03-Babysitter

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Verdammt, ist mir das peinlich!
Ich habe mich unbewusst zum Affen gemacht. Ganz toll! Ich kann mich in der Schule nicht mehr blicken lassen! Morgen weiß das gefühlt jeder einzelne.

Was hat mich auch dazu geritten bei Dylan McGowan, dem größten Arsch einzusteigen?! Manchmal weiß ich auch nicht, was mit mir nicht stimmt. Warum kann ich nicht, wie alle anderen, normal sein?!
Ich konnte Dylan nicht mehr in die Augen schauen. Er hat mich danach auch nicht mehr angesprochen und hat nichts gesagt, als ich die Treppe herunter gehumpelt bin.

Im Moment sitze ich im Büro von Max, während Dylan am Fenster steht und auf seinem Handy herum tippt.
Gut, ich habe mich geirrt. Es weiß bereits jeder! Und das war doch genau das, was ich nie wollte. Ich wollte mich unter Kontrolle haben!

Erst als Max durch die Tür kommt und sich hinter seinem Schreibtisch niederlässt, hebe ich den Blick. Ich höre ihn einmal geräuschvoll ausatmen, ehe er zum Sprechen ansetzt.
„Du, mein Fräulein, wirst dich in der nächsten Zeit ein bisschen zurück nehmen müssen. Mit einem Bänderriss ist nicht zu Spaßen und ich kenne dich! Keine Stunden im Sunshine und das Joggen lässt du auch sein! Die nächsten Tage musst du deinen Fuß hochlegen! Den Rest wirst du mit deinem Vater absprechen müssen, denn ich kann nicht genau sagen, welche Schiene er bevorzugt. Und wag es ja jetzt noch ins Sunshine zu gehen!", spricht er warnend. Ich verdrehe jedoch nur meine Augen. Auch wenn mein Fuß schmerzt, lass ich es mir nicht nehmen, ins Café zu gehen!

„Zoe!", er sieht mich warnend an. Er wird mit hundertprozentiger Sicherheit, gleich sofort bei Papa anrufen und dann bin ich erst Recht geliefert. Erstens muss ich mir dann anhören, warum ich nicht auf Max gehört habe und zweitens warum ich nicht zu ihm gekommen bin.

Naja, Dylan kennt meinen Papa durch die Zwillinge, weshalb es schwierig gewesen wäre, wenn ich mit ihm in der Kinderarztpraxis aufgetaucht wäre. Aber ich werde trotzdem gehen. Mama weiß ja von nichts und das mit Papa werde ich am Abend regeln, trotzdem gebe ich ein genervtes ‚Ja' von mir.

Max weiß genauso gut wie ich, dass ich mich da nicht dran halten werde, weshalb er sich jetzt an Dylan wendet. Oh nein, das wird er nicht machen!
„Du bringst sie nach Hause!"
„Jaja wird er machen!", sage ich schnell, bevor Dylan auf die Idee kommt, ihn zu fragen, wo ich wohne.
„Zoe? Ich telefoniere mit Ben!"
Wirklich? Hätte ich nicht gedacht! Ich verdrehe nochmals meine Augen und nicke gleichzeitig.
„Gut, dann könnt ihr jetzt gehen. Gibst du vorne dann noch deine Krankenkassenkarte ab?"
Ich nicke wieder, verabschiede mich dann von Max und laufe, ohne auf Dylan zu warten, aus dem Zimmer.
Vielleicht ist Lia schon mit dem Training fertig und holt mich ab.

Als ich gerade meine Versicherungskarte von der jungen Dame hinter dem Tresen wieder bekomme, bemerke ich mal wieder McArsch in meinem Rücken. Und ich hatte schon die Hoffnung er wäre gefahren.
„Zu früh gefreut!", murmele ich, während ich an ihm vorbei humpele.
„Wolltest du mich etwa die ganze Zeit los werden?", fragt er scheinheilig. Ugh. Wäre ich noch ein bisschen selbstbewusster, hätte ich schon längst versucht, ihm den Kopf abzureißen.

Während ich einfach weiter laufe und ihn vergebens versuche, abzuhängen, hole ich mein Handy heraus und muss bedauernd feststellen, dass meine beste Freundin immer noch Training hat.
Mist, dann kann sie mich nicht abholen.
Ja, Lia hat schon ihren Führerschein, denn sie ist ein Jahr älter als ich und hat generell mehr Motivation an allem.
Manchmal muss sie mich zu meinem Glück auch zwingen. Sowie beim Joggen. Irgendwann hat sie mich bestochen, mit zu kommen und nun ist es ein riesen Hobby von mir geworden.
Obwohl ich eigentlich Sport im Allgemeinen hasse, liebe ich es laufen zu gehen.
Ich weiß, ich bin ein komischer Mensch. Und sehr sturer Mensch. Trotz des Verbotes von Max werde ich ins Café gehen!

„Wo willst du hin?", fragt Dylan plötzlich als ich an seinem Auto vorbei gehe.
Ich? Ich werde jetzt zur nächsten Bushaltestelle laufen und zwar ohne McArsch! Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass er auf mich zu läuft. Aber ich kann auch nicht schneller laufen, denn danach würde mein Fuß sicher streiken. Er tut ja jetzt schon, wie die Hölle weh.
Nur leider bin ich heute bei der falschen Person eingestiegen, denn er ist ja auch Kapitän der Footballmannschafft und hat mich dementsprechend schnell eingeholt.
Ja, ich habe es kapiert, ich habe einen sehr großen Fehler gemacht!

Erst dachte ich, dass er mich nur an meinem Arm fest hält, aber er stellt sich so unterwartet vor mich, dass ich natürlich auch voll in ihn hineinlaufe.
Wann tut sich eigentlich der Boden für mich auf? Es gab noch nicht mal mehr ein Erdbeben am heutigen Tag. Schade und ich hatte schon gedacht, dass dieses Sprichwort doch irgendwann wahr wird.

„Sagst du mir vielleicht, was du vorhast?", fragt er mich, nachdem ich wieder einen Schritt zurück gesprungen bin. Sag ich es ihm jetzt? Eigentlich kann es ihm ja am Arsch vorbeigehen.
„Interessiert es dich so sehr?", frage ich ihn scheinheilig. Dylan zuckt mit seinen Schultern und ist wahrscheinlich selber am Überlegen, warum er mir jetzt nach gerannt ist. Theoretisch kann er jetzt getrost gehen.

Ich versuche, an ihm vorbei zu laufen, doch auch diesmal hält er mich auf. Er sieht mich an, während in seinen Augen nichts außer Kälte liegt. Er wartet auf eine Antwort.
Kann er nicht jemand anderes nerven?!
Ich meine, er kannte mich vor heute Morgen gar nicht. Ich war nicht existent.

„Ich gehe jetzt zur nächsten Bushalte und fahre dann ins Café!", sage ich patzig und hoffe, dass er mich jetzt in Ruhe lässt.
„Vergiss es. Dein Arzt-oder was auch immer er jetzt war- hat ausdrücklich gesagt, dass ich dich nach Hause bringen soll."
Ich verstehe ihn nicht.
„Das kann dir doch egal sein!", erwidere ich genervt und hoffe, ihn gleich endlich los zu sein.
„Gut, ich fahr dich!" Und damit packt er mich am Arm und zieht mich zurück zu seinem Auto.
„Ich brauche aber keinen verdammten Babysitter!", rutscht es mir raus und ich merke, wie er meinen Arm fast zerquetscht.
Ich glaube, dass war's dann heute mit meiner Freiheit.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt