26-hoher Besuch

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Ich kann einfach nicht verstehen, was Dylan damit bezwecken will. Auch wenn er mich jetzt nicht ins Bett bekommen hat, hat er doch einen klitzekleinen Teil erreicht. Ihm muss es doch reichen, dass er mein Geheimnis aufgedeckt hat. Und doch steht er vor mir und verlangt nach einer zweiten Chance.

Und auch am Mittwoch lässt Dylan mich nicht in Ruhe.
Zwar hatte ich bis gerade eben die Hoffnung gehabt, dass er es tut, doch jetzt kann ich ihn schon in meiner Nähe spüren.

Als ich mich umdrehe, kann ich Dylan tatsächlich am anderen Ende des Schulflures erkennen.
Auch wenn er sich gerade mit einem seiner Freunde unterhält, starrt er mir in die Augen.
Ich muss mich zusammen reißen, damit ich mich wieder zu meinem Spind drehe.
Ist es nicht gediegen, dass ich ihm den ganzen Schultag aus dem Weg gehen konnte-selbst in meinen Gedanken- und ich ihm jetzt am Ende noch begegnen muss?

Ich schließe leise und langsam meinen Spind und drehe mich schnell um, damit ich auch genauso schnell hier verschwinden kann.
Lucas und Toby warten wahrscheinlich schon auf mich.
Doch ich halte in meiner Bewegung inne, als sich meine Augen auf eine breite Brust richten.
Ich habe auch nie Glück.
Als ich aufblicke, sehe ich in die teuflischsten und schönsten braunen Augen, die ich je gesehen habe.

„Und hast du darüber nach gedacht?", fragt er und grinst mich dabei an. Seine Haare haben heute scheinbar schon etwas gelitten, denn sie stehen wie wild in alle Richtungen. Aber ich glaube, dass es niemanden besser stehen könnte als ihm.

Und genau deshalb muss ich mich jetzt beherrschen, nicht über ihn herzufallen.
Langsam aber bestimmt drücke ich mich an ihm vorbei, damit ich meinen Weg zum Ausgang fortsetzen kann.
„Ach komm schon, Zoe! Du willst mich doch nicht ignorieren. Das würdest du gar nicht aushalten."

Diese Mischung aus zu viel Selbstbewusstsein und absolut heißes Aussehen macht ihn so unwiderstehlich.
Da ich nicht stehen bleibe, läuft er mir hinter her und bleibt erst stehen, als ich es tue.
Zwar hat er die ganze Zeit versucht, dass ich mit ihm rede, doch ich bin immer noch sauer.
Er ist gestern ja noch nicht einmal mehr auf meine Vorwürfe eingegangen!

Als ich draußen stehe, scheint mir die Sonne ins Gesicht, weshalb sich meine Stimmung gleich etwas bessert.
Die meisten Schüler stehen noch auf dem Schulhof, da sie entweder auf den Bus oder auf Freunde warten.
Ich lasse meinen Blick über sie gleiten, da ich meine Brüder suche. Ihr Auto steht zwar noch da, aber entdecken, kann ich sie nicht.
Erst als Dylan wieder anfängt zu sprechen und ich meinen Blick ein zweites Mal schweifen lasse, erkenne ich ein anderes Auto, das mir genauso bekannt ist.

Ich weiß gar nicht worüber Dylan spricht und das ist mir auch so etwas von egal, weshalb ich einfach los renne. Ich renne und vergesse meine Schiene, dränge mich durch die vielen Schüler und erst jetzt begreife ich, warum sie hier stehen.
Jeder will wissen, was er hier macht. Levin lehnt lässig an seinem Auto und ich hätte ihn fast nicht wieder erkannt.

Seine dunklen Haare sind noch länger geworden und seine Haut ist richtig gebräunt.
Scheinbar hat er gemerkt, dass ich auf ihn zu renne, denn er hebt seinen Blick und sieht mir direkt in die Augen.
Als Levin mich erkennt, fängt er an, zu grinsen und breitet seine Arme aus, denn er weiß genau, was in meinem Kopf vorgeht.

Ich springe ihm in die Arme und drücke ihn so fest an mich, dass kein Blatt zwischen uns passt.
Levin dreht uns mehrmals um unsere eigene Achse und kommt dabei kein einziges Mal an sein Auto.
„Was habe ich dich vermisst!", flüstert er und ich merke, wie er mir einen kurzen Kuss auf die Wange haucht.

Er trägt mich immer noch und ich würde ihn am liebsten gar nicht los lassen, doch da höre ich eine bestimmte Stimme hinter mir.
„Eine bessere Show hättet ihr gar nicht hin legen können!"
Ich merke wie Levin lacht und mich schließlich wieder auf den Boden stellt.

Mein gespielt böser Blick haftet sich auf Toby, doch der achtet nur auf Levin, bevor auch er ihn umarmt.
Zwar nicht so wie ich, aber fast genauso herzlich. Ich kann Lucas in der Menschenmenge erkennen, wie auch er sich einen Weg zu uns bahnt.

Er grinst wahrscheinlich genauso breit wie ich, nur tut es bei ihm nicht ganz so weh.
Unbemerkt fahre ich mir kurz über meinen Nasenrücken und entspanne meine Gesichtsmuskeln, während jetzt auch Lucas Levin umarmt.

„Mensch, wo warst du denn überall, dass du so eine Farbe bekommen hast? Oder ist das einfach nur Dreck?", höre ich Toby ihn fragen und ich kann mir ein Grinsen einfach nicht verkneifen, obwohl es nicht ganz schmerzfrei ist.
Und auch Levin und Lucas lachen mit ihm.
Ich seufze glücklich, bevor ich ihn noch einmal von der Seite umarme.

„Sag mal Zoe. Was habe ich verpasst? Vor einem Jahr wolltest du mit keinem von uns gesehen werden und jetzt springst du mir sogar in die Arme. Und warum starrt McGowan die ganze Zeit herüber und bewegt sich nicht?", höre ich Levin plötzlich wieder reden und bemerke, dass er auf mich herab schaut, da ich mich immer noch in seine Seite kuschle.  Den letzten Teil flüstert er ein wenig belustigt.

Ohne zu überlegen, drehe ich mich in Dylans Richtung und sofort finden seine Augen meine.
Levin hat recht, er steht da und bewegt sich nicht, er starrt nur zu uns beziehungsweise zu mir.

Ich atme schwer aus, bevor ich mich wieder zu meinen Brüdern und meinem Cousin drehe.
Mein Blick jedoch heftet sich auf den Boden.
Fast ein ganzes Jahr habe ich Levin nicht gesehen, weil er ein blödes Auslandsjahr machen musste.
Damals ist auch er hier zur Schule gegangen und gehörte ebenfalls zu den Beliebtesten.
Nachdem Levin seinen Abschluss in der Tasche hatte und in irgendein fremdes Land geflogen ist, hat Dylan seinen Platz als Kapitän der Footballmannschaft eingenommen, weshalb es auch nicht verwunderlich ist, dass er McArsch kennt.

„Ich würde ja fast sagen, dass er irgendwie eifersüchtig ist. Aber das kann ich mir bei ihm nicht vorstellen.", höre ich Levin wieder reden, weshalb ich verwirrt aufblicke und meinen Kopf wieder in Dylans Richtung drehe.
Jedoch ist er schon längst verschwunden und ich kann ihn nirgendwo mehr sehen.

Als ich Levin dann wieder verwirrt in die Augen blicke, bemerke ich wie er seine weit aufreißt.
Ich weiß, dass mein Nasenrücken grün beziehungsweise gelb ist und auch unter meinem rechten Auge kann man eine bläuliche Stelle erkennen.

Eben hat Levin es vielleicht noch nicht gesehen und seine Reaktion ist nicht verwunderlich.
Da will man die kleine Cousine überraschen und von der Schule abholen, da man sich ein ganzes Jahr nicht gesehen hat und dann sieht man wie sie ein verunstaltetes Gesicht hat.

„Hat er dich geschlagen? War das McGowan?", fragt er mich geschockt und mit einer Mischung aus Wut.
Ich antworte nicht, da ich nicht weiß, was ich sagen soll.
„Ich fasse es nicht. Wie ist das passiert?! Da bin ich ein Jahr weg und hier verliert jeder die Kontrolle!"
Levin nimmt mein Gesicht in die Hände und schaut sich das genauer an. Wie oft das in den letzten beiden Tagen schon bei mir gemacht wurde, weiß ich nicht.

„Das war meine eigene Schuld! Das war einfach nur ein dummer Unfall!", murmele ich in seine Hand.

„Hör auf so einen Mist zu erzählen, Zoe. Sag ihm doch einfach wie es wirklich war!", seufzt Lucas, doch ich halte die Klappe. Ich gebe ihm keine Schuld, weshalb ich auch nicht sagen werde, dass er mich geschlagen hat.

Levin zieht seine Stirn in Falten, woraufhin Lucas seufzt.
„Ich war das! Dylan, das Arschloch wollte Zoe nur ins Bett bekommen und hat herausgefunden, wer sie wirklich ist. Und als er es in der Schule lautstark verkündet hat, wollte ich ihm eine reinhauen. Jedoch habe ich zu spät reagiert, als Zoe dazwischen gegangen ist.", erklärt er mit einem sauren Unterton.

Ich glaube, er hat da wirklich dran zu knacken. Doch ich kann ihm jetzt nicht sagen, dass er aufhören soll, sich selber die Schuld zu geben, denn vielmehr brennt sich ein gewisser Teil in mein Gehirn.
Er wollte mich nur ins Bett bekommen.
Auch wenn ich es immer geahnt habe, ist es etwas anderes, es zu wissen.

„Fahren wir ins Café?", frage ich in der Hoffnung, dass wir das Thema so schnell wie möglich fallen lassen.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt