41-Zwillinge

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I've told you now-Sam Smith

„Wir sind dann jetzt weg, Liebling. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht wo deine Brüder sind, aber wenn sie vor 23 Uhr nicht wieder da sein sollten, dann rufe sie bitte an. Aber du schaffst das schon alleine!", verabschiedet sich Mama und gibt mir ein Küsschen auf die Wange.
Ich begleite Mama noch bis zur Tür, von wo aus ich meinen Eltern noch zu winken kann, als sie fahren.
Sie sind heute Abend bei Ana und Max eingeladen, da beide mal keine Schicht im Krankenhaus machen müssen.

Montagabend und ich bin alleine zuhause. Am liebsten würde ich jetzt in mein Bett gehen und schlafen, aber wenn ich ganz oben bin, bekomme ich kaum mit, wenn hier unten etwas vor sich geht.
Also wickele ich mich in meine Kuscheldecke ein und setze mich auf die Couch um mir einen Film anzusehen.
Die Worte von Mason am Morgen gehen mir dabei immer durch meinen Kopf und ich frage mich, ob er auch mit Lia geredet hat.
Ist das jetzt die Strafe dafür, dass ich damals nur Mist gebaut habe?!

Meine Augen fallen mir allmählich zu, da ich die Komödie nicht einmal im Ansatz lustig finde.
Ich schaue abermals auf mein Handy und muss feststellen, dass es erst viertel vor neun ist. Ich versuche mich aus meiner Decke zu befreien, um mir dann atemlos etwas zu trinken zu holen. In der Küche stehe ich einige Sekunden vor dem Fenster bis ich begreife, dass ich das Auto, welches auf der anderen Straßenseite steht, durchaus kenne.
Langsam stelle ich mein Glas in die Spüle und lasse das Auto nicht aus den Augen. Als ich meine Gedanken wieder geordnet habe, beeile ich mich, zur Tür zu kommen.
Ich reiße diese auf, als ich durch die milchige Glasscheibe eine Person erkennen kann.

Lia scheint mit mir gerechnet zu haben, denn sie schiebt mich ohne ein Wort zu sagen beiseite und geht an mir vorbei.
Ich sehe ihr verdutzt hinter her, doch sie winkt einfach ab, weshalb ich ihr bis ins Wohnzimmer folge.
Die Komödie läuft immer noch im Hintergrund, aber ich werde den Fernseher nicht ausstellen.
Von mir aus kann sie ruhig denken, dass ich den Film eigentlich zu Ende gucken will.
Auch wenn ich dies nicht wirklich will.
Ich verschränke meine Arme vor meiner Brust, damit ich etwas selbstbewusster wirke, doch Lia kennt mich dafür eigentlich zu gut.

„Es kostet mich sehr viel Überwindung, dir das jetzt zu sagen. Hätte Mason mich dazu nicht überredet, dann kannst du mir glauben, dass ich nicht hier wäre. Aber es tut mir leid. Wirklich! Ich wollte nicht, dass das jeder erfährt, da ich dich irgendwie verstehen konnte. Aber ich wollte dich doch auch nur beschützen und dachte, wenn ich es deinen Brüdern erzähle, dass sie dich dann auch beschützen könnten. Ich konnte ja nicht wissen, dass Dylan sofort zu Evelyn rennt und das mit ihr vor allen klären will. Ich hatte doch nur Angst um dich!", flüstert sie am Ende und sieht mir wieder für einen kurzen Moment in die Augen, denn sie hasst Augenkontakt. Sie scheint sich ihre Worte schon im Vorfeld zurecht gelegt zu haben.

„Ich kann dich trotzdem nicht verstehen. Normalerweise wollte ich, dass Lucas und Toby das Ganze nie erfahren. Aber es ist nun einmal so und ich kann es nicht mehr ändern, auch wenn ich das gerne wollen würde. Aber davon kann ich jetzt nicht ausgehen. Das einzige was ich noch ändern und retten kann, ist unsere Freundschaft. Ich meine, wer bin ich ohne dich. Wer war ich die letzte Woche ohne dich!", lache ich bitter, als ich feststelle, dass ich ohne Lia ein niemand bin.
„Eigentlich habe ich nur auf eine Entschuldigung gewartet, denn ich wollte dir nicht einfach so verzeihen!", rede ich weiter und gehe einen Schritt auf sie zu.
Zu meinem Entsetzten geht Lia im gleichen Moment einen zurück.

Ich sehe sie fragend an, woraufhin sie ihren Blick wieder auf etwas anderes heftet.
„Bevor du mir jetzt verzeihst, muss ich dir noch etwas sagen. Ich will die Lügen nämlich jetzt aus der Welt schaffen!", sagt sie Ernst und sieht mich wieder für einen kurzen Moment an.
Ich verstehe nicht recht, was sie damit sagen will. Was ist so schlimm, dass ich ihr doch nicht mehr verzeihe. Ich warte darauf, dass sie wieder etwas sagt, doch sie atmet noch einige Male tief ein und aus. Sie scheint sich selber damit beruhigen zu wollen, aber es klappt nicht, denn sie streicht sich unruhig eine Strähne hinters Ohr.
„Ich-ich habe mich verliebt!", sagt sie leise und ich kann ihr ansehen, dass ein kleiner Stein von ihren Schultern gefallen ist.
Ich bin jetzt völlig durcheinander.
„Das ist doch schön, oder nicht?", frage ich sie verwirrt, weshalb sie leicht den Kopf schüttelt.
„Ich habe mich in Toby verliebt!", sagt sie mit rauer Stimme.
Ich versuche meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, doch es fällt mir verdammt schwer.
Das, was mein Kopf schon längst kapiert, will mein Herz aber nicht verstehen.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt