64. Es war nicht deine Schuld!

738 34 10
                                    

Samu's Perspektive

Heute war es sehr ruhig hier in Alexandria. Alle arbeiteten fleißig an der Umsetzung zur Vergrößerung des Grundstückes. Josie lief gerade einen Kontrollgang durch die Gemeinde. Ich durfte immer noch nicht viel machen. Daher blieb ich hier und passte auf Judith auf und hatte gleichzeitig ein Auge auf die neue, Michelle. Sie schien nett zu sein. Etwas Schüchtern, aber nett.

„Wo kommst du denn ursprünglich her?" erkundigte ich mich, während ich Judith auf der Couch zudeckte, sie war beim Spielen einfach eingeschlafen. Sie ist wirklich eine kleine süße Maus. So wahnsinnig lieb und pflegeleicht.

„Ich habe vorher in New York gewohnt. Bin dort auch geboren" erklärte die blonde junge Frau und setzte sich auf den Sessel, während ich mich neben Judith auf die Couch setzte. Sie war ungefähr 1,60m groß, also über 30 cm kleiner als ich. Blaue Augen beobachteten mich aufmerksam, während ihr die langen Haare locker über ihre Schultern fielen.


„Und deine Familie?" fragte ich sie vorsichtig.

„Meine Mama und meine kleine Schwester sind relativ am Anfang verstorben... Mein Vater wurde vor ungefähr zwei Jahren gebissen... Mein älterer Bruder ist kurz danach spurlos verschwunden. Keine Ahnung, was mit ihm ist. Seitdem bin ich alleine unterwegs" erklärte sie traurig und sah aus dem Fenster.

„Das tut mir aufrichtig leid. Hattest du draußen keine Gruppe?" fragte ich sie weiter aus.

„Nein. Ich habe einiges mitbekommen da draußen. Wie sich die Menschen verändern. Wie aus guten Menschen böse werden. Was sie tun. Wozu sie im Stande sind. Ich wollte das nicht. Ich wollte das nicht erleben. Ich wollte das nicht sehen. Ich wollte nicht auch so werden. Daher habe ich jede Gruppe vermieden. Bisher zumindest" erklärte sie.

„Die Welt war schon immer grausam und sie wird immer grausam sein. Aber nicht alle Menschen sind so. Es gibt immer noch gute Menschen. Hilfsbereite Menschen. Menschen, die die Welt ein bisschen besser machen. Und gute Menschen wird es auch immer geben" erwiderte ich, „Was hast du denn früher beruflich gemacht?".

„Josie hat Recht. Ihr seid wirklich verdammt neugierig" grinste sie mich kurz an und leise lachte ich auf.

„Niemals nie nicht" erwiderte ich unschuldig grinsend.

„Natürlich nicht" erwiderte sie sarkastisch und grinste leicht. „Aber um deine Frage zu beantworten, ich bin gelernte Physiotherapeutin und Masseurin. Allerdings wollte ich dann mit einem Musikstudium anfangen, aber so weit kam es nicht mehr" erzählte sie leise. Sie wollte Musik studieren? Das war ja interessant. Doch bevor ich genauer nachharken konnte, hörte ich die Haustür. Das wird sicher Josie sein, sie war ziemlich lange weg. War bestimmt bei Gabriel, um ihm bei seiner Wache Gesellschaft zu leisten.

„Josie?" fragend lief ich in den Flur und wurde blass. Daryl trug eine völlig aufgelöste Josie auf dem Arm. Ihre langen Haare hingen unordentlich lose aus ihrem Pferdeschwanz und standen in allen Richtungen ab. Sie war in eine Decke und in eine Jacke gewickelt. Ihre Füße und Beine waren nackt. An den Knöcheln waren rote Striemen zu erkennen. Sie krallte sich an Daryls Klamotten fest und weinte hemmungslos. Was war ihr nur wiederfahren?

„Was ist passiert?" fragend sah ich Daryl an und erschrak auch bei seinem Anblick. Sein Gesicht. Seine Augen. Sie waren zu kleinen Schlitzen geformt. Sein Atem ging schwer. Blitzten und funkelten wütend. So sauer habe ich ihn noch nie erlebt. Doch ich bekam keine Antwort. Er ging einfach an mir vorbei und die Treppe hoch. Verzweifelt fuhr ich mir durch meine Haare und sah ihnen nach.

Wenige Augenblicke später kam Carl hereingestürzt. Sein Gesicht, ich konnte es nicht deuten. Eine Mischung aus Entsetzen, Wut und Angst sprach aus seinen Augen.

„Carl?" sprach ich ihn an, doch auch er stürzte die Treppe regelrecht hoch. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Verdammt. Würde mir mal bitte jemand erklären, was passiert war? Was war mit Josie geschehen? So aufgelöst habe ich sie noch nie erlebt. Ich wollte gerade die Treppe hochgehen, als Daryl runterkam. Wütend stürzte er in die Küche. Lief von da schnaufend in den Flur und ins Wohnzimmer. Im selben Augenblick kam er wieder in den Flur. Rieb sich mit seinen blutverschmierten Händen durchs Gesicht. Schnaufte immer wieder auf. Ballte seine Fäuste und wollte gerade auf die Wand einschlagen, als ich seine Hände umgriff.

„Daryl! Nicht! Was ist passiert?" fragte ich ihn eindringlich.

„Lass mich!" wütend knurrte er mich an und riss sich los. Lief wieder, nun fluchend, durch das ganze Erdgeschoss und trieb mich fast in den Wahnsinn damit.

„Sag es mir oder ich geh Josie fragen" drohte ich ihm ungewollt und funkelte nun ihn an. Sein Blick wanderte zu mir. Kurzzeitig sichtlich überrascht sah er mich an. Ich konnte halt auch anders, wenn es sein musste.

„Dieser Bastard Spencer. Er hatte sie in seiner Gewalt. Hat sie ans Bett gefesselt. Entkleidet. Wollte sich gerade an ihr.... Es ist meine Schuld. Meine Schuld. Ich wollte auf sie aufpassen. Doch dieser verfluchte Mistkerl hat mich ausgetrickst. Ich war zu langsam" knurrte er und deutlich konnte ich die Schuldgefühle heraushören. Und spürte, wie die Wut in mir hochkochte. Wenn ich dieses Arschloch in die Finger bekomme. Wenn ich ihn zu fassen bekomme. Niemand würde ihn dann mehr erkennen, wenn ich mit ihm fertig bin.

„Es war nicht deine Schuld Daryl! Das ist es nicht! Er alleine ist daran schuld!" erklärte ich ihm nachdrücklich. Ich konnte ihn gut verstehen, doch Selbstvorwürfe würden es nicht besser machen. Er zuckte gleichgültig mit den Achseln und sah auch die Uhr.

„Was braucht sie so lange im Bad..." knurrte er mehr zu sich selber, als zu mir.

„Ich habe mal gelesen, dass man sich danach dreckig fühlt..." erwiderte ich leise.

„Ich geh nachsehen!" erklärte er und wollte schon hochgehen.

„Warte. Komm mit" meinte ich und zeigte auf seine Hände, die noch immer voller Blut waren. Genauso wie sein Gesicht. „Das sollte sie nicht sehen". Zustimmend nickte er mir zu und folgte mir in die Küche. Gründlich wusch er sich die Hände und das Gesicht. Zog sich auch sein Sweatshirt aus, was voller Blutspritzer war. Darunter trug er noch ein T-Shirt, anschließend ging er hoch. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass das Spencer sein Blut war. Am liebsten würde ich zu ihm gehen und da weitermachen, wo Daryl aufgehört hatte. Ich wollte mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn Daryl nicht gekommen wäre. Wie gerne würde ich zu Spencer gehen. Aber ich hatte versprochen, auf Judith aufzupassen und auf Michelle ein Auge zu haben. Hatte Carl es mitbekommen? Hatte er es auch sehen müssen? Um mich abzureagieren, ging ich draußen an der kalten Luft eine rauchen. Als ich wenige Minuten später Judith leise weinen hörte, sie war sicher wachgeworden, atmete ich noch ein paar Mal tief durch und ging wieder rein zu ihr. Spielte mir ihr, damit sie nichts von der Stimmung um sie herum mitbekommt, doch innerlich war ich sehr aufgebracht und aufgewühlt.     

Joseline - Mein Weg (TWD, Sunrise Avenue, Daryl Dixon FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt