10-Das Stück Scheiße vor mir

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Wir haben heute schon wieder Montag und meines Erachtens war das Wochenende viel zu kurz.
Ich musste für die anstehenden Klausuren lernen und jede Menge Hausaufgaben machen. Die Schule verdirbt mir meine Freizeit.

Aber trotzdem konnte ich mich nicht konzentrieren, denn meine Gedanken waren ganz wo anders.
McArsch lief mir in der letzten Woche noch einige Male über den Weg und immer wieder wartete er auf die eine Frage, die ich ihm jedes Mal stellte.
‚Was willst du?' und egal, was passiert war, er antwortete das Gleiche. ‚Ich bleibe bei meiner Antwort und du?'
Was will er damit bezwecken? Ich meine, vor genau einer Woche muss er mich doch das erste Mal überhaupt bemerkt haben. Und jetzt redet er mit mir beziehungsweise ignoriert mich nicht mehr.
Ich verstehe es nicht. Woher kommt also der plötzliche Sinneswandel?

In der Schule wird schon spekuliert, was er von mir will. Ich kann nur stumm lachen, denn manche Gerüchte sind echt witzig, jedoch beunruhigt mich die Tatsache, dass es welche über mich sind.

„Zoe? Bist du etwa schon fertig?", reißt mich mein Lehrer aus meinen Gedanken.
„Bitte was?", frage ich erschrocken und schaue zu Mr. Faires, der mich gründlich mustert. Mein Blick gerät auf meinen Tisch und meine Augen weiten sich erschrocken. Wie tief bin ich denn in meinen Gedanken versunken?

Während ich mir panisch einen Stift aus meinem Mäppchen hole, schaue ich auf die Uhr und muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass ich eine halbe Stunde verschlampt habe. Ich werde nie fertig!
Und das gerade in Geschichte, wo ich doch hier die meiste Zeit für meine Analyse brauche. Scheiß historischer Kontext!

Schnell fange ich an den Text zu lesen und schon in der Aufgabenstellung bemerke ich, dass das mein Todesurteil ist. Die Klausur handelt von dem Thema, von dem ich dachte, dass es nicht drin vorkommt.

Kann ich selber die 6 drunter schreiben? Dann brauche ich wenigstens nicht mehr damit anfangen. Naja vielleicht kann ich ja mit meiner Inhaltsangabe punkten.
Wer's glaubt, wird selig!
~

„Was war denn mit dir los?", kommt Lia auf mich zu, da ich schon in der Cafeteria sitze.
Ja, ich habe in der Klausur alles gegeben, aber das wird nicht genug gewesen sein, denn ich war schon nach einer Stunde fertig.

Während die anderen noch fleißig am Schreiben waren, habe ich meine letzten Worte alias Entschuldigung nieder geschrieben, um dann meine Klausur dem Lehrer zu überlassen.

„Ich habe die erste halbe Stunde in meinen Gedanken verbracht und musste dann feststellen, dass ich genau dieses Thema beim Lernen ausgelassen habe.", sage ich frustriert und verstecke mein Gesicht in meinen Händen.

Aber Lia scheint egal zu sein, dass ich gerade meine Geschichtsklausur so dermaßen verschissen habe, denn sie lässt sich mit einem lauten Rums auf den Platz neben mir fallen.
„Wo waren denn deine Gedanken, Zoe?", fragt sie mich.
„Lia, hör auf damit!", jammere ich jedoch nur, denn ich weiß, dass sie erstens ein fieses Grinsen auf ihren Lippen trägt und zweitens wieder auf Dylan anspielt, was sie in der letzten Woche viel zu oft gemacht hat.

„Womit soll ich aufhören?!"
Ich nehme meine Hände wieder vom Gesicht und sehe meine beste Freundin anklagend an, die immer noch am grinsen ist.
Kurz sehe ich mich in der leeren Cafeteria um, bevor ich mich wieder leise an Lia wende. „Papa wird wieder zu einem Galaabend eingeladen und ich glaube diesmal komme ich nicht drum herum. Aber weißt du was mir aufgefallen ist, dass fast nur unsere Nachbarn wissen, dass ich ebenfalls zu der Lewis-Familie gehöre. Bin ich denn so unsichtbar?"
„Muss ich das verstehen? Wolltest du nicht immer unsichtbar sein?"
„Schon, aber ich meine, es ist ja auch eine Art von Interesse, oder? Interessiert sich also keiner für mich?"
„Hast du darüber nach gedacht?"
Ich zucke leicht mit meinen Schultern.
„Wir interessieren uns alle für dich. Die einen mehr und die anderen weniger. Und irgendwann hast du denjenigen gefunden, der sich nur für dich interessiert. Wenn du ihn nicht schon längst gefunden hast. Und wenn ich mich nicht für dich interessieren würde, dann säße ich jetzt nicht hier, um dir genau das zu erklären"

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt