nicht, denn sie haben mich eiskalt belogen. Sie meinten, sie würden nach der Schule zu Dylan gehen, um für den anstehenden Test zu lernen. Ganz witzig, nicht? Sie konnten noch nie gut lügen.

„Ich kann nicht. Tut mir leid."
Ich würde sie ja gerne fragen, was sie denn vor hat und warum sie nun meinem Blick ausweicht, aber daran werde ich gehindert, als man mich plötzlich von hinten anrempelt.

Ich drohe mein Gleichgewicht zu verlieren, aber werde glücklicherweise von dem Übeltäter am Arm festgehalten.
Als ich aufschaue, wünsche ich mir jedoch hingefallen zu sein.
Doch anstatt mich los zu lassen, grinst Dylan mich weiterhin hinterhältig an.

„Was willst du Dylan?", zische ich, da die Schüler um uns herum immer mehr werden.
Klar, Dylan ignoriert ja eigentlich jeden.
„Ich bleibe bei meiner Antwort und du?", grinst er immer noch.

Ich entreiße ihm meinen Arm und schnappe mir Lia, die schon große Augen bekommen hat, bevor ich ihm auf seine Frage antworte.
„Ich auch!"
Ich grinse so siegessicher wie er und verschwinde in der Menschenmasse.

„Was war das? Und was meinte er damit?", fragt mich Lia neugierig und verwirrt.
Ich habe ihr den Teil im Café verschweigen. Was weiß ich, warum. Und mir schien es so, als sei es nicht wichtig.
Ich seufze, ehe ich ihren Mund mit meiner Hand zuhalte, da sie schon am spekulieren war, was das sollte.

„Ok, Lia. Ich erzähle dir das nur, wenn du nicht so reagierst, wie ich vermute.", sage ich und nehme meine Hand weg.
„Was vermutest du denn, wie ich reagiere?"
„Du würdest mich angrinsen, ehe du dann anfängst, weiter darüber zu spekulieren."

Sie nickt, weshalb ich seufze und mir die Menschen in meiner Umgebung ansehe.
Sie scheinen alle auf ihr Gespräch konzentriert zu sein.
„Dylan hat mich ins Café gebracht, aber er ist nicht direkt weiter gefahren. Er ist mir hinter her und hat mich gefragt, wie ich an den Job gekommen bin. Ich bin im Büro verschwunden, um mich umzuziehen und als ich wieder nach vorne gekommen bin, stand er immer noch da. Ich fragte ihn, was er noch wolle, woraufhin er meinte, er würde sein Dankeschön haben wollen. Ich meine, der Idiot wollte, dass ich mich bei ihm bedanke, obwohl er mich angefahren hat. Aber die Höhe war dann, als er mir sagte, was er haben wolle. Er will einen Kuss und-er ist ein sexgesteuerter Idiot.", beende ich meinen Monolog.

Als ich dann wieder in Lias Augen schaue, denn während meines Vortrages habe ich mir die ganzen Schüler angeguckt, sehe ich dieses Funkeln.
„Lia, bitte.", jammere ich, doch ich kann sehen, dass sie es nicht zurück halten kann.
Ihr Grinsen wird sichtbar und immer breiter. Es bilden sich sogar schon Lachfalten um ihre Augen, die ich bei ihr liebevoll ‚Teufelsfältchen' nenne.

„Und? Hast du ihn geküsst?"
„Spinnst du?! Er hat mich mit dem Auto angefahren!", sage ich und gehe an ihr vorbei, zurück ins Schulgebäude, da es zur nächsten Stunde geklingelt hat.

„Aber du denkst darüber nach, habe ich Recht? Du fragst dich immer und immer wieder, ob es dir gefallen hätte, stimmt's?"
„Auf jeden Fall!", sage ich so ironisch wie möglich, auch wenn ihre Vermutungen fast der Wahrheit entsprechen. Aber eben nur fast.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt