35-Mein Herz schmilzt

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Certain Things-James Arthur

Montag. Achtzehn Uhr. Ein Spiegel an der Wand. Ein Mädchen auf dem Bett.

Ich starre mir durch den Spiegel in die Augen und denke an nichts.
Mein Kopf ist leer.
Meine Augen sind leer.
Meine Zimmertür ist abgeschlossen. Ich bin alleine in meinem Zimmer.
Auch als leise an meiner Tür geklopft wird, bleibe ich so sitzen.

„Zoe? Wir wollen essen. Kommst du herunter?", höre ich die sanfte Stimme von Toby, weshalb mein Blick zu der geschlossenen Zimmertür gleitet. Doch ich antworte ihm nicht.
Meine Angst, dass meine Stimme zittert, ist zu groß!
Ich kann hören, wie er langsam und schwer ausatmet, bevor ich die Treppen quietschen höre.
Scheinbar ist er wieder nach unten gegangen.

Meine Beine fangen schon an, zu kribbeln, da sie kurz davor sind einzuschlafen.
Träge und langsam stehe ich auf und laufe zu meiner Kommode, um mir nochmals meine Haare zu kämmen, doch davon werden sie auch nicht mehr länger.
Ich weiß, dass es nur Haare sind und sie wieder wachsen werden, aber sie waren mein Heiligtum.

Ich versuche mir einen Zopf zu binden, damit es nicht ganz so auffällt, aber selbst dafür sind sie zu kurz. Die Friseurin hat sie nämlich noch kürzer geschnitten, nachdem sie sich aufgeregt hat, wie man Haaren so etwas grässlich antun kann. Scheinbar ging sie davon aus, dass ich das selber gemacht habe.

Als ich unten im Flur stehe, rieche ich schon das leckere Essen, welches auf dem Tisch steht.
Mama und Papa diskutieren gerade darüber, dass ich mich schon wieder in meinem Zimmer verschanzt habe und nicht pünktlich zum Essen komme.
Doch ich kann erst die Küche betreten, wenn ich weiß, was ich ihnen sagen soll.

„Toby magst du noch mal nach ihr schauen?", höre ich die sanfte Stimme meines Vaters.
Ich weiß gar nicht so schnell, wo ich hin soll, da steht Toby schon vor mir. Er mustert mich langsam und vorsichtig, bevor er mir aufmunternd zulächelt.

Langsam und mit gesenktem Blick folge ich ihm zurück in die Küche, in der Lucas und meine Eltern auf mich warten.
Gerade als ich sitze, höre ich wie Mama laut nach Luft schnappt. Schade und ich habe gedacht, dass es keiner merkt.

„Was hast du mit deinen langen Haaren gemacht?", höre ich sie immer noch außer Atem. Ich zucke mit meinen Schulterm, bevor ich ihr wage antworte, dass ich eine Veränderung brauchte. Es war Evelyns Begründung, ob sie nun stimmt oder nicht, interessiert jetzt nicht.

„Eine Veränderung?! So kurz vor der Gala?!"
Sie immer noch fassungslos.
Ich blicke starr auf meinen Teller, da ich Angst habe, wieder in Tränen auszubrechen.
„Schatz! Hör auf damit. Zoe, du siehst klasse aus!", widerspricht Papa Mama.
„Ich habe ja nie behauptet, dass es hässlich aussieht. Aber Sophie und ich haben doch schon jede Mengen Frisuren für Samstagabend rausgesucht.", jammert sie und ich würde behaupten, dass es ihr noch mehr wehtut als mir.
„Ihr seht doch auch ohne all das wunderschön aus!", versucht Papa das Beste aus der Sache zu ziehen und beginnt kurz darauf mit dem Essen.
~

„Zoe? Sollen wir dich mit zur Schule nehmen?", höre ich die leise Stimme von Toby an meiner Badezimmertür.
„Ich will nicht zur Schule!", flüstere ich und starre mir wieder einmal durch den beschlagenen Spiegel in die Augen.
In der Schule wird doch sowieso schon über mich geredet.
Ich höre wie die Türklinke mit einem quietschen herunter gedrückt, bevor ich ein verwirrtes Gesicht im Spiegel neben mir erkennen kann.

„Was hast du gesagt?", fragt mich Toby verwirrt und zieht dabei seine linke Augenbraue hoch.
Ich drehe mich um, sodass ich ihm direkt in die Augen sehen kann.
„Ich will nicht in die Schule. Ich will mir einfach wieder meinen Pyjama anziehen und mich in meine Bettdecke einrollen.", wiederhole ich mich, wobei meine Stimme zittert.
Toby schüttelt schnell und energisch den Kopf und kommt auf mich zu.
„Da wir nicht wissen, wer dir das angetan hat und du es uns wahrscheinlich auch nicht sagen wirst, musst du es demjenigen selber zeigen. Zeig ihm, dass du dich nicht davon unterkriegen lässt und dich das nur noch stärker macht. Und sei ehrlich, die Frisur steht dir!", zwinkert er mir zu und da er direkt vor mir steht, gibt er mir noch einen kurzen Kuss auf die Stirn, bevor er wieder aus dem Badezimmer verschwindet.

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