46-Millimeter

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Mud blood-Loïc Nottet

Wir redeten noch etwas, bis Papa plötzlich einen Anruf bekam und sofort in seine Praxis musste.
Mama setzte er vorher noch Zuhause ab, weshalb sie mich jetzt wieder alleine gelassen haben.
Klar, bleiben die Worte meiner Eltern noch einige Zeit in meinem Kopf und stehen auf Dauerschleife.

Ich schaue kurz auf die Uhr und stelle fest, dass es sich nicht mehr lohnt in den Unterricht zu gehen.
Ich laufe mit langsamen Schritten zu meinem Spind und lege meine Tasche hinein, damit ich schon einmal in die Cafeteria laufen kann, sodass ich nicht lange für mein Essen anstehen muss.

Tatsächlich sind die Köchinnen schon voll in ihrem Element und als es klingelt, nehme ich mir schnell ein Tablett und lasse mir das heutige Tagesgericht geben. Mit vollem Teller gehe ich entgegengesetzt den Schülerstrom, weshalb es ein wenig dauert bis ich draußen ankomme.
Die Tribüne ist leer, da die meisten Schüler drinnen essen oder sich auf die Wiese setzen. Ich kann wahrscheinlich von Glück sagen, dass ich meinen Brüdern noch nicht über den Weg gelaufen bin, denn ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll.

Meine Eltern haben Recht, dass wir eine Familie sind und wir uns doch lieb haben, aber sie wollen mich ja gar nicht.
Es ist ein schrecklicher Teufelskreis.

Ich schiebe mir den letzten Löffel Reis in meinen Mund, als sich plötzlich jemand neben mich setzt.
Ich brauche gar nicht aufzuschauen, denn ich weiß, dass es Dylan ist.
Alleine seine Präsenz bereitet mir auf meinen Armen eine Gänsehaut, obwohl ich immer noch sauer bin.
Es ist unfassbar, dass mein Körper so intensiv auf ihn reagiert.

„Du bist heute Morgen aus dem Auto von diesem Mason ausgestiegen. Warst du in der Nacht etwa bei ihm?", fragt er plötzlich und beginnt das Thema relativ harsch.

Ich blicke auf mein Essen und ziehe unbemerkt meine Augenbraue hoch. Ist er jetzt etwa sauer, weil ich bei Mason anstatt auf der Straße geschlafen habe?!
Dieser Typ ist einfach unglaublich!

„Lucas und Toby streiten drinnen und reißen sich fast die Köpfe ab und du sitzt hier und starrst auf den Schulhof!", fängt er wieder an und ich muss mir eingestehen, dass ich seine Stimme irgendwie vermisst habe.
Ich antworte ihm jedoch nicht und nehme mir noch einen Löffel von meinem Eintopf.

„Interessiert es dich etwa nicht, was ich sage?", fragt er und lässt seinen Blick über meine Gestalt wandern. Ich spüre seinen brennenden Blick deutlich auf meiner Haut, lasse mich jedoch nicht komplett aus der Fassung bringen.
Ich bin wütend und das wohl zu recht.

Nach kurzer Zeit höre ich Dylan seufzen, doch auch dieses Mal schaue ich ihn nicht an, was mich enorme Überwindung kostet.
Es bricht mir das Herz ihn jetzt zu ignorieren, aber ich kann auch stur sein.
„Bist du sauer, weil ich dich gestern weg geschickt habe?", fragt er verwirrt und verständnislos, doch auch diesmal verliere ich kein Wort.

„Ok, weißt du, ich wollte dich loswerden, weil deine Brüder und ich dachten, dass du dann wieder nach Hause gehen würdest. Und als du nicht ankamst-wir haben dich die ganze Nacht gesucht und haben dich nicht gefunden. Und dann sehe ich wie du aus dem Auto des Nichtsnutzes aussteigst!", antwortet er auf seine selbstgestellte Frage und klingt äußerst genervt und impulsiv.
Ist er etwa eifersüchtig?

Ich schüttle kaum merkbar meinen Kopf, denn das ist völlig absurd. Ich stehe wieder auf und drehe mich in seine Richtung.
Unter seinen Augen kann ich wirklich starke Augenringe erkennen, doch da ich ihm nicht weiter in die Augen schauen will und kann, wende ich meinen Blick wieder ab.

„Was? Wo willst du hin?", fragt er mich immer noch völlig durch den Wind und diesmal kann ich es nicht mit meinem Herzen vereinbaren ihm nicht zu antworten.
„Ich bringe mein Tablet rein.", sage ich knapp und steige schnell über seine Beine hinweg.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt