44-Hoffnungsschimmer

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Helium-Sia

„Hast du dir deine Verletzungen schon angesehen?", frage ich ihn und gehe ein wenig auf den Schreibtisch zu, damit ich meine Tasche daneben abstellen kann.
Dylan steht immer noch mit dem Rücken zu mir und schüttelt nur den Kopf.
„Darf ich sie mir denn noch einmal ansehen?", frage ich ihn vorsichtig und mache einen weiteren Schritt in seine Richtung. Er dreht sich langsam und vorsichtig um, damit er mir endlich in die Augen schauen kann.

Die Wunde unter seinem Kinn ist nun mit einer dunklen Kruste bedeckt und wird von blau-grünen Farben umrundet. Mein Blick wandert etwas weiter herunter, während sich unser Atem langsam vermischt.
Unterhalb seines rechten Schlüsselbeines sind zwei große blaue Flecken zu erkennen, die wirklich schmerzhaft aussehen.
Hätte sein Gegenüber nur ein paar Zentimeter weiter oben getroffen, wäre dies wahrscheinlich gebrochen gewesen. In seiner Magengegend kann ich gleich fünf riesige Hämatome erkennen, die sich langsam schon in einem dunklen Grün verfärben.
Die offenen Wunden von gestern haben sich über die Nacht hinweg geschlossen.
Ich mache noch einen kleinen Schritt auf Dylan zu und hebe langsam meine rechte Hand, um ihm leicht über die Linien seiner Blutergüsse zu fahren.
Als meine Finger seine Haut berühren, zuckt Dylan leicht zusammen, entspannt sich aber direkt wieder und lässt mich einfach machen.
Ich fahre vorsichtig über seine verblassten Narben und ich habe das Gefühl, dass sein Körper mir eine Geschichte erzählt, ohne dass ich sie verstehe.
Nach einigen Minuten merke ich plötzlich wie Dylan sich zu mir herunter beugt und sein Kinn vorsichtig auf meinem Kopf ablegt. Zusätzlich schlingt er seine starken Arme um meinen zierlichen Körper und drückt mich ganz nah an sich. Ich spüre seinen gleichmäßigen Herzschlag und frage mich sofort, ob Dylan meinen unregelmäßigen auch spürt.

Langsam schließe ich meine Augen, denn ich fange wirklich an diese Umarmung zu genießen. Wahrscheinlich hatte ich so etwas gerade auch nötig, denn seit gestern fühle ich mich so einsam.
Meine Brüder waren immer für mich da und jetzt sind sie weg. Genauso wie meine beste Freundin.

„Danke!", flüstert Dylan plötzlich leise, weshalb ich leicht lächeln muss.
„Wofür?", frage ich genauso leise denn eigentlich müsste ich mich bedanken.
„Dafür, dass du nicht erschrocken die Flucht ergriffen hast und dich um mich gekümmert hast!", antwortet er mir ebenfalls leise, denn wahrscheinlich will keiner die Stimmung zerstören.
Gerade als ich mich auch bei ihm bedanken will, klingelt es plötzlich an der Haustür.

Zu meinem Leidwesen entfernt sich Dylan von mir und geht langsam an mir vorbei.
„Erwartest du jemanden?", frage ich ihn noch bevor er das Zimmer verlässt. Er antwortet mir mit einem schlichten nein und meint, dass ich oben bleiben soll.
Ich bin aber zu neugierig, weshalb ich leise hinter ihm her schleiche und oben am Treppenanfang stehen bleibe, da ich die Tür und auch Dylan im Blick habe.
Er selber hat gar nicht gemerkt, dass ich ihm gefolgt bin oder es war ihm schlichtweg egal.

Doch als der große Junge, der nebenbei immer noch oberkörperfrei ist, die Tür öffnet und mir die Sicht auf die Person beziehungsweise Personen dahinter freigibt, stockt mir sofort der Atem.
„Wo ist sie?", fragt Lucas wütend und geht an ihm vorbei.
Toby hingegen unterhält sich kurz mit Dylan, während Lucas den Eingangsbereich nach mir absucht.

Ich stehe starr an der Treppe, während mein Blick die Zwillinge nicht freilässt.
Toby scheint diesen gemerkt zu haben, denn er sieht mir plötzlich traurig in die Augen.
Ohne dass ich weiß, was meine Füße vorhaben, drehe ich mich um und laufe schnellst möglichst in das Badezimmer auf der Etage und schließe mich, wie vorhin schon, ein.
Dylan muss sie angerufen haben, denn woher sollten sie sonst wissen, dass ich hier bin. Er hat mich einfach angelogen.

Als ich eben in die Augen von Toby gesehen habe, habe ich mich sofort in die gestrige Situation hinein versetzt gefühlt.
Mein Herz schlägt viel zu schnell und ich habe das Gefühl, dass es mir gleich aus meiner Brust springt.
Nach einigen Sekunden höre ich wie die Türklinke herunter gedrückt wird, da ich aber abgeschlossen habe, kommen sie nicht herein.
Außer Dylan gibt ihnen einen Ersatzschlüssel.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt