37. Besorgungstour

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Als ich aufwachte, waren meine Kopfschmerzen fast weg. Ich stellte fest, dass wir nicht mehr im Auto waren. Langsam wollte ich mich aufsetzen, als ich bemerkte, dass mich jemand festhielt. Panisch drehte ich meinen Kopf nach links und sah direkt in Daryl sein Gesicht. Sofort wich die Panik von mir, doch eine gewisse Grundanspannung blieb. Sein Gesicht wirkte so friedlich und entspannt, wenn er schlief. Einzelne Haarsträhnen verdeckten ein Teil seines Gesichtes, doch das sah so wahnsinnig heiß an ihm aus. Heiß... Wie lange habe ich so etwas schon nicht mehr gedacht?

Ich musste an Marvin denken und schaute gedankenverloren auf meinen Verlobungsring. Er war Silber und sonst sehr schlicht gehalten. Ob er noch lebte? Ob es ihm gut ging? Ich werde es vermutlich nie erfahren und ich würde ihn auch nie wiedersehen. Wie sollte ich auch zurück nach Deutschland kommen? Das war unmöglich. Ob ich ihn noch liebte? Natürlich, aber ich habe mich in den letzten Jahren verändert. Auch meine Gefühle haben sich verändert. Auf eine gewisse Art und Weise werde ich Marvin immer lieben. Aber der Mann meiner Träume? Meine eine große Liebe? Ich musste an Papas Worte denken. Ja, Marvin brachte mich damals täglich zum Lächeln, doch berührte er auch mein Herz? Ich wusste es nicht. Doch ich vermisste ihn nicht. Nicht so, wie ich es vielleicht sollte. Mein Blick ging wieder zu Daryl, der immer noch einen Arm um mich gelegt hatte. Doch erst fiel mir auf, dass auch ich meinen Arm um ihn gelegt hatte. Hatten wir die ganze Nacht so gelegen?

Blinzelnd öffnete er seine Augen und sein wunderschönes blau traf auf mein braun. Ich spürte, wie er sich wieder anspannte. Eine Weile lagen wir still da. Sahen uns nur in die Augen. Sein friedlicher, entspannter Gesichtsausdruck war wieder dem gewohnten Blick und harten Gesichtsauszügen gewichen.

„Ich habe dich ins Bett getragen. Du hast dich an mir festgekrallt. So musste ich mich zu dir legen" knurrte er leise mit seiner rauchigen Stimme, was meine Härchen am Arm reagieren ließ.

„Oh" grinste ich ihn etwas verlegen an, „Ich kuschle halt gerne und wollte vielleicht nur die Chance dazu nutzen" erwiderte ich leicht frech grinsend.

„Ich bin kein Kuscheltyp" murrte er leise.

„Was nicht ist, kann ja noch werden. Außerdem kuschelst du gerade immer noch mit mir" lächelte ich ihn an und er schaute an uns herunter. Sah unsere Arme, die jeweils den anderen Körper festhielten.

„Oh..." erwiderte er nur leise und senkte den Blick. Ob es ihm unangenehm war? Vielleicht gefiel es ihm ja wirklich nicht. Oder er mochte es mit mir nicht. Ich wollte nicht, dass er sich in meiner Gegenwart unwohl fühlte.

„Wie wäre es, wenn wir aufstehen und schauen, ob es was zu essen gibt? Habe ordentlich Hunger" grinste ich verlegen und löste mich, wenn auch etwas ungerne, aus seiner Umarmung, um mich aufzusetzen. Nickend tat er es mir gleich, stand auf, nahm seine Armbrust und verließ den Raum. Ich schaute ihm noch eine Weile hinterher. Ich mochte ihn. Auch wenn man ihn sehr schlecht beschreiben konnte, doch irgendetwas faszinierte mich an ihm. Ich wollte mehr über ihn wissen. Ihn näher kennenlernen.

Ich zog meine Stiefel an und verließ nun auch das Zimmer. Sie hatten ein kleines Häuschen am Stadtrand gefunden. Hell und freundlich wirkte es. Ich fand die anderen im Erdgeschoss, wo sie Wache hielten.

„Guten Morgen. Habt ihr fertig gekuschelt?" grinste mich Glenn schief an und ich sah kurz zu Daryl, dem das sichtlich unangenehm war.

„Klar. Weiß doch, kuscheln ist die beste Medizin und was soll ich sagen? Mir geht es wieder super" grinste ich und hoffte, dass er sich damit zufrieden gab.

„Dann hauen wir uns jetzt aufs Ohr und ihr könnt Wache schieben" grinste Aaron und reichte mir eine Dose Ravioli. Lachend scheuchte ich die beiden nach oben.

„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen" meinte ich nun an Daryl gewandet, als ich mich Essend ans Fenster stellte und die Umgebung beobachte.

„Passt schon" brummte er leise, „Schaffst du die Wache alleine? Dann ziehe ich los und schaue, ob ich ein zweites Auto aufgetrieben bekomme. Dann können wir uns danach die Häuser vornehmen" fragte er.

„Das schaffe ich. Vielleicht finden wir ja genug, dass wir uns in ein paar Tagen auf den Heimweg machen könnten" erwiderte ich leise. Ich vermisste Carl. Ich vermisste meine Jungs und Maggie natürlich auch. Nickend nahm er seine Sachen und verschwand aus der Tür. Er war wohl noch nie ein Mann der großen Worte. Mochte ich genau das an ihm? Dabei redete ich eigentlich gerne und viel. Aber ich konnte auch schweigen oder einfach nur zuhören, wenn es darauf ankam.

Ein paar Stunden später hörte ich ein Auto näherkommen und spähte vorsichtig aus dem Fenster. Es war ein Wohnmobil, das vor unserem Haus parkte. Ich konnte auf dem Fahrersitz niemanden erkennen, so nahm ich meine Waffe in die Hand und spähte weiter hinaus. Doch ein paar Minuten später Daryl aus. Erleichterte atmete ich aus und steckte die Waffe wieder weg.

In den nächsten vier Tagen stellten wir jedes einzelne Haus in der kleinen Stadt auf den Kopf. Von früh bis spät waren wir unterwegs und sammelten alles ein, was uns wichtig und brauchbar erschien. Auch Babykleidung und Spielzeug für Judith und Maggie hatten wir gefunden. Bücher und Comics landen ebenfalls im Wohnmobil, zusammen mit Nahrung, Waffen, Munition und Medikamenten und allerhand anderes Zeug.

„Die Stadt war ein echter Glücksgriff. Wollen wir noch weiter oder langsam zurück? Kommen jetzt schon mit Verspätung zurück" fragte Aaron und ich musste schlucken. Mein schlechtes Gewissen Carl gegenüber war riesig. Ich hoffte und betete, dass es ihm gut geht.

„Würde sagen, unsere Tour hat sich mehr als gelohnt. Und bevor wir unsere Beute nachher wieder verlieren, sollten wir lieber zurückfahren" schlug Glenn vor und wir stimmten zu. Dachten wir in dem Moment doch alle an die Herde auf der Straße, die uns kurzzeitig getrennt hatte.

So räumten wir das Haus, welches wir gerade bewohnten, aus und beluden den Rest in die Autos. Anschließend machten wir uns auf den Rückweg. Wenn alles gut lief, wären wir in ungefähr 3 Tagen zurück in Alexandria. Ich fuhr bei Glenn im Wohnwagen mit und Daryl und Aaron im Pickup.

Mit dem fahren wechselten wir uns immer ab, damit der jeweils andere eine Pause machen konnte. Nachts suchten wir uns eine Unterkunft. Das war einfach sicherer, als im Auto zu schlafen. Gerade machte ich ein kleines Nickerchen, während Glenn fuhr. Ich träumte von Carl. Er saß mit Judith auf einer Wiese und spielte mit ihr. Lachend schaute sie ihren großen Bruder dabei zu, wie er Pusteblumen fliegen ließ und versuchte diese strahlend zu fangen. Jemand beobachtete die beiden heimlich nachdenklich. Ich konnte nicht erkennen, wer es war, aber von ihm schien keine Bedrohung auszugehen und schnell wurde ich wieder von Judith ihrem strahlenden Lachen abgelenkt und schaute ihnen wieder zu. Lächelnd wachte ich auf und sah mich um, wo wir waren.

Heute sollten wir Alexandria erreichen. Doch je näher wir kamen, umso unwohler fühlte ich mich. Irgendetwas in mir sagte, dass etwas nicht stimmte. Unruhig rutschte ich auf dem Sitz hin und her.

„Was ist los?" fragte mich Glenn, der mich eine Weile beobachtet hat.

„Ich weiß nicht. Ich habe ein ganz ungutes Gefühl. Als wenn jeden Moment etwas Schlimmes passiert. Weißt du, was ich meine?" erwiderte ich leise und atmete tief durch, um mich selber zu beruhigen.

„Ja, ich kenne das. Aber es ist sicher alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen" lächelte er mich aufmunternd an und ich nickte leicht. Doch wie falsch er damit lag, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner von uns.


Joseline - Mein Weg (TWD, Sunrise Avenue, Daryl Dixon FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt