72. Fass mich nicht an!

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Bis zum Abend kamen immer noch vereinzelt Menschen, die sich angesteckt hatten. Mittlerweile lag mehr als die Hälfte aller Einwohner aus Alexandria flach. Wir hatten in der Zwischenzeit auch die erste Etage in ein Krankenlager umgewandelt. So langsam gingen uns auch die Decken und Kissen aus. Ich war müde und erschöpft. Alles tat mir weh. Hatte es auch noch nicht geschafft, nach Carl zu schauen. Doch ich konnte mir keine Pause erlauben. Ständig gab es etwas zu tun. Wir versuchten es ihnen so angenehm wie möglich zu machen. Ihre Leiden etwas zu lindern.

„Bin wieder da" hörte ich da Denise neben mir und zuckte erschrocken zusammen. Hatte sie gar nicht kommen gehört. Sie sah ausgeruht aus. Ich brachte sie auf den neuesten Stand.

„Nun gehst du was essen und schlafen" vernahm ich Samu. Seine Stimme klang ungewohnt ernst und ich wusste, Widerworte wurden nicht geduldig. Nickend ging ich raus und nahm den Mundschutz ab und inhalierte tief die frische Luft. Schnell rauchte ich eine Zigarette und schlich anschließend ins Haus. Es war alles ruhig. In der Küche schaute ich in die Töpfe und schlug mir meinen Bauch voll. Hatte zwar immer wieder etwas Suppe gegessen, doch wirklich satt machte diese nicht auf Dauer. Anschließend ging ich hoch in mein Zimmer. Carl lag auf dem Bett und las einen Comic.

„Hey. Wie geht es dir?" fragte ich ihn und nahm mir frische Sachen aus dem Schrank.

„Geht so... Und dir? Wie geht es den anderen?" erkundigte er sich und ich sah ihn mir genauer an. Er sah müde aus. Hatte er nicht geschlafen?

„Ich bin müde, aber sonst geht es mir gut. Die anderen haben sehr mit den Symptomen zu kämpfen. Uns gehen langsam die Medikamente aus und wir haben bei den meisten das Problem, dass Fieber runterzubekommen. Ich gehe fix duschen, dann mag ich kuscheln. Lust?" fragte ich ihn und er nickte lächelnd. Ich nickte ihm zu und ging schnell duschen. Genoss das warme Wasser auf meiner Haut und schlüpfte anschließend in meinen kuscheligen Jogginganzug. Ging wieder rüber und krabbelte unter die Decke.

„Kuscheln!" grinste ich schief und hielt meine Arme auf. Lächelnd kuschelte er sich in meine Arme und ich strich ihm sanft durch seine Haare. Fieber hatte er keines. Er schien sich nicht angesteckt zu haben. Während er mir meinen Rücken kraulte, erzählte er mir, was er den Tag über gemacht hatte, bis ich erschöpft einschlief.

In den nächsten zwei Wochen war es ein auf und ab in Alexandria. Es gab nicht viele, die noch gesund waren. Rick, Michonne und Daryl waren ungefähr eine Woche unterwegs, als sie endlich, mit den so heiß ersehnten Medikamenten, wiederkamen. Mit denen haben wir die Grippe langsam in den Griff bekommen. Fast alle waren auf den Weg der Besserung. Die meisten waren auch wieder in ihren Häusern. Nur Jessie, Aaron und Francine lagen noch auf der Krankenstation. Bob Miller hatte es leider nicht geschafft. Sein Immunsystem hatte es nicht geschafft, dagegen anzukämpfen.

Die beiden Wochen waren echt anstrengend und kräftezehrend. Obwohl uns Enid, Gabriel, Eric, Samu und Olivia tatkräftig auf der Krankenstation unterstützt haben. Doch für so viele Kranke waren wir einfach zu wenige gewesen. Aber nun haben wir es überstanden und es wurde auch langsam wärmer. Der Schnee war weg und die Sonne kämpfte sich immer öfter und länger durch. Der Frühling hielt langsam Einzug in Alexandria. Ich saß mal wieder auf unserer Veranda auf dem Geländer und lehnte mit meinen Rücken an den Balken. Genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht.

Ron hatte es Rick tatsächlich erzählt. Ich muss gestehen, ich hatte da so meine Zweifel. Rick hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Ich konnte das sehr gut nachvollziehen. Immerhin wollte Ron Carl tot sehen. Er würde sich etwas für Ron überlegen. Dieser sprach gerade mit Carl. Ich hoffte, sie konnten ihre Ungereimtheiten aus dem Weg räumen. Es würde nicht einfach werden. Wut, Hass, Misstrauen und Verzweiflung würden sicher noch lange eine Rolle spielen. Aber es war bestimmt machbar. Irgendwie. Schließlich mussten wir hier alle miteinander leben und uns vertrauen können.

Plötzlich hörte man Ron laut schreien, schnell sprang ich auf und lief die Straße herunter. Schon von weitem sah ich beide stehen. Carl stand regungslos da, während Ron auf ihn einschrie und ihn immer wieder schubste.

Rick und Daryl waren vor mir da. Daryl griff nach Ron und zog ihn unsanft weg. Drückte ihn auf den Boden und hielt ihn fest, während dieser laut fluchte und Rick und Carl wüst beschimpfte.

„Fass mich nicht an!" fauchte Carl Rick an, als ihn dieser in seine Arme ziehen wollte. Stand weiterhin regungslos da und bebte am ganzen Körper. Rick wich erschrocken zurück und redete ruhig auf Carl ein, doch dieser funkelte ihn nur wütend an. Außer Atem kam ich bei ihnen an und stellte mich vor Carl. Auch mich funkelte er wütend an, seine Hand legte er um den Griff von seinem Messer, in der Halterung. Bereit, es jederzeit zu ziehen. Bereit, es jederzeit zu benutzen.

„Bring ihn hier weg" meinte ich zu Daryl und deutete dabei zu Ron. Er zog ihn unsanft hoch und schaffte ihn aus dem Sichtfeld von Carl, anschließend schaute ich diesen an. „Lass uns nach Hause gehen" und hielt ihm meine Hand hin. Doch er rührte sich nicht. Es schien, als wenn er durch mich hindurch schauen würde. Ich nahm sanft seine Hand und schaute ihm in seine Augen. Wut und entsetzen lag in ihnen. Verzweiflung und Verletzlichkeit. „Carl. Ich bin es, Josie. Komm, ich bringe dich nach Hause" erklärte ich ihm ruhig und ging langsam los. Unsicher folgte er mir, während er meine Hand fest, fast schmerzlich drückte. Doch ich ließ ihn. Zuhause gingen wir hoch in unser Zimmer und ich setzte mich mit ihm aufs Bett. Er hielt sein Messer noch immer umklammert, doch ich hatte keine Angst vor ihm. Zog ihn einfach in meine Arme, drückte ihn an mich und redete beruhigend auf ihn ein. Dass ich hier bin. Das alles gut ist. Dass er hier in Sicherheit ist. Eine Weile hing er in meinen Armen, bis er irgendwann das Messer losließ. Er schlang seine Arme um mich und fing hemmungslos zu weinen an. Lange hielt ich ihn einfach nur fest und streichelte ihm über seinen Rücken. Nur langsam beruhigte er sich wieder.

„Magst du mir erzählen, was passiert ist? Was er gesagt oder getan hat?" fragte ich ihn leise. Sofort versteifte er sich und klammerte sich regelrecht an mir fest. Ich ließ ihn. Bedrängte ihn nicht.

„Was hat Gaston mit dir gemacht?" fragte er nun seinerseits und mir wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht.

Joseline - Mein Weg (TWD, Sunrise Avenue, Daryl Dixon FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt