11-Emily

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I'll be good - Jaymes Young

Kann man sich vorstellen, dass Lia gestern in meiner Hängematte gesessen und mich nicht aus den Augen gelassen hat, wobei sie die ganze Zeit grinste? Sie war verdammt anstrengend!

Irgendwann bin ich zu ihr hin und habe sie geschüttelt. Dabei habe ich ganz verzweifelt geschrien, wo meine beste Freundin hin ist.

„Du sitzt in der Zwickmühle. Du willst ihn küssen, aber durch ein Date könntet ihr euch näher kommen.", sagte sie und ihr Grinsen wollte einfach nicht von ihren Lippen verschwinden.

Ich will nur, dass er mich in Ruhe lässt. Nicht mehr und nicht weniger. Aber ich werde ihn weder küssen, noch werde ich mit ihm auf ein Date gehen.
~

„Und hast du dir schon etwas überlegt?"
„Ja, ich denke, ich schreibe über Selbstzweifel. Ich könnte relativ viel darüber schreiben und heutzutage-"
„Mensch Zoe! Ich habe nicht über das Referat geredet, sondern über die Sache mit Dylan."
„Hast du eigentlich noch andere Probleme? Ich werde nichts machen. Der hat doch sowieso kein Interesse. Dylan macht sich nur über mich lustig. Und jetzt hole ich mir etwas zu Essen."
„Hast du schlecht geschlafen oder was?"
Sie rennt mir hinter her und hört sich ebenfalls genervt an.
„Man könnte es auf gar nicht stufen!", sage ich wieder neutral. Ich will jetzt keinen Streit anfangen.

„Du hast dir deinen Kopf darüber zerbrochen, stimmt's?"
Ja, habe ich! Ich habe mich einfach gefragt, woher der Sinneswandel kommt und was er von mir will. Ich meine, er kann sich gar nicht für mich interessieren. Ich bin ein Mädchen, das man nicht kennt. Keiner außer Lia weiß, warum ich vor drei Jahren mitten im Jahr die Schule gewechselt habe. Klar, es gab viele Gerüchte aber man hat mich nie gefragt.
Ich hatte genug eigene Probleme.
„Im Moment überschlagen sich alle meine Gedanken."

Schweigend holen wir uns etwas zu essen und genauso sitzen wir auch an unserem Platz. Diese Stille zwischen uns ist ungewohnt, doch gerade bin ich froh, alleine in meinen Gedanken gefangen zu sein.

„Ich halte das nicht aus!", spricht sie plötzlich verzweifelt aus, nachdem ich auch nach fünf Minuten mein Essen nicht angerührt habe. Aber komischerweise ist mir der Appetit vergangen. Ich stütze meinen Kopf in meinen Händen, denn ich habe Angst, dass er gleich auf die Tischplatte knallt.
„Ich weiß, dass es sich jetzt bald zum dritten Mal jährt. Aber verdammt. Rede doch mit mir! Ich dachte echt, dass Dylan dich wenigstens von den vielen Gedanken weg bringen kann, aber scheinbar verschlimmert er es nur."
Es dauert einen Moment bis mir klar wird, dass es jedes Jahr nur schlimmer werden würde, wenn ich nicht weiß, wie es ihm geht.
Ich muss sehen, dass er in seinem Leben nicht mehr glücklich wird. Er hat mich zu einem ganz anderen Menschen gemacht.

„Ich muss ihn besuchen!"
Ich nehme mir mein Tablett in die Hand, um es auf die Ablage zu stellen. Auch wenn ich davon nichts angerührt habe.
„Warte was?"
„Ich muss mit ihm reden."
„Redest du von-"
„Ja" Ich weiß, dass sie die richtigen Schlüsse gezogen hat.
„Ich glaube nicht, dass deine Eltern das erlauben. Ganz zu schweigen von deinen Brüdern."
Sie hastet mir hinter her, da ich aus der Cafeteria stürme.
„Ich kann nicht eher damit abschließen. Ich muss ihn finden."

Mein Entschluss steht fest. Auch wenn ich Angst habe, ihm gegenüber zutreten, werde ich nicht eher meine Ruhe finden können.
Es hat ein bisschen gedauert, meine beste Freundin davon zu überzeugen, doch letztendlich hat sie mir versprochen, hinter mir zu stehen.
Heute bin ich ausnahmsweise mal nicht ins Café gegangen, da ich noch jede Menge Hausaufgaben machen muss.
Doch selbst als ich mit meiner Wärmeflasche an meinem Schreibtisch sitze und versuche, mich zu konzentrieren, gerät mein Blick immer und immer wieder zu meinem Handy.
Ich werde mich nicht eher konzentrieren können, bis ich sie angerufen habe.

Ohne lang zu zögern, nehme ich mein Smartphone in die Hand und gebe die Nummer ein. Sie ist so vertraut und doch so fremd. Ich hadere kurz, bevor ich auf den grünen Button drücke.

Hoffentlich hat sie ihre Handynummer behalten. Ich warte, höre nur das kurze Tuten am Ende meines Handys, was mir jedoch wie Stunden vorkommt.

Irgendwann nimmt sie ab und meldet sich mit einem knappen ‚Hallo'.
Ich will ihr antworten, doch es kommen mir keine Wörter über meine Lippen.
Meine einzige Reaktion auf ihre Stimme ist die Träne, die mir langsam über meine Wange läuft.
„Zoe? Ich habe deine Nummer erkannt. Wenn du jetzt nichts sagst, lege ich wieder auf."
Ihre Stimme lässt meine Adern erfrieren. Sie verachtet mich.

„Em..."

Meine Stimme zittert und ist ganz leise. Wann bin ich nur so emotional geworden?

„Nur meine Freunde dürfen mich Em nennen." Ihre Antwort kommt sofort und mit ihrer Stimme könnte sie ein Blatt Papier zerschneiden.
„Emily, bitte ich muss mit dir reden. Ich will-"
„Ach du musst mit mir reden? Nach drei Jahren? Was hat deine Meinung geändert? Oder ist dir wieder eingefallen, dass du deine ehemalige beste Freundin als ein Wrack zurück gelassen hast und dich ein Dreck um sie geschert hast?"
„Das-das wollte ich nie! Du warst-"
„Hör auf, drum herum zu reden. Deine Eltern haben dir den Umgang mit mir und dem Rest unserer Clique verboten. Also, was willst du?" Ihre Stimme ist immer noch so kalt und ich erkenne sie kaum wieder.
„Wo ist er im Moment?"
„Ich hätte es wissen müssen. Ich bin so blöd. Du fragst nicht einmal wie es mir geht. Wenn du Henry meinst, der sitzt im Knast."

Wie konnte ich nur so dumm sein. Ich hätte sie fragen müssen, wie es ihr geht und doch habe ich nur auf meine Absichten geachtet.
„Em... Es tut mir leid... Wo bist du gerade?"
Sie schnalzt mit ihrer Zunge, so sehr missfällt es ihr, dass ich ihren Spitznamen verwendet habe.

„Was interessiert es dich, wo ich mich aufhalte?"
„Können wir uns vielleicht treffen? Wir könnten reden."
Ich versuche meine Stimme ruhig zu halten. Versuche in meine Stimme zu legen, wie wichtig es mir ist.
Sie scheint zu überlegen, denn ich höre eine ganze Zeit lang nur ihren Atem, bis plötzlich eine Tür auf der anderen Seite auf und dann wieder zugeschmissen wird.

„Sie ist am Telefon und will sich treffen."
Wie sie das ‚sie' betont, ist pures Gift in meinen Ohren. Verachten sie mich etwa so sehr?

„Schön. Dan kommt mit. Ich schreibe dir wann. Wenn du da bist, hast du Glück. Wenn nicht, hast du deine Chance verspielt."

Und damit legt sie auf. Jetzt brauche ich auch keine Hausaufgaben mehr machen, denn ich bin emotional völlig aufgewühlt.
Ich hätte wissen müssen, dass es Konsequenzen mit sich bringt, einfach so zu verschwinden. Ich liege in meinen vielen Kissen und heule mir die Augen aus. Ich will mich zwar weiterhin von ihnen fern halten, aber ich vermisse sie so sehr.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt