Prolog-Die Höhle der Löwen

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„Bitte!"
„Nein!"
„Bitteeeeee!"
„Nein, Lia!"
„Komm schon, Zoe!"
„Nein!", sage ich immer noch entschlossen. Doch ich weiß, dass sie weiß, dass wenn sie ihren Hundeblick aufsetzt, mich zu allem überreden kann.

„Bring ihm das Relibuch doch selber! Ich weiß ja nicht, warum du es überhaupt mit genommen hast! Wir haben doch nichts mit ihm zu tun. Und du weißt ganz genau, dass ich auch nie etwas mit ihm zu tun haben will!"
„Ich weiß, aber meine soziale Seite kam in dem Moment zum Vorschein und-ich kann das nicht! Ich würde keinen Ton heraus bekommen. Du weißt, wie einschüchternd ich ihn finde!", setzt sie ihren Hundeblick ein.
Oh man! Ich schaue in seine Richtung, nur um den Blick meiner besten Freundin zu entkommen.

„Tu's für mich, Zoe. Bitte!", quengelt Lia.
Ich hasse sie! Nein eigentlich habe ich sie sogar ganz lieb, außer in solchen Momenten.
„Ich hasse dich!", sage ich trotzdem sauer und entreiße ihr das scheiß Buch.
„Nein, eigentlich liebst du mich. Und vielleicht dankst du mir ja auch bald dafür", grinst sie.
„Ganz sicher nicht!" Ist das letzte, was ich sage, bevor ich ihr meinen Rücken zuwende.

Ich setze langsam einen Fuß vor dem anderen und versuche, nicht zu stolpern, wobei mir das Schulbuch ganz schwer in den Händen liegt. Ich kann nicht fassen, dass ich das wirklich mache.
Ich halte das Relibuch von Dylan McGowan in meinen Händen und ich bereue schon, es überhaupt angenommen zu haben.

Er ist der typische Junge, dem die Schule und die Menschen außerhalb seines Freundeskreises egal sind. Jedes Wochenende wird auf irgendeiner Party gefeiert, wobei er seinem Motto stets treu bleibt.
„Saufen bis der Krankenwagen kommt!" Woher ich das weiß? Meine Brüder sind genauso.
Gut, man könnte jetzt sagen: Jeder ist auf seine Art unterschiedlich, blablabla.
Nein, meine Brüder sitzen auch am besagten Jungentisch, auf den ich nebenbei immer noch zusteuere.

Jeder an diesem Tisch ist beliebt. Wie kann es auch anders sein, denn auch jeder ist im Footballteam. Weshalb man Drogen bei ihnen ausschließen kann. Klar, Alkohol ist auch eine Droge, aber ich meine diese, die man sich auch mal gerne durch die Nase zieht.
Jeder von ihnen erhofft sich nämlich ein Stipendium und wenn heraus käme, dass sie Drogen nehmen würden, wäre ihre Karriere im Arsch! Aber sie können tun und lassen, was sie wollen, da es ihre Karriere ist und nicht meine.

Ich komme dem Tisch immer näher, sogar meine Brüder haben mich bemerkt und mustern mich erschrocken. Es muss für sie extrem schwer sein, sich an meine Bitte zu halten.
Als ich hinter Dylan stehe, habe ich keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich hätte mir vielleicht darüber Gedanken machen sollen, anstatt über ihre Zukunft.
Ich öffne meinen Mund, um ihn dann wieder zu schließen. Und das ganze drei Mal hinter einander.

Die Cafeteria wird immer leiser, doch da ist niemand, der sein Tablett hat fallen lassen und somit die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nein, immer mehr Augenpaare richten sich auf mich. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass man mich sonst in der Schule nicht bemerkt.
Die Jungs am Tisch sehen mich nun auch an. Naja, jeder außer Dylan. Ich hole ein letztes Mal tief Luft, bevor ich anfange, zu reden. „Ähm-Dylan-Also-meine Freundin hat dein Relibuch gefunden und es mitgenommen und da hat sie mir den Auftrag übergeben es dir wieder zu geben. Also hier!", sage ich viel zu schnell und lache am Ende nervös.
Habe ich gerade wirklich Auftrag gesagt?!

Ich halte ihm das Buch entgegen, doch der werte Herr meint, sich nicht umdrehen zu müssen. Er hat nicht einmal gezuckt, als ich ihn mit seinem Namen angesprochen habe. Dylan isst seelenruhig sein Mittagessen weiter und scheint nicht zu interessieren, dass er dabei beobachtet wird. Es sieht auch nicht danach aus, als würde er sich noch erbarmen, sich zu mir umzudrehen, um mir freundlich das Buch aus der Hand zu nehmen.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt