5. Ab in den Osten

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Seit einigen Tagen waren wir nun unterwegs und die Männer erzählten einiges über sich. Sie waren Musiker und zusammen waren sie die Band Sunrise Avenue. Sie sangen mir einmal ein paar ihrer größten Hits vor und ich konnte mich sehr dunkel daran erinnern, sie mal im Radio gehört zu haben. Mikko ist der Manager von ihnen und sie hatten hier in Amerika einige Konzerte gegeben, als die Seuche ausbrach. Sami war verheiratet und vermisste seine Frau schrecklich. Mikko war auch verheiratet und hatte Kinder. Die anderen hatte bis auf Samu eine feste Freundin. Die Sehnsucht und die Ungewissheit, wie es ihren Familien und Freunden geht, trieb sie schier in den Wahnsinn. Doch sie versuchten sich nichts anmerken zu lassen. Oft konnten wir sogar zusammen lachen. Lachen. Ich hätte nicht geglaubt, dass dies heutzutage noch möglich wäre. Doch trotz aller Vorsicht und Achtsamkeit hatten sie immer einen lockeren Spruch parat oder hatten Blödsinn im Kopf. Wie kleine Jungs. Ich hatte sie mittlerweile echt lieb gewonnen und selbst mit Mikko wurde ich langsam etwas warm. Er war meist sehr ruhig und in sich gekehrt, aber er konnte auch anders. Sie halfen mir ständig dabei, mein Englisch zu verbessern und im Gegenzug half ich ihnen Deutsch zu lernen. Auch wenn sie dies vermutlich nie wieder brauchen würden. Aber so vertrieben wir uns oft die Autofahrten. Von mir gab ich nicht viel Preis und sie drängten mich zu nichts, wofür ich ihnen dankbar war.

Wir versuchten auf unserer Fahrt die Großstädte zu meiden und fuhren lieber Umwege drum herum. Oft waren die Highways durch herumstehende Autos verstopft. Dies nutzten wir aus, um den Tank und die Kanister mit Benzin aufzufüllen. Auch die Autos durchsuchten wir nach brauchbaren Dingen. Die Nächte verbrachten wir meist in Häusern oder Hütten. Im Auto wäre es viel zu gefährlich.

Gerade waren wir wieder unterwegs und sahen schon von weitem, dass die Straße wieder mit Autos zugestellt war.

„Keine Chance. Da kommen wir nicht mit dem Auto vorbei" meinte Osmo, nachdem wir uns das Ganze genauer angesehen hatten.

„Dann lasst uns ein paar der Autos durchsuchen und dann schauen wir, ob wir eine andere Straße finden?" fragte Samu. Zustimmend nickten wir und machten uns an die Arbeit. Mein Messer hielt ich fest umklammert. Sie brachten mir auch das schießen bei, zumindest in der Theorie. In der Praxis hatte ich mich noch nicht versucht. Waffen bedeuten Lärm. Lärm zieht die Beißer an. Und das gilt es um jeden Preis zu verhindern. Ich klopfte an eine Autoscheibe, um zu schauen, ob sich dahinter etwas regte. Und tatsächlich, ein Beißer drückte sich seine nicht vorhandene Nase an der Scheibe platt. Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt weit auf, dass er seinen Kopf hindurch stecken konnte und stach ihm mit dem Messer in den Kopf. Anschließend durchsuchte ich das Auto. Ich fand Schmerztabletten und Antibiotika. Ein Segen in der heutigen Zeit. Schnell verstaute ich die Sachen in meinem Rucksack und wollte zum nächsten Auto, als ich einen Beißer zwischen den Autos entdeckte. Er schien uns noch nicht bemerkt zu haben. Ich wollte ihn mir schnappen und schlich leise näher, als ich noch einen Beißer hinter ihm entdeckte und dann noch einen und noch einen. Eine kleine Herde nährte sich den Autos. Scheiße. Nichts wie weg hier. Leise und unbemerkt schlich ich zurück, um die anderen zu warnen. Sie krochen alle leise unter die Autos, nur Mikko war nicht dabei. Hektisch schaute ich mich um.

„Josefina! Komm unters Auto!" rief Samu mir leise zu. Stumm schüttelte ich den Kopf, bis ich weiter vorne Mikko entdeckte. Geduckt lief ich zu ihm, hielt ihm den Mund zu und bedeutete ihm, unters Autos zu kriechen. Er folgte meiner Bitte. Ich kroch zu ihm unters Auto, wobei ich mich ungeschickt an meinem eigenen Messer in meinen Arm schnitt. Um auch wirklich keinen Ton von mir zu geben, hielt ich mir selber den Mund zu und versuchte den Schmerz zu verdrängen. Die Herde lief nun genau an unserem Auto vorbei und ich merkte, wie mir das Adrenalin in den Kopf schoss. Dadurch war auch der Schmerz komplett vergessen. Mikko legte beruhigend seinen Arm um mich. Als die Herde nicht mehr zu sehen war, warteten wir noch ein paar Minuten ab, bevor wir langsam aus unseren Verstecken herausgekrochen kamen.

„Das war knapp. Danke Josie" kurz und leicht drückte mich Mikko an sich, bevor er sich wieder von mir löste. Genau wie meine Freunde früher, nannten sie mich mittlerweile Josie. Joseline war ihnen wohl zu lang.

„Immer wieder gerne" grinste ich kurz schief. Mit Berührungen hatte ich es nach wie vor nicht so. Klar, mittlerweile vertraute ich ihnen, aber das war etwas, das nicht ging. Vielleicht nie wieder gehen würde.

„Lass mich mal deinen Arm sehen" meinte Raul und holte den Verbandskasten. Zögerlich zog ich meine Jacke und mein Sweatshirt aus und setzte mich auf die Motorhaube eines Autos. Er schaute sich den Schnitt an und säuberte die Wunde.

„Aua..." schmerzverzerrt verzog ich mein Gesicht. Es brannte wie Feuer.

„Sorry. Was muss, dass muss" grinste er mich schief an, „Der Schnitt ist nicht tief, ein Verband reicht da völlig aus. Aber ich schaue es mir heute Abend noch einmal an" und legte mir sorgfältig einen Verband an.

„Alles klar, Herr Doktor" grinste ich und zog mir schnell meine Sachen wieder an, während Raul leise lachte. Für leichte Verletzungen war er unser Spezialist. Nachdem wir noch ein paar Autos durchsucht hatten, schauten wir auf der Karte nach einem anderen Weg. Wir gingen mehrere Routen durch, wollten es unbedingt vermeiden, dass wir durch Kansas City durchmussten. Da war sicher alles durch Autos und Beißer verstopft. Nachdem wir uns für eine Route entschieden hatten, machten wir uns wieder auf den Weg. Wenn das in dem Tempo weitergeht, würden wir Wochen bis an die Küste brauchen.

Am Abend suchten wir uns ein Haus und nachdem wir dies von den Beißern gesäubert hatten, richteten wir unsere Betten her. Raul kümmerte sich währenddessen um das Essen. Mal wieder roch es nach Tomatensuppe aus der Dose. So langsam kam sie mir aus den Ohren, doch heutzutage muss man nehmen, was da ist. Allerdings merkte ich schon, dass mir das fast regelmäßige Essen guttat. Ich hatte wieder deutlich mehr Kraft und war nicht ständig so schnell erschöpft. Nachdem Raul meinen Verband gewechselt hatte, aßen wir zusammen. Danach gingen alle, bis auf Samu und ich alle schlafen. Wir beiden schoben die erste Wache. Wir bedeckten die Fenster mit Laken und Decken, damit wir nicht bemerkt wurden. Anschließend machten wir es uns auf den Fensterbrettern bequem und schauten immer wieder mal raus. Nur vereinzelt lief ab und an ein Beißer vorbei.

Ich verfolgte Samu seinen Blick. Dieser blieb an der Gitarre hängen, die im Wohnzimmer stand und sein Blick wirkte sehnsüchtig.

„Du vermisst es sicher, Musik zu machen?" fragte ich ihn leise, um die anderen nicht aufzuwecken.

„Ja. Sehr sogar. Musik war und ist mein Leben. Früher habe ich einfach meine Gitarre genommen und gespielt, wann immer ich dazu Lust hatte. Heute würde es nur Beißer anlocken und das kann ich nicht riskieren" lächelte er mich traurig an.

„Vielleicht finden wir einen Ort, der so gut abgeschirmt ist, dass du genau das wieder tun kannst. Ich würde euch gerne mal spielen hören und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt" lächelte ich ihn aufmunternd an. Nachdenklich schaute er mich eine Zeitlang an.

„Ja, vielleicht... Darf ich fragen, was mit deiner Familie ist? Habt ihr hier zusammen Urlaub gemacht?" fragte er mich. Schluckend wandte ich meinen Blick von ihm ab und schaute stattdessen wieder auf die Straße. Konnte ich so viel von mir preisgeben? Sollte ich es wagen? Konnte ich es wagen? Wollte ich es wagen?

Joseline - Mein Weg (TWD, Sunrise Avenue, Daryl Dixon FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt