19-heißer Idiot

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Ja, muss ich.
Mir war klar, dass ich nicht in Jogginghose hingehen kann, aber Lia könnte ich sowieso nicht zufrieden stellen. Weshalb ich ihr den Vorrang zu meinem Kleiderschrank gelassen habe.
Zuerst wollte sie, dass ich ein Kleid anziehe, aber da habe ich ihr mal ganz schnell einen Vogel gezeigt. Was glaubt sie denn?!

Sie hat mir mein Outfit an die Kleiderstange gehangen, sodass ich selbst von meinem Bett aus, drauf gucken kann. Eine enge, dunkelblaue Jeans mit einer weißen, schulterfreien Bluse.
Lia hätte auch keine weite Hose in meinem Schrank finden können, denn ich besitze keine. Weite Hosen kann ich auf den Tod nicht aus stehen!

Ich sehe mir die Sachen noch einmal an, bevor ich mich auf die andere Seite drehe. Mich hätte es schlimmer erwischen können.
Meine beste Freundin bringt mir morgen auch noch einen dünnen Schal mit, den man durchaus auch im Frühling tragen kann.
Und voilà, das perfekte Outfit!
~

„Und? Nervös?", grinst mich Lia in der Mittagspause an und überreicht mir ein türkis-weißes Tuch.
Weshalb sollte ich nervös sein? Ich meine es besteht immer noch die Möglichkeit, dass er nicht kommt. Denn wenn ich nicht hingehen würde, wäre ich laut Lia, einen Kopf kürzer.

Und irgendwie reizt mich das Interesse, ob er wirklich kommt und ob er etwas geplant hat.
Deshalb ist das Café ein relativ guter Treffpunkt. Denn wenn er nicht kommt, dann kann ich immer noch sagen, dass ich zu der Zeit dort gearbeitet habe.
„Weshalb?", frage ich sie deshalb.
Meine Nervosität hält sich eindeutig in Grenzen! Lia sieht mich nur wissend an und lässt das Thema vorerst fallen, da sie anfängt, ihren Joghurt zu löffeln.

„Du weißt aber schon, dass ich heute Abend einen ausführlichen Bericht erwarte, oder?", grinst sie mich an.
„Das ist mir schon klar. Du hättest so oder so davon erfahren."
„Aber ich verlange, dass du schon am Abend anrufst. Egal wie spät, es dann ist. Und noch etwas: Ich wünsche mir zwar, dass du glücklich bist. Aber werde bitte keine weiter Kerbe!"
„Wie nett, dass ich das am Ende noch selber entscheiden darf!" Das wird nie passieren.
„Du ziehst es also in Betracht?", fragt sie mich plötzlich ungläubig. Das hätte mir auch klar sein können, dass es anders rüberkommt, als ich es beabsichtigt hatte.
~

„Liebling, wartest du auf jemanden?"
Ich schrecke aus meinen eigenen Gedanken und drehe mich zu Mama um.
„Eigentlich nicht, wieso?"
„Weil du jetzt schon seit fünf Minuten nach draußen starrst."
Sie mustert mich kritisch, wobei sie ihre Augenbrauen zusammenzieht.

Es ist nun Punkt halb acht und ich wollte nur gucken, ob er schon da ist.
Und bevor ich vergesse ihr zu sagen, dass ich heute Abend nicht mit nach Hause komme, tische ich ihr schnell eine Lüge auf. Hoffentlich ist diese gut genug!

„Ach ja! Ich gehe heute Abend mit Lia ins Kino. Sie wollte unbedingt den neuen Film sehen und wollte mich hier abholen. Jedoch war sie heute in der Schule so müde, dass es kein Wunder wäre, wenn sie eingeschlafen ist.", zucke ich unschuldig mit meinen Schultern.

Es besteht ja immer noch die Möglichkeit, dass McArsch nicht auftaucht und dann würde ich ein wenig in Erklärungsnot geraten.

„Ok." Mama zieht dieses kurze Wort so weit in die Länge, dass es schon fast unheimlich ist.
Doch da Tante Soso sie gerade ruft, bleibt mir das folgende Gespräch erspart.
Einen letzten kritischen Blick fange ich mir von ihr zwar noch ein, aber dann dreht sie sich schnell um und verschwindet.

Als ich wieder einen Blick nach draußen werfe, weiß ich nicht, ob ich lieber erfreut oder frustriert schreien soll. Denn Dylans schwarze Luxuskarre hält gerade auf dem gegenüberliegendem Straßenrand.
Solange Mama noch abgelenkt ist, kann ich schnell und unbemerkt bei ihm einsteigen, ohne dass sie gleich einen Suchtrupp los schickt.

„Lia ist da!", rufe ich einmal quer durch das Café, weshalb ich mir einige wütende Blicke von Kunden einfange und schuldbewusst drein blicke. Ich vergewissere mich, ob Mama es gehört hat, mir jedoch nicht hinterher schaut.
Erst als ich das Café verlasse und überlege einfach nach Hause zu gehen, bemerke ich mein Herz, das eindeutig schneller schlägt als sonst.

Dieses Treffen könnte sich zu einem reinsten Desaster entwickeln. Ich habe noch nicht einmal damit gerechnet, dass er wirklich kommt. Was mache ich denn jetzt?
Gehe ich rüber und setze mich in sein Auto oder laufe ich einfach in die entgegengesetzte Richtung und verschwinde einfach?
Ich hadere kurz mit mir selbst, doch ich muss mich entscheiden, denn wenn man mich beobachten würde, dann würde man mich für verrückt halten. Obwohl, tut man das nicht schon?

Mich interessiert nur, was mich gleich wohl erwarten könnte, doch ich habe eine gewisse Angst. Ich mag es nicht, solche Entscheidungen zu treffen.
Das ist zum Haare raufen!
Aber wenn ich nicht zu ihm gehen würde, dann hätte ich mich umsonst so angezogen und irgendwie erhoffe ich mir auch ein Essen.

Die Straßen sind gut gefüllt, weshalb es einige Zeit dauert, die Straße zu überqueren. Zu meinem Vorteil, denn mein Körper will gar nicht in diesem Auto sitzen.
Da er mich jetzt aber schon gesehen hat, fällt die Option, einfach weg zu rennen auch weg.
Ich halte den Griff der Autotür fest in meinen Händen, als ich das letzte Mal tief ein und ausatme und dann zügig in seinen Wagen steige.
Ich hatte schon Angst, dass ich mich sonst nicht mehr traue.

„Ich habe gedacht, du würdest nicht kommen!", durchbricht er die Stille erst als er anfährt.
Es gab nämlich keine Begrüßung seinerseits und ich wollte ihm nicht den Gefallen tun, wobei ich mich auch nicht getraut habe.

„Da sind wir wohl schon zu zweit!"
Ich fange mir einen flüchtigen Blick von ihm ein, da er mit meiner Aussage scheinbar nicht gerechnet hat.
Nur weil ich gedacht habe, dass er nicht kommen wird, braucht er nicht so überrascht tun.

Einige Zeit sagt keiner mehr etwas, nur das Radio kann man leise hören und da ich nicht nur aus dem Fenster starren möchte, ziehe ich mein Handy aus der rechten Hosentasche.
Kurz darauf öffne ich den Chat mit Lia, damit ich ihr schreiben kann, dass ich heute eigentlich mit ihr ins Kino gehe und sie mich gerade vom Café abgeholt hat.
Daraufhin schickt sie mir nur einen Daumen nach oben. Die besten Menschen sind doch immer die, die sofort antworten.

Um ehrlich zu sein, habe ich mir mein erstes Date anders vorgestellt. Irgendwie romantischer.
Es hätte keine pferdeziehende Kutsche sein müssen, aber man könnte sich ja wenigstens unterhalten. Und da es eben mein erstes Date ist, bin ich auch ein wenig enttäuscht.

Irgendwann kommt der Wagen zum Stehen und ich schaue von meinem Handy, auf dem ich vermeintlich herum getippt habe, auf.
Er braucht ja nicht wissen, dass ich mit niemanden geschrieben habe.

McArsch neben mir steigt nach dem Sichern des Autos aus, ohne mit mir ein Wort zu wechseln. Er hat wirklich gehofft, dass ich nicht komme.

Ich bleibe noch kurz sitzen, um meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, bevor auch ich seinen Wagen verlasse.
Mein Handy wandert kurz darauf wieder in meine hintere Hosentasche. Als ich mir die Umgebung näher anschaue, ändert sich mein Gesichtsausdruck scheinbar in Sekundenschnelle, denn McArsch macht sich hinter mir bemerkbar.

„Du brauchst keine Angst haben. Ich werde dich hier nicht aussetzen. Aber ich dachte, du kommst wirklich nicht, weshalb ich auch nichts geplant habe. Und außerdem laufen meine Dates immer anders ab."
Bei dem Wort ‚Dates' nimmt er seine Zigarette, die er zuvor angemacht hat, in die linke Hand und macht Gänsefüßchen in die Luft.

Mir war klar, dass er raucht, aber muss er das in meiner Nähe machen? Zusätzlich war mir auch klar, dass er nicht mit mir gerechnet hat, aber muss er mir das dann auch noch unter die Nase reiben?
Auch wenn ich mir nun ein wenig dumm vorkomme, da wir erstens vor einem Wald stehen und zweitens er nichts geplant hat, war das Treffen die richtige Entscheidung.
Denn von so einem heißen Idioten wollte ich nicht meinen ersten Kuss bekommen!
———————
Ich bin am Überlegen, ob ich mir bald einen Helix stechen lasse.
Was meint ihr? Soll ich das wirklich machen?

Zurzeit höre ich mir mehrere Reden von Malala für die Schule an. Manchmal habe ich so krass Gänsehaut und könnte weinen.
Sie ist eine so starke Person!

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt