25-Neuanfang

9.9K 417 9
                                    

Issues-Julia Michaels

Als ich am nächsten Morgen vor dem Spiegel stehe, erkenne ich mich nicht mehr wieder.
Obwohl, das stimmt auch nicht ganz. Mein Nasenrücken ist jetzt jedoch blau angelaufen und etwas angeschwollen.
Vorsichtig taste ich mit meinen Zeigefinger die Stelle ab und zucke augenblicklich zusammen.
Mit Concealer abdecken wird deshalb auch nicht funktionieren.

Ich laufe in meinem kleinen Badezimmer hin und her und überlege, wie ich das verstecken kann. Ich will nicht damit zur Schule. Das sieht doch blöd aus. Vielleicht kann ich ja ein Pflaster benutzen, um es unauffälliger zu machen?
Ich krame in dem kleinen Schrank unter dem Waschbecken, bis ich die Packung gefunden habe. Vorsichtshalber habe ich hier eine Menge Pflaster rumliegen, da ich ein sehr tollpatschiger Mensch bin.

Doch auch als ich mir das Pflaster auf die Stelle geklebt habe, sehe ich einfach scheiße aus.
Ich atme frustriert aus, jedoch ändert das nichts an meiner Situation.
Mir bleibt nichts anderes übrig, als das hautfarbende Pflaster wieder abzuziehen und es in den Müll zu werfen.
Jetzt darf ich mich auch noch beeilen, mich an zuziehen.
~

„Hat einer meine Maske vom letzten Jahr Karneval gesehen?", frage ich mit ironischem Unterton, als ich in die Küche trete und auf den Rest meiner Familie treffe.

„Zeig mal her.", höre ich Papa, der die Zeitung sofort auf den Tisch ablegt und zu mir herüber sieht.
Ich setze mich neben ihn auf den freien Stuhl, bevor er vorsichtig meine Nase abtastet.
„Besser als erwartet.", murmelt er nur vor sich hin, wird jedoch von Toby unterbrochen.

„Mit einer Maske würdest du noch mehr auffallen. Und du fährst mit uns zur Schule."
Ich bin kurz davor ihm zu wiedersprechen, doch dann fällt mir wieder ein, dass jetzt eh die ganze Schule weiß, wer ich wirklich bin.
„Wie schön keinen Wiederspruch zuhören.", flüstert er nachdem ich nichts sage.
Doch als ich ihm antworten will, kommt mir Mama wohlweißlich dazwischen.
„Hast du deine alte Brille nicht gefunden?", fragt sie mich.

Meine Brille, die ich sonst immer getragen habe, ist dummerweise gestern kaputt gegangen und meine alte ist unglaublich hässlich.
Weshalb ich jetzt meine Kontaktlinsen trage, die ich nur äußerst selten trage.

„Habe ich sie nicht damals verloren?", frage ich sie und fange an, mein Müsli zu essen.
Ich habe diese Brille nie verloren.
Sie liegt oben in der hintersten Ecke meines Nachttischschränkchens, aber sie ist wirklich hässlich.
Und wenn ich das sage, hat das schon etwas zu bedeuten!

Ich kann erkennen, wie Papa hinter der Zeitung grinst, da er weiß, dass ich lüge, aber er sagt nichts dazu. Auch Mama weiß, dass ich nicht die Wahrheit sage, weshalb sie seufzend die Küche verlässt.

„Zoe? Bist du soweit?"
Ich nicke, bis mir auffällt, dass keiner außer Papa mich sehen kann, weshalb ich aufstehe, meine Müslischale in die Spüle lege und meine Sachen zusammen suche.
Meine Brüder sitzen schon im Auto, als ich durch die Haustüre nach draußen trete.
„Tschüs!", rufe ich noch einmal ins Haus, bevor ich mich beeile, ins Auto zu steigen.
~

„Und genau deshalb wollte ich nie mit euch fahren!", flüstere ich, weil ich Angst habe, dass die anderen mich hören könnten.
„Man gewöhnt sich dran und außerdem brauchst du nicht flüstern. Die können uns  nicht hören"
Lucas mag ja Recht haben, aber auf dem Schulhof stehen so viele Schüler, die unserem Auto hinter her starren.

„Du passt auf dich auf, verstanden? Und ansonsten sind wir immer in deiner Nähe!"
Ich nicke und schaue durch den Rückspiegel Lucas in die Augen. Ich werde mich so wie immer mit Lia in irgendeiner Ecke verkriechen und dann werde ich schon nicht beachtet. Hoffe ich.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt