In der nächsten Zeit spielte sich immer dasselbe ab. Sie kamen sie holen, folterten sie und brachten sie wieder. Ich weiß nicht, wie lange wir schon hier waren. Ich habe sämtliches Zeitgefühl verloren. Ich weiß nur, dass sie das nicht mehr lange durchhalten würden.
Ab und zu wurde uns Wasser und ein wenig Essen gebracht. Gerade so viel, dass wir nicht verhungern und verdursten würden. Zu wenig, um zu Kräften zu kommen. Wieder einmal wurde die Tür aufgerissen.
„Mitkommen" brüllte mich der Mann an und zog mich an meinen Haaren raus. Leise schrie ich auf und taumelte mehr hinter ihm her, als ich lief. Ich hörte, wie meine Jungs protestierten, doch mit einmal war es still. Viel zu still. Er führte mich über das Grundstück auf ein Haus zu. Verstohlen versuchte ich mich umzusehen, doch konnte ich nicht viel erkennen. Er führte mich ins Haus.
„Hinten links ist ein Bad. Geh dich frisch machen und zieh die Sachen an, die dort auf dem Schrank liegen. Der Boss will dich sehen" fauchte er mich fies grinsend an und schubste mich in die entsprechende Richtung. Außer ihm konnte ich hier im Flur niemanden ausmachen. Ich ging in das Bad und schaute mich im Spiegel an. Ich erkannte die Person nicht, die mich da ansah. Tiefe Augenringe zierten das schmal gewordene Gesicht. Blass und müde sah sie aus. Ihre Augen. Sie waren einmal dunkelbraun, fast schwarz, hatten jeglichen Glanz verloren. Ausdruckslos starrten sie mich an. Schnell wendete ich meinen Blick ab und sah mich im Bad um. Es gab hier die übliche Standartausrüstung. Nichts, was mir helfen könnte. Schnell durchsuchte ich die wenigen Schränke, doch auch hier fand ich nichts Brauchbares. Scheiße.
Es klopfte laut an der Tür, was mich erschrocken zusammenzucken ließ.
„Fünf Minuten noch, dann komme ich dich mit Freuden holen" lachte er dreckig. Schnell wusch ich mir das Gesicht und meine Hände und sah mir die Klamotten an. Es war ein weißer, kurzer Rock und ein rosafarbenes Top. Wiederwillig zog ich mir die Sachen zusammen mit meinen Winterstiefeln an und ahnte bereits, dass das nichts Gutes heißen konnte. Ich verließ das Bad. Leise pfiff der Kerl zeigte mir an, ihm zu folgen. Er führte mich in einen kleinen Raum, was einem Esszimmer glich.
„Setz dich" sagte er und stellte sich an die Tür. Wohl um mich zu bewachen. Der Tisch war für drei Personen eingedeckt. Ich setzte mich, als die Tür aufging. Ein großer Mann betrat den Raum. Er hatte kurzes, graues Haar, war frisch rasiert und trug einen Waffengurt um seine Hüfte. Hinter ihm kam ein junger Erwachsener zum Vorschein. Kein Kind mehr, aber auch noch kein Erwachsener. Ich schätzte ihn ungefähr auf 16. Seine braunen, leicht welligen Haare gingen ihm bis zur Schulter und umrahmten sein Gesicht. Er trug ein graues Shirt, darüber ein weißgraues kariertes Hemd, dessen Knöpfe offen waren, graue Jeans und Boots. Sein Auge war geschwollen und auf seiner Stirn klebte ein großes Pflaster.
„Ah, da ist unser Ehrengast ja schon. Es tut mir leid, dass du warten musstest. Ich bin Gaston" lächelte mich der Mann an, „Das hier ist Carl. Er ist ebenfalls mein Ehrengast heute und wird uns ein wenig Gesellschaft leisten" erklärte er fröhlich weiter und setzte sich mit Carl ebenfalls an den Tisch. War dieser Carl auch hier gefangen? Taten sie ihm das gleiche an, wie meiner Gruppe?
„Joseline, du schaust einfach fantastisch aus. Ein paar Kilo mehr auf den Rippen würde deinen Titten sicher gut bekommen" lachte er mich dreckig an und ich musste unmerklich schlucken. Carl starrte die ganze Zeit auf den Tisch.
„Was wollen sie" fauchte ich ihn an.
„Nicht so unhöflich, Joseline. Ihr habt bei mir eine kostenlose Unterkunft und Kost. Da wird man doch ein wenig Dankbarkeit erwarten dürfen" erwiderte er ernst.
„Dankbarkeit? DANKBARKEIT? Sie lassen meine Gruppe tagtäglich verprügeln und foltern. Sie sind schon mehr tot als lebendig und dafür verlangen sie Dankbarkeit? Einen Scheißdreck bekommen sie von mir" fauchte ich ihn an und spuckte ihm mitten ins Gesicht. Sofort hörte ich das typische, klatschende Geräusch einer Ohrfeige und spürte einen brennenden Schmerz, der durch meine Wange fuhr und hielt mir diese. Wütend funkelte ich ihn an und sah, dass Carl mich nun beobachtete.
„Wusstest du, dass deine Gruppe das freiwillig auf sich nimmt? Unser Deal. Wir rühren dich nicht an, dafür dürfen wir mit ihnen machen, was wir wollen. Aber weißt du was, Joseline? Täglich halbe Leichen zu verprügeln, das wird auf Dauer irgendwie langweilig. Und vielleicht habe ich vergessen zu erwähnen, dass ich mich nur ungerne an Deals halte. Wo wäre denn da der Spaß" lachte er auf, als habe er einen Witz gemacht, während ich ihn nur blass anstarrte. Sie taten das für mich? Sie nahmen nur für mich die ganzen Qualen auf sich? Hätte ich das doch nur eher gewusst...
„Weißt du, Carl hat auch eine Gruppe. Leider habe ich bisher nur ihn und seine kleine Schwester zu fassen bekommen. Ein wirklich sehr süßes Mädchen. Wie alt war sie noch gleich? 9 Monate? 1 Jahr alt?" fragte er nun grinsend an Carl gerichtet. Er würde doch nicht...
„Fass sie an und du bist tot" knurrend sprang Carl auf, doch der Typ von der Tür drückte ihn sofort auf seinen Stuhl zurück.
„Wahre Geschwisterliebe, ist das nicht süß, Joseline? Jedenfalls, es wird nicht mehr lange dauern und ich werde auch seine restliche Gruppe schnappen. Immer die gleichen Gesichter, das wäre doch sonst zu eintönig, nicht wahr meine süße?" dreckig grinsend rief er nach dem Essen und der Tisch wurde reichlich gedeckt.
„Lasst es euch schmecken" schmatzend ließ Gaston sich das Essen schmecken, doch Carl und ich rührten nichts an. Ich weiß, ich hatte es meiner Gruppe versprochen. Doch ich konnte nicht mehr fliehen. Nicht alleine. Ich konnte doch das kleine Mädchen hier nicht zurücklassen und Carl auch nicht. Und meine Gruppe erst Recht nicht. Ich musste mir schleunigst etwas einfallen lassen.
DU LIEST GERADE
Joseline - Mein Weg (TWD, Sunrise Avenue, Daryl Dixon FF)
FanfictionDas Leben treibt Menschen auseinander. Das Leben bringt Menschen zusammen. Die Hoffnung kann enttäuschen. Die Hoffnung kann stärken. Die Liebe kann schmerzen. Die Liebe kann heilen. Man muss nur den Mut haben, daran zu glauben! ---------------- „Ge...