62. Ausgeliefert

716 34 37
                                    

In den nächsten Tagen bekam ich Daryl gar nicht zu Gesicht. Ich wusste nicht mal, ob er überhaupt noch in Alexandria war, oder außerhalb unterwegs. Ich vermisste ihn. Ich hasste es, wie es gerade zwischen uns war. Ich wollte ihn einfach nicht verlieren. Das würde ich nicht ertragen.

Heute waren die meisten unterwegs. Hauptsächlich, um neues Baumaterial zu besorgen. Es waren nur Gabriel, Michelle, Samu, Judith und ich in Alexandria. Gabriel schob Wache und Michelle und Samu kümmerten sich um Judith und spielten mit ihr. Samu und Michelle verstanden sich ziemlich gut. In der Zwischenzeit war Michelle zu Olivia und Enid ins Haus gezogen.

Ich lief gerade durch die Straßen, um nach dem Rechten zu sehen, als mir jemand grob von hinten den Mund zuhielt. Seinen Arm legte er um mich, hielt mich so fest und zog mich so mit zu einem der Häuser. Ich zappelte heftig und versuchte ihm in die Hand zu beißen. Versuchte zu schreien, doch es gelang mir nicht. Panik stieg in mir auf. Es war niemand hier, der mich hätte hören könnten. Es war niemand hier, der mir helfen konnte. Ich war auf mich allein gestellt.

Er zog mich unsanft die kleine Treppe der Veranda hoch und öffnete umständlich die Tür. Grob schubste er mich ins Haus. Ich stolperte. Konnte mich nicht mehr fangen und fiel zu Boden. Spürte einen stechenden Schmerz in meinem Hinterkopf, dann wurde alles schwarz um mich.

Mir war so entsetzlich kalt. Ich konnte meine eigenen Zähne klappern hören. Mein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub. Ich wollte nach der Decke greifen, doch ich konnte meine Hände nicht bewegen. Meine Handgelenke schmerzten. Mein Kopf pochte. Was war passiert?

Schwerfällig versuchte ich meine Augen aufzumachen. Mehrmals musste ich blinzeln. Es war hell. So hell. Alles war am Anfang etwas verschwommen. Nur allmählich löste sich der Nebel auf. Mit entsetzen stellte ich fest, dass ich nackt war. Vollkommen entkleidet lag ich in einem fremden Bett. Meine Hände und Füße waren am Bettgestell festgebunden. Die Seile scheuerten an meinen Gelenken, doch versuchte ich krampfhaft, meine Hände frei zu bekommen.

Ich musste hier raus. Ich musste hier weg. Sofort. Übelkeit machte sich in mir breit. Ich ahnte, was mir bevorstand. Ich wollte das nicht. Nicht noch einmal. Plötzlich hörte ich draußen vor der Tür Schritte. Ich hielt meinen Atem an. Hoffte, sie würden vorbeigehen. Doch diesen Gefallen tat er mir nicht. Die Tür wurde geöffnet und schnell schloss ich meine Augen. Versuchte mich schlafend zu stellen. Ich hörte Schritte. Sie kamen immer näher. Direkt neben mir verstummten sie. Ich konnte die Blicke regelrecht auf mir spüren. Ich fühlte mich so unwohl. Ich fühlte mich dreckig und beschmutzt.

„Hey meine wunderschöne Schnecke" ich fühlte warme Finger auf meine Wange, „Schläfst du noch? Wird langsam Zeit, dass du aufwachst. Sonst müssen wir wohl beide Dornröschen spielen". Spencer, schoss es mir durch den Kopf. Unmerklich musste ich die Übelkeit herunterschlucken. Regungslos lag ich da. Hoffte, er würde einfach wieder verschwinden. Wie kommt er hier her? Ich dachte, er ist mit den anderen draußen unterwegs?

Wieder Schritte. Kurz darauf hörte ich, wie die Tür ins Schloss fiel und öffnete panisch meine Augen. Suchten den ganzen Raum ab. Irgendwas musste hier doch zu finden sein, was mir half. Was mir half, mich aus dieser Lage zu befreien. Doch hier war nichts. Ein großer, brauner Kleiderschrank stand an der Wand zu meiner linken. Ein Spiegel befand sich an dessen Mittelteil und ich konnte mich selber gefesselt im Bett liegen sehen. Schmerzlich kämpfte ich mit den Tränen. Fühlte mich so hilflos. Hilflos und Verzweifelt.

An der Wand schräg gegenüber stand in demselben braun ein Schminktisch. Ebenfalls mit Spiegel und einem passenden Stuhl davor. An meiner rechten Seite waren 2 große Fenster. Je rechts und links in den Ecken standen große, massive, gut befüllte Bücherregale. Ansonsten befanden sich nur noch zwei Nachtschränke je rechts und links vom Bett. Hektisch zerrte ich wieder an den Fesseln. Sie scheuerten mir tief in die Haut. Doch dieser Schmerz war erträglicher, als alles andere, was ich hier gerade erlebte. Ich würde hier nicht rauskommen.

Würden die anderen meine Abwesenheit bemerken? Es konnte spät werden, bis sie zurückkommen würden. Es war jetzt höchstens Mittag, schätzte ich. Es würde Stunden dauern. Quälend lange Stunden. Warme Flüssigkeit lief an meinen Handgelenken hinab. Tropften auf das weiße Laken und tränkten es langsam blutrot. Wie konnte Blut die gleiche Farbe wie die Liebe haben?

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ich starrte direkt in Spencers Gesicht. Scheiße, verfluchte ich mich selber. Ich hatte nicht gelauscht. Ich hatte nicht aufgepasst.

„Schade, dann fällt Dornröschen spielen wohl aus" grinste er mich dreckig an.

„Spencer. Was soll das? Mach mich los und es wird niemand etwas davon erfahren" flehte ich ihn an, doch er lachte nur dreckig.

„Die anderen vermissen weder dich, noch mich. Das heißt, du gehörst nun mir für viele, viele Stunden. Stunden, die ich sicher gut zu nutzen weiß" lachte er mich schmierig an und mir wurde schlecht. Er zog sich sein Shirt über den Kopf und schmiss es achtlos in die Ecke.

„Du wirst dieses Haus nicht mehr lebendig verlassen" knurrte ich wütend und verzweifelt.

„Mag sein. Dafür werde ich dann glücklich sterben" grinste er und zog sich seine Hose samt Boxershorts aus.

„Du bist so ein mieses Drecksschwein" fauchte ich ihn an. Er umfasste mein blutiges Handgelenk und in genau diesem Augenblick war es, als wenn tausend Blitze durch meinen Kopf zogen würden. Handgelenk. Er hatte an jenen Abend mein Handgelenk festgehalten. Wollte mich zum Bleiben überreden. Ich hatte etwas getrunken. Ein halbes Glas Weißwein. Der Nebel in meinem Kopf, als ich den Weg nach Hause suchte. Plötzlich war alles wieder da. Ich wusste wieder, was an jenen Abend passiert war. Zumindest, bis ich mitten auf der Straße eingeschlafen war.

„Du hast mir irgendwas in den Wein gemixt" murmelte ich mehr zu mir selber, als zu ihm.

„Du bist echt ein helles Köpfchen. Die Schlaftabletten haben schnell gewirkt. Aber leider musstest du ja vorhergehen" erklärte er mir und mir drehte sich der Magen um. Plötzlich hockte er sich ohne Vorwarnung zwischen meine Beine und mir stockte der Atem.

„Tue es nicht. Bitte nicht" flehte ich ihn an.

Joseline - Mein Weg (TWD, Sunrise Avenue, Daryl Dixon FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt